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Berlin. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, kritisiert heute (10. April) in einem Beitrag der Bild am Sonntag (BamS) die neue Arbeitszeitverordnung der Bundeswehr. Denn die praktische Anwendung der seit Jahresbeginn gültigen Regelungen, die die Arbeitszeit von Soldaten im Grundbetrieb auf 41 Stunden pro Woche beschränken, scheint noch große Probleme zu bereiten. Da jetzt Mehrarbeit nicht mehr mit Geld ausgeglichen werde, sondern mit Freizeit, käme es zu denkwürdigen Situationen, erklärt Bartels. So hätten beispielsweise Soldaten bei einem Truppenübungsplatzaufenthalt um 16:30 Uhr Dienstschluss und „hingen danach rum“. Der Übungstag sei wegen der „Überstundengefahr“ pünktlich am Nachmittag beendet worden, sinnvolle Freizeitgestaltung auf dem Gelände aber kaum möglich. Im Amt des Wehrbeauftragten würden immer mehr Beschwerden wegen der neuen Soldatenarbeitszeitverordnung registriert, berichtet die BamS.

Die neue Verordnung, die seit dem 1. Januar 2016 in der Bundeswehr angewendet werden muss (siehe auch hier), erweist sich offenbar als Bremse für die Einsatzbereitschaft der Truppe. Dies jedenfalls ist der Tenor des Beitrages in der Bild am Sonntag. Autor Burkhard Uhlenbroich meint: „In der Praxis ist die Arbeitsstundenregelung ein Rohrkrepierer.“

Der Chefreporter „Politik“ des Blattes zitiert den Wehrbeauftragten unter anderem mit den Worten: „Es kann nicht sein, dass wir NATO-Verpflichtungen wegen drohender Überstunden nicht nachkommen können.“ Bartels habe dazu das Beispiel einer Bundeswehreinheit angeführt, die an einer für vier Wochen geplanten internationalen Übung in Norwegen nur zwölf Tage teilnehme, da sonst zu viele Überstunden anfielen. Bei NATO-Partnern stoße dies auf Unverständnis, heißt es in dem BamS-Artikel weiter. Uhlenbroich schlussfolgert: „Eine Armee, die Übungen mit Verbündeten wegen drohender Überstunden absagen muss, ist finanziell und militärisch am Ende.“

Ausnahmen für Einsatzbereitschaft und internationale Verpflichtungen

Völlig vergessen wird bei dieser Kritik jedoch, dass die neue Soldatenarbeitszeitverordnung bestimmte Tätigkeiten ausnimmt. So erklärt uns ein Pressetext des Verteidigungsministeriums vom 30. Dezember 2015: „Mit Blick auf die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr und die internationalen Verpflichtungen wurden Tätigkeiten identifiziert, bei denen die Arbeitszeitregelungen keine Anwendung finden. Diese Ausnahmen sind:
Einsätze und einsatzgleiche Verpflichtungen;
Amtshilfe in besonderen Katastrophenfällen, schweren Unglücksfällen, bei Attentaten oder dringender Eilhilfe;
mehrtägige Seefahrten an Bord von seegehenden Einheiten der Marine;
Alarmierung und Zusammenziehung sowie Gefechtsausbildungen zur Vorbereitung von Einsätzen, einsatzgleichen Verpflichtungen und Amtshilfen;
Übungs- und Ausbildungsvorhaben, bei denen Einsatzbedingungen simuliert werden.“

Wehrbeauftragter Bartels fordert der BamS zufolge jetzt die Einführung von „Jahresarbeitszeitkonten“ für Soldaten. Auf diese Konten könnten Überstunden angerechnet werden. Auch sei ein finanzieller Ausgleich oft angemessener als der vom Vorgesetzten befohlene Abbau von Überstunden. So könnten auch Situationen vermieden werden, in denen Pendler mitten in der Woche einen freien Tag hätten, diesen aber fern der Familie am Standort „abbummeln“ müssten.

Neue Verordnung „geht an den Zielen von bürokratiearmer Planbarkeit vorbei“

Die BamS lässt auch den Vorsitzenden des Deutschen Bundeswehr-Verbandes zu Wort kommen. Oberstleutnant André Wüstner räumt ein: „Aktuell kämpfen die Streitkräfte mit Anlaufschwierigkeiten und Fehlern in der Umsetzung der Verordnung.“ Dies dürfe allerdings die Einsatzbereitschaft der Truppe nicht gefährden.

Ähnlich äußerte sich Wüstner auch gegenüber dem in Ingolstadt erscheinenden Donaukurier. In dem heute veröffentlichten Interview sagt er: „Die neue Arbeitszeitverordnung geht an den Zielen von bürokratiearmer Planbarkeit vorbei. Sie ist zu komplex – gut gemeint, aber teilweise schlecht gemacht.“ Das Verteidigungsministerium müsse nun nachsteuern, fordert der Verbandschef. Die Dienstzeitbelastung der Soldaten sei riesig. Gebraucht würden mehr Personal, die Lücken müssten geschlossen und Überstunden müssten unter Beachtung des Gesundheitsschutzes vergütet werden. Diese Vergütung müsse einheitlich sein, so Wüstner. „Ganz gleich, ob es sich um Soldaten in der Einsatzvorbereitung oder in einem Amt handelt.“

Armeen von 15 europäischen Staaten orientieren sich an EU-Arbeitszeitrichtlinie

Mit der Einführung der Arbeitszeitverordnung für Bundeswehrsoldaten am 1. Januar 2016 wurde eine Richtlinie der Europäischen Union in nationales Recht umgesetzt. Die Verordnung dient vor allem dem Gesundheitsschutz und der Sicherheit der Militärangehörigen. Vor dem 1. Januar 2016 hatte es noch nie eine gesetzliche Regelung für die Arbeitszeit von Soldaten der Bundeswehr gegeben.

15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben die Arbeitszeitrichtlinie der Gemeinschaft bereits für ihre Streitkräfte umgesetzt.


Unser Bild zeigt Hans-Peter Bartels (links) und – neben ihm – den Bundesvorsitzenden des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, André Wüstner. Die Aufnahme entstand am 23. Februar 2015 bei einer öffentlichen Anhörung des Verteidigungsausschusses des Bundestages zum Thema „Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz“. SPD-Politiker Bartels war zu diesem Zeitpunkt noch nicht Wehrbeauftragter, sondern Mitglied des Parlaments und Vorsitzender des Ausschusses.
(Foto: Achim Melde/Deutscher Bundestag)


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