Berlin. Die ehemalige Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg steht mit ihren vielen Kilometern Geheimdienstakten wie kein anderer Ort für das Überwachungssystem der DDR und das Unrecht des SED-Staates. Gleichzeitig steht der Ort für die Oppositionsbewegung – hier wurde zu Jahresbeginn 1990 nach den Außenstellen im Land auch das Zentrum der Überwachung durch das Volk besetzt. Am vergangenen Mittwoch (15. Juni) eröffnete im Innenhof des früheren Stasi-Molochs Kulturstaatsministerin Monika Grütters die neue Open-Air-Ausstellung „Revolution und Mauerfall“ der Robert-Havemann-Gesellschaft. Es ist eine Neugestaltung der erfolgreichen Präsentation, die bereits 2009 und 2010 auf dem Berliner Alexanderplatz zu sehen war. Die Ausstellung in der Lichtenberger Ruschestraße zeichnet anhand von mehr als 650 Bildern sowie historischen Dokumenten und Filmen die Vorgeschichte, den Verlauf und die Folgen der Friedlichen Revolution 1989/90 in der DDR nach.
Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, nahm bei der Ausstellungseröffnung Bezug auf die zweigesichtige Historie des Ortes: „Was für uns heute selbstverständlich ist, dass wir uns mit diesem Teil unserer Geschichte anhand von Stasi-Akten auseinandersetzen und vor allem: dass jeder betroffene Bürger das Recht hat, seine Akte einzusehen – das ist im Rückblick keineswegs eine Selbstverständlichkeit, sondern hart erkämpft von mutigen Bürgerinnen und Bürgern.“
Er empfinde es als Genugtuung, dass aus diesem Ort der Täter ein Ort der kritischen Auseinandersetzung mit dem Erbe der Diktatur geworden sei, sagte der SPD-Politiker weiter. Dass heute die früheren Stasi-Akten eingesehen und erforscht werden könnten, dass hier Aufklärung und Bildungsarbeit möglich sei und dass mit der neuen Ausstellung der Robert-Havemann-Gesellschaft gerade die ehemaligen Gegner des Ministeriums für Staatssicherheit an einem so zentralen Ort mit der Deutung der Ereignisse von 1989/90 betraut seien, sei „eine historische Volte“, über die man sich gar nicht genug freuen könne.
Die Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg war fast 30 Jahre das Hauptquartier der DDR-Geheimpolizei. Alleine hier dienten den Herrschenden bis zu 7000 hauptamtliche Mitarbeiter. Im sogenannten „Haus 1“ hatte Minister Erich Mielke von 1962 bis 1989 seinen Dienstsitz. Heute befindet sich darin das Stasi-Museum mit der Ausstellung „Staatssicherheit in der SED-Diktatur“. Das Herzstück des Museums bilden die historischen Diensträume des Mannes, den das Nachrichtenmagazin Der Spiegel einmal als „heimlichen Kaiser der DDR“ bezeichnet hatte. In dem 2007 publizierten Porträt von Hans Michael Kloth über den Stalinisten Mielke hieß es: „Er war hinterhältig, ungehobelt, ungebildet, ließ foltern und morden.“ Und: „Die Stasi war Erich Mielke, und Erich Mielke war die Stasi.“
„Nach [Mielkes] Amtsantritt verdoppelte sich die Zahl der Hauptamtlichen bis zum Mauerbau 1961 auf 30.000, die Zahl der Spitzel wuchs noch stärker – auf rund 100.000,“ so Spiegel-Autor Kloth damals über die ungeheueren Dimensionen des ostdeutschen Überwachungsstaates. „Am Ende der DDR sollten es schließlich 91.000 Vollzeitkader (davon nur 3800 in der Auslandsspionage) und 180.000 ,Inoffizielle Mitarbeiter‘ sein – die nicht weniger als 40 Millionen Karteikarten beschrieben und rund 180 Kilometer Akten anlegten.“
Der Fall der Mauer im geteilten Berlin am Abend des 9. November 1989 ist heute das bekannteste Symbol für das Ende der SED-Diktatur, ja für den Untergang des Kommunismus. Die Freiheitsrevolution zeige, so schreiben die Macher der Ausstellung „Revolution und Mauerfall“, dass Diktaturen überwindbar seien.
Präsentiert wird die Open-Air-Schau der 1990 gegründeten Robert-Havemann-Gesellschaft an dem Ort, an dem der SED die entscheidende Machtbasis – ihr „Schild und Schwert“ – endgültig entrissen wurde. Sie ergänzt so in idealer Weise die neue Dauerausstellung im Stasi-Museum auf dem alten Ministeriumsgelände. Hier in „Haus 1“, der ehemaligen Zentrale der DDR-Geheimpolizei, wird gezeigt, wie die Verfolgung und Unterdrückung der Regimegegner geplant und umgesetzt wurde. Auf dem Hof davor wird nun auf 14 Ausstellungswänden und 136 Schautafeln berichtet, wie die kommunistische Diktatur besiegt werden konnte.
Als ostdeutsche Männer und Frauen am 15. Januar 1990 in Berlin-Lichtenberg das Machtzentrum und die Schaltzentrale der SED-Diktatur und damit eine der letzten Bastionen der kommunistischen Herrschaft stürmten, machten sie den Ort zu einem der wichtigsten Schauplätze ihrer Friedlichen Revolution. Dazu die Robert-Havemann-Gesellschaft, die auch Träger des Archivs der damaligen Opposition ist: „Dieser historische Ort ist so […] ein Symbol für die Diktatur in der DDR wie für deren Überwindung und deshalb wie kaum ein anderer für eine Ausstellung über den Kampf um die Freiheit, die Gestaltung von Demokratie und den Weg zur deutschen Einheit geeignet. Von hier aus wurde auch der Einigungsvertrag mitgestaltet, als Bürgerrechtler im September 1990 das Stasi-Aktenarchiv besetzten und die Öffnung der Akten erzwangen. Bis in die heutige Zeit machen sich viele öffentliche und kontrovers geführte Diskussionen über den Umgang mit Geschichte an diesem Ort fest.“
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters, erklärte am Mittwoch in Lichtenberg: „Diese Dauerausstellung ist den mutigen Menschen gewidmet, die mit Zivilcourage und Entschlossenheit auf den Straßen und Plätzen in Ostdeutschland Freiheit und Demokratie einforderten. Sie waren es, die mit ihren friedlichen Protesten entscheidend dazu beitrugen, dass das SED-Regime schließlich in sich zusammenbrach. Trotz hoher persönlicher Risiken, zermürbender Schikanen des Repressionsapparates, Haft und Gewalt ließen sich diese DDR-Bürgerinnen und -Bürger nicht von ihrem friedlichen Weg zur Freiheit abbringen. Ihnen verdanken wir die Friedliche Revolution – und einen der glücklichsten Momente in unserer deutschen Geschichte.“
Ausstellungsort: Innenhof der früheren Stasi-Zentrale, Ruschestraße 103, 10365 Berlin Lichtenberg (mit der U5 Richtung Magdalenenstraße, Ausgang Ruschestraße, zwei Minuten Fußweg von der U-Bahnstation bis zur Ausstellung). Der Eintritt in die Open-Air-Ausstellung „Revolution und Mauerfall“ ist frei. Das Gelände ist täglich rund um die Uhr zugänglich. Ein 45-minütiger Audioguide (Deutsch/Englisch) führt durch die Ausstellung, Geräte können gegen einen Unkostenbeitrag von einem Euro bis 17 Uhr an der Information ausgeliehen werden.
Hinweis: Alle Angaben zur Berliner Open-Air-Ausstellung „Revolution und Mauerfall“ ohne Gewähr.
Zum Bildangebot der Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., Archiv der DDR-Opposition:
1. Offiziere des Ministeriums für Staatssicherheit marschieren über den Hof ihrer Berliner Machtzentrale.
(Bildquelle: Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen)
2. Im Januar 1990 haben die Ostdeutschen das Ministerium für Nationale Sicherheit erobert. Damit ist die letzte Bastion des kommunistischen Unterdrückungsregimes in der DDR gefallen.
(Bild: Thomas Sandberg/OSTKREUZ)
3. Demonstration auf dem Alexanderplatz in Ostberlin am 4. November 1989.
(Bildquelle: Archiv Bundesstiftung Aufarbeitung, Bestand Klaus Mehner)
4. Aus der Visualisierung der Ausstellungskonzeption „Revolution und Mauerfall“.
(Kommunikationsdesign: Daniel Büche/Kulturprojekte Berlin GmbH;
Ausstellungsarchitektur und Ausstellungsgrafik: eckedesign Berlin)
Kleines Beitragsbild: Proteste in Ostberlin am 7. Oktober 1989.
(Bildquelle: Andreas Schoelzel)