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Karlsruhe/Berlin. Für die Medien war der Fall des 28 Jahre alten Offenbacher Oberleutnants Franco A. im Frühjahr und Sommer dieses Jahres das gefundene Fressen für Auflage und Quote. Der Ende April wegen Terrorverdachts festgenommene Heeresoffizier saß bis jetzt in Untersuchungshaft. Mit Beschluss vom gestrigen Mittwoch (29. November) hob der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) – auch als Staatsschutzsenat bezeichnet – den aktuellen Haftbefehl des BGH-Ermittlungsrichters gegen den Verdächtigen auf. Es bestehe kein Haftgrund mehr, so die Karlsruher Juristen. Der Beschuldigte sei in dieser Sache aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

Die Pressestelle des Bundesgerichtshofs erläutert in einer gestern veröffentlichten Erklärung noch einmal die Gründe für die Untersuchungshaft, die für den Beschuldigten am 27. April dieses Jahres begonnen hatte (siehe auch unseren Beitrag vom 18. August).

Im Pressetext des BGH lesen wir: „Nach dem auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützten Haftbefehl liegt [dem Beschuldigten] insbesondere zur Last, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben. Er soll den Plan gefasst haben, einen Angriff auf das Leben hochrangiger Politiker und Personen des öffentlichen Lebens vorzunehmen. Hierzu soll er sich eine Schusswaffe beschafft und diese auf dem Flughafen Wien-Schwechat versteckt haben. Bei dem geplanten Anschlag habe der Beschuldigte den Verdacht in Richtung der in Deutschland erfassten Asylbewerber lenken wollen. Zu diesem Zwecke soll er sich eine Tarnidentität als syrischer Flüchtling zugelegt und als solcher staatliche Leistungen erhalten haben. Außerdem sei er im Besitz von weiteren Waffen, Munition und Sprengstoff gewesen. Diese Gegenstände habe er teilweise bei der Bundeswehr gestohlen.“

Bundeswehr schon immer ein Hort rechtsextremer Gesinnung?

Nach der Verhaftung von Franco A. hatten die Behörden im Frühjahr zunächst auch noch einen weiteren Bundeswehrangehörigen festgenommen. Der unter dem Namen „Maximilian T.“ in den Medien bekannt gewordene Verdächtige diente gemeinsam mit Franco A. im elsässischen Illkirch-Graffenstaden beim Jägerbataillon 291, eine Einheit der Deutsch-Französischen Brigade. Auch wenn Maximilian T. bereits im Sommer wieder aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, so war der gesamte Fall danach immer noch für lange Zeit von einer gewissen öffentlichen Hysterie getragen.

So bezeichneten die Medien Franco A. wenig vorurteilsfrei als „terrorverdächtigen Bundeswehroberleutnant“, nach und nach schlichen sich auch Begriffe wie „Rechtsterrorist“ oder „deutscher Terror-Offizier“ in die Berichterstattung ein. Viele Beiträge verbanden Information und Emotion – so warnte beispielsweise das Westfalen-Blatt seine Leser: „Wer die Bundeswehr schon immer für einen Hort rechtsextremer Gesinnung gehalten hat, fühlt sich durch den Fall Franco A. bestätigt. In der Tat kann dieser Fall gar nicht ernst genug genommen werden.“ Der Nachrichtensender N24 hatte gar die Hand am Puls der Gesellschaft: „Der Skandal um den Bundeswehroffizier Franco A. schockiert Deutschland.“ Die Zeitungen der Madsack-Mediengruppe meldeten aufgeregt, das Verteidigungsministerium habe „Hinweise auf ein rechtsextremistisches Netz in der Truppe“. Leitmedien wie der stern beauftragten große Meinungsforschungsinstitute mit der Frage, ob die „Deutschen in der Bundeswehr ein Sammelbecken von Rechtsextremisten“ sehen würden.

Allen Verdachtsmomenten auf extremistische Vorgänge nachgehen

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen setzte sich im Mai „rund um den Fall Franco A. an die Spitze der Aufklärung“ (so der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Henning Otte). „Sie sorgt unnachgiebig dafür, dass allen Verdachtsmomenten, die auf extremistische Vorgänge in der Bundeswehr hindeuten, intensiv nachgegangen wird“ (Otte).

Die Ministerin informierte in jenen Tagen zwar in einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses ausführlich über den bis dahin bekannten Sachstand zum Fall „Franco A.“, ansonsten hatte sie sich aber bereits kräftig in der Materie verheddert. Sie war vor allem massiv in die Kritik geraten, weil sie ihrer Truppe in einem Interview mit dem ZDF am 30. April „ein Haltungsproblem, offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen“ sowie „falsch verstandenen Korpsgeist“ unterstellt hatte. Diese Pauschalwertung verzeihen ihr große Teile der Streitkräfte bis heute nicht.

Und nun? Nach Bekanntwerden des BGH-Beschusses vom gestrigen 29. November und der Aufhebung des Haftbefehls gegen den Bundeswehroffizier blieben bis jetzt Kommentare und Stellungnahmen aus. Weder griffen Journalisten zur Feder und artikulierten ihre Meinung zu der überraschenden Karlsruher Entscheidung. Noch schoben sich Politiker vor Mikrofone und Kameras, um ihre Sicht der Dinge kundzutun. Hatte „der Skandal um den Bundeswehroffizier Franco A.“ denn vor gut einem halben Jahr nicht ganz Deutschland „schockiert“? Die heutige Entscheidung des Staatsschutzsenats scheint vielen Meinungsmachern die Sprache verschlagen zu haben.

Lediglich das Verteidigungsministerium hatte eine Stellungnahme parat, die ein Pressesprecher auf Anfrage auch an das bundeswehr-journal übermittelte. Das Statement lautet: „Das BMVg hat [am 29. November 2017] über den Generalbundesanwalt Kenntnis erhalten, dass Franco A. […] aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. Ungeachtet dessen werden die bereits laufenden disziplinaren Ermittlungen in der Bundeswehr fortgeführt. Franco A. ist bereits während der Untersuchungshaft vorläufig des Dienstes in der Truppe enthoben worden. Gegen ihn liegt zudem ein Uniformtrageverbot vor. Weitere mögliche strafrechtlichen Ermittlungen liegen in der Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft.“

Anfangsverdacht für die Begehung einer Straftat nach wie vor nicht ausgeräumt

Zurück zur Presseerklärung des Bundesgerichtshofes. Die Verfasser erläutern den Beschluss wie folgt: „Nach der Entscheidung des 3. Strafsenats lässt sich aus dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen der dringende Tatverdacht für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nicht herleiten. Der Beschuldigte wird insoweit zwar durch verschiedene Ermittlungsergebnisse belastet; aufgrund mehrerer Unstimmigkeiten ist es derzeit jedoch nicht in dem für die Begründung eines dringenden Tatverdachts erforderlichen hohen Maße wahrscheinlich, dass er tatsächlich in der ihm vorgeworfenen Weise ein Attentat auf eine Person des öffentlichen Lebens vorbereitete. Die von den übrigen dem Beschuldigten vorgeworfenen Delikte ausgehende Straferwartung reicht vor allem mit Blick auf seine persönlichen Verhältnisse und den Umstand, dass die bereits vollzogene Untersuchungshaft auf die zu verhängende Sanktion anzurechnen wäre, nicht aus, um den Haftgrund der Fluchtgefahr zu begründen.“

In dem Beschluss des BGH selber heißt es am Ende: „Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen besteht allerdings weiterhin ein die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts und damit auch des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs begründender Anfangsverdacht für die Begehung einer Straftat.“


Unser Symbolbild zeigt das Deckblatt des BGH-Beschlusses vom 29. November 2017 im Ermittlungsverfahren gegen Franco A. aus Offenbach.
(Bildmontage mediakompakt)

Kleines Beitragsfoto: Eingang zum Bundesgerichtshof, der seinen Sitz im Erbgroßherzoglichen Palais in Karlsruhe hat.
(Foto: amk)


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