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Berlin. Deutschland sollte sein Verteidigungsbudget spürbar erhöhen. Dies forderte jetzt einmal mehr Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Blick auf das von allen NATO-Mitgliedern beschlossene und beim letzten Bündnisgipfel im September 2014 in Wales bestätigte Finanzziel: Jedes einzelne NATO-Land muss sein Militärbudget bis 2024 auf zwei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP) erhöhen. Deutschland liegt derzeit bei 1,2 Prozent; der deutsche Verteidigungsetat soll bis 2020 von 34,3 auf 39,2 Milliarden Euro steigen. Merkel äußerte sich am vergangenen Dienstag (21. Juni) beim „Wirtschaftstag 2016“ des CDU-Wirtschaftsrates in Berlin zu den Ausgaben für die Bundeswehr.

Die Kanzlerin sprach an diesem Abend im „Maritim Hotel“ in der Bundeshauptstadt vor mehr als 3000 geladenen Gästen zum Thema „Ordnung und Verantwortung: Soziale Marktwirtschaft in einer globalisierten Welt“. Dabei wies sie darauf hin, dass die Verteidigungsfähigkeit der Europäischen Union heute noch nicht darauf abgestellt sei, sich alleine gegen äußere Bedrohungen zur Wehr zu setzen. Es sei gut, sich in einem transatlantischen Bündnis verankert zu wissen, in dem alle gemeinsam für die Sicherheit sorgten.

Wörtlich sagte Merkel: „Aber ganz gewiss heißt dies auch, dass ein Land wie Deutschland, das heute 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgibt, und ein Land wie die USA, die 3,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben, sich werden annähern müssen. Es wird auf Dauer nicht gut gehen, dass wir sagen, wir hoffen und warten darauf, dass andere für uns die Verteidigungslasten tragen.“

Bereits eine feste Zusage an US-Präsident Barack Obama

Die Bundeskanzlerin hatte schon vor einigen Wochen angedeutet, dass Deutschland seinen Verteidigungsetat weiter wird anheben müssen. Beim Kurzbesuch von US-Präsident Barack Obama am 24. April in der niedersächsischen Landeshauptstadt (zur Eröffnung der Hannover Messe) hatte sie bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Blick auf ihren Gast eingeräumt: „Wir wissen, dass wir unsere Verteidigungsanstrengungen erhöhen müssen – auch was die materielle Ausstattung anbelangt. Wir kennen die Ziele, die die NATO uns vorgibt. Wir nähern uns diesen langsam; aber wir versuchen, etwas besser zu werden. Ich glaube, dass die ganze Aufstellung der Bundeswehr inzwischen die internationale Verantwortung voll reflektiert, inklusive der Cyber-Herausforderungen und anderes, worum wir uns in den letzten Jahren weniger gekümmert haben.“

Obama, der im Vorfeld des anstehenden NATO-Gipfels in Warschau (8. und 9. Juli) die Verbündeten hartnäckig darauf drängt, die Verteidigungsausgaben auf die vereinbarten zwei Prozent ihres BIP zu erhöhen, hatte danach geantwortet: „Bezüglich der Verteidigungsausgaben in Europa stimmt es, dass sich Deutschland unter der Führung von Bundeskanzlerin Merkel stärker angestrengt hat. Ich sage weiterhin und werde es auch vor dem NATO-Gipfel und auch danach wiederholen, dass es – angesichts des Drucks, der vom Süden ausgeht, angesichts der aggressiven Haltungen, die man sieht, und der ungeheuren Ausgaben Russlands im militärischen Bereich – ganz wichtig ist, dass unsere Verbündeten den Zielwert von zwei Prozent des BIP für die Verteidigungsausgaben erreichen.“

Dies sei wichtig, so der amerikanische Präsident in Hannover, weil dadurch das Bündnis in die Lage versetzt werde, ein starkes Signal zu senden. Die Botschaft laute, dass die NATO ihre Verpflichtungen tatsächlich erfüllen könne und die neuen, sich rasch entwickelnden Herausforderungen – sowohl in Europa als auch weltweit – in den Griff bekommen werde.

Gemeinsame Position der gesamten Bundesregierung?

Die Bundeskanzlerin äußerte sich zur Frage der Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben auch noch einmal am 22. Juni anlässlich der gemeinsamen Pressekonferenz mit Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo (Szydlo und die Minister der polnischen Regierung waren nach Berlin zu den 14. deutsch-polnischen Regierungskonsultationen gekommen).

Auf die Frage eines Pressevertreters zu ihren Anmerkungen beim „Wirtschaftstag“ der CDU und den darauf folgenden kritischen Stimmen seitens der SPD und der Opposition antwortete Merkel: „Was ich gesagt habe, war ja eigentlich eine Trivialität, weil sich die [ganze] Bundesregierung […] dem NATO-Beschluss, dass man auf längere Perspektive zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben aufwenden sollte, angeschlossen hat. Dies haben alle NATO-Partner beschlossen. Sie haben auch beschlossen, dass ein bestimmter Anteil in neue Investitionen fließen soll. Deutschland hat diese Ziele noch nicht erreicht. Wir liegen jetzt bei 1,2 Prozent. Wir haben unseren Verteidigungsetat erhöht; das ist positiv. Das haben wir auch gemeinsam innerhalb der Regierung beschlossen.“

Sie habe bei der CDU-Veranstaltung am Vortag lediglich darauf hingewiesen, so die Kanzlerin weiter, dass gerade im Bereich der Europäischen Union mit neuen asymmetrischen und terroristischen Bedrohungen zu rechnen sei und deshalb das vereinbarte „Zwei-Prozent-Ziel“ nicht nur auf dem Papier stehen dürfe, sondern man sich diesem in der Realität auch wirklich annähern müsse. „Ich glaube, das wird auch von allen Mitgliedern der Bundesregierung so geteilt; dies ist nämlich die gemeinsame Position der Bundesregierung.“

Außenminister spricht von „lautem Säbelrasseln und Kriegsgeheul“

Irritationen über die Regierungshaltung in Sachen „NATO-Russland-Debatte und Verteidigungsanstrengungen“ hatte vor wenigen Tagen erst ein Interview von Außenminister Frank-Walter Steinmeier ausgelöst, das am 19. Juni in der BILD am Sonntag erschienen war.

Zum Verhältnis zwischen der NATO und Russland hatte der SPD-Politiker geäußert: „Mit der Krim-Annexion und den militärischen Aktivitäten in der Ost-Ukraine hat Russland bei unseren östlichen Nachbarn ein Gefühl der Bedrohung entstehen lassen. Das müssen wir ernst nehmen. Deswegen war es richtig, eine gemeinsame Reaktion der NATO zu finden – das haben wir seit dem NATO-Gipfel in Wales mit den Rückversicherungsmaßnahmen getan. Wir weichen unserer Verantwortung nicht aus.“ Niemand könne den vorgesehenen Umfang der NATO-Maßnahmen als Bedrohung für Russland werten. Bei allen Maßnahmen erwogenen und getroffenen Maßnahmen habe zudem „die strikte Einhaltung der NATO-Russland-Grundakte eine klare rote Linie“ bedeutet, so Kabinettsmitglied Steinmeier gegenüber BILD.

Dann folgte die immer noch heftig diskutierte Passage: „Was wir jetzt allerdings nicht tun sollten, ist durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen. Wer glaubt, mit symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt. Wir sind gut beraten, keine Vorwände für eine neue, alte Konfrontation frei Haus zu liefern.“

Für die Äußerungen „Beifall von der falschen Seite“ erhalten

Mit seiner Kritik am „Säbelrasseln“ der NATO hatte der Außenminister offenbar den Koalitionspartner nachhaltig verärgert. Volker Bouffier beispielsweise, Landesvorsitzender der CDU Hessen und Hessischer Ministerpräsident, forderte Steinmeier zur Klarstellung auf. Seine Kritik an den NATO-Manövern zur Abschreckung Russlands sei „das falsche Signal an Putin“. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn nannte den Sozialdemokraten gar einen „Putin-Versteher“.

Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU, empfahl: „Deutschland und der Außenminister sollten keinen Zweifel daran aufkommen lassen, wer Urheber der gegenwärtigen Spannungen ist.“ Und: „Leider hat Steinmeier für seine Äußerung Beifall von der falschen Seite bekommen. Moskau hat ihn gelobt für diese Äußerung. Das ist genau das, was wir nicht brauchen.“

Sogar von den Grünen kam Gegenwind. Europapolitikerin Rebecca Harms nannte Steinmeiers Kritik an der NATO „ein unverantwortliches Signal angesichts der konsequenten Weigerung des Kremls, Waffen und Soldaten aus dem Donbas zurückzuziehen“.

SPD-Politikerin Lambrecht sieht „exorbitante Ausweitung“ der Militärausgaben

Angela Merkel hat mit ihren Äußerungen zum deutschen Verteidigungsbudget nun ebenfalls die Kritiker auf den Plan gerufen. Linke-Chefin Katja Kipping warf der Kanzlerin vor, „einen Kurswechsel zur absoluten Militarisierung der deutschen Außenpolitik“ hin zu vollziehen. Anton Hofreiter, Vorsitzender der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, beklagte, Merkel falle „in das alte, gefährliche Kalte-Kriegs-Denken“ zurück – eine Erhöhung des Rüstungsetats befeuere die gefährliche Aufrüstungsspirale.

Auch die Sozialdemokraten meldeten sich zu Wort. Die Aufgabe, ein kurzes Statement abzugeben, fiel dabei der Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht, zu. Zwar müsse die Bundeswehr die nötigen Mittel für ihre Aufgaben erhalten, so Lambrecht. Sie könne jedoch nicht sehen, ob es das Erfordernis für eine „exorbitante Ausweitung“ der Militärausgaben gebe.

Text-Hinweis: Für unseren Beitrag nutzten wir einen Audiomitschnitt vom „Wirtschaftstag 2016“ in Berlin. Wir bedanken uns für diese Unterstützung bei der Bundesgeschäftsstelle des CDU-Wirtschaftsrates.


Die Aufnahme zeigt Bundeskanzlerin Angela Merkel am 21. Juni 2016 beim „Wirtschaftstag 2016“, dem Forum des Wirtschaftsrates der CDU. Die diesjährige Veranstaltung in Berlin, zu der mehr als 3000 geladene Gäste gekommen waren, stand unter dem Leitthema „Europa in der Zeitenwende“.
(Foto: Christian Kruppa)


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