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Wolgast/Rostock/Wilhelmshaven. Die Peene-Werft in Wolgast, die seit Mai 2013 zur Lürssen-Gruppe gehört, fertig insgesamt zwei der vier Vorschiffe für die neue Fregattenklasse F125 unserer Marine. Heimat der neuen Fregatten wird die Einsatzflottille 2 in Wilhelmshaven sein. Am 29. Januar wurde in Wolgast die vierte und letzte Fregatte auf Kiel gelegt. Zahlreiche Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung sowie aus dem Bereich der Streitkräfte waren zu diesem feierlichen Anlass an den Peenestrom gekommen. Flottillenadmiral Jürgen zur Mühlen, der seit Dezember 2012 die Einsatzflottille 2 kommandiert, sagte bei der Kiellegung der „Rheinland-Pfalz“: „Im Ergebnis wird die deutsche Marine mit den Fregatten der Klasse F125 ein ausgesprochen innovatives und modernes Schiff erhalten und einen signifikanten Gewinn an Leistungsfähigkeit mitbringen – für beide Pfeiler, Neuausrichtung und Attraktivität.“

Die rund 150 Meter lange „Rheinland-Pfalz“ soll in gut vier Jahren fertig sein. In Wolgast wird das 65 Meter lange Vorschiff gebaut, die Endmontage findet dann bei ThyssenKrupp Marine Systems in Hamburg statt. Die „alte“ Fregatte F209 „Rheinland-Pfalz“ war am 22. März 2013 nach rund drei Jahrzehnten im Einsatz außer Dienst gestellt worden. Dieses Schiff hatte an zahlreichen NATO-Seemanövern teilgenommen. Außerdem an Anti-Piraterie-Missionen am Horn von Afrika, an der Operation „Active Endeavour“ im Mittelmeer und an der Evakuierung deutscher Staatsbürger im Zusammenhang mit dem Libyenkrieg im Jahr 2011.

Intensivnutzung, Mehrbesatzungsmodelle und Einsatzausbildungszentren

Beim Festakt in Wolgast machte zur Mühlen auch noch einmal besonders auf den Aspekt der Attraktivität der Teilstreitkraft aufmerksam. Der Marineoffizier, der am 20. März 2015 in Wilhelmshaven das Kommando über die Einsatzflottille 2 an Kapitän zur See Christoph Müller-Meinhard übergeben und später danach in die Unterabteilung „Sicherheitspolitische Angelegenheiten“ im Bundesministerium der Verteidigung in Berlin wechseln wird, erklärte bei der Kiellegung der F225: „Die Marine unterstützt diesen Ansatz der Attraktivität mit dem innovativem Dreiklang Intensivnutzung, Mehrbesatzungsmodelle und Einsatzausbildungszentren. Damit bieten wir unseren Besatzungen ein attraktives Maß an Planbarkeit sowie die Möglichkeit zur flexibleren Gestaltung der Dienst- und Freizeit.“

Die vier Schiffe der neuen Fregattenklasse 125 wurden speziell für die heutigen und zukünftigen Einsatzszenarien der Marine mit den Schwerpunkten Konfliktverhütung, Krisenbewältigung sowie auf Eingreif- und Stabilisierungsoperationen entwickelt (siehe auch hier). Dazu werden die Fregatten „Baden-Württemberg“ (Kennung F222), „Nordrhein-Westfalen“ (F223), „Sachsen-Anhalt“ (F224) und „Rheinland-Pfalz“ (F225) in der Lage sein, für eine Einsatzdauer von 24 Monaten zur See zu fahren und damit erstmals das Konzept der Intensivnutzung – also einer deutlich erhöhten Verfügbarkeit im Einsatzgebiet – umzusetzen. Wechselnde Besatzungen stellen dabei die personelle Einsatzbereitschaft sicher.

Mit einer Verdrängung von rund 7000 Tonnen wird die „Baden-Württemberg“-Klasse der größte Fregattentyp unserer Marine sein. Trotzdem erlaubt der hohe Automatisierungsgrad an Bord die vergleichsweise geringe Besatzungsgröße von lediglich 120 Soldaten.

Für die Entwicklung und zum Bau der Fregatten haben sich die Unternehmen ThyssenKrupp Marine Systems (Hauptsitz Kiel) und Fr. Lürssen Werft (Hauptsitz Bremen-Vegesack) zur Arbeitsgemeinschaft „Fregatte 125“/ARGE F125 zusammengeschlossen.

Streitkräftegemeinsame und multinationale Operationen

Die Fregatten der Klasse F125 werden die derzeit in Nutzung befindlichen Fregatten des Typs F122 ersetzen. Die vier neuen Schiffe sind für multinationale, streitkräftegemeinsame militärische Operationen niedriger und mittlerer Intensität und für friedensstabilisierende Maßnahmen längerer Dauer vorgesehen. Folglich ist die Hauptaufgabe der F125, selektiv, präzise und abgestuft gegen nur teilweise militärisch organisierte Kräfte auf Hoher See im eigenen und vor allem im gegnerischen Küstenmeer wirken zu können und über die Fähigkeit zur Eskalationsdominanz zu verfügen.

In dem von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen initiierten Gutachten zu zentralen Rüstungsprojekten des Konsortiums um die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, das im Herbst vergangenen Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist, wird auch das Großprojekt „Fregatte F125“ behandelt. Hier sind auch noch einmal die Forderungen der politischen und militärischen Führung an die neue Schiffsklasse dokumentiert:
dauerhafte Überwachung, Schutz und Beherrschung von Räumen und Verbindungslinien auf See sowie seeseitige Bewachung von Waffenstillstandsvereinbarungen;
Kontrolle des Schiffsverkehrs im Rahmen von Embargomaßnahmen;
Trennung von Konfliktparteien auf See, Ausschalten friedensstörender Kräfte, Abwehr örtlich begrenzter Angriffe regulärer und irregulärer Kräfte;
Führung eines maritimen Verbandes im multinationalen Umfeld;
Teilhabe am Informations‐ und Kommunikationsverbund und an den relevanten Lageinformationen der übergeordneten operativen Führung;
taktische Feuerunterstützung von See an Land im Rahmen des „Joint Fire Support“ für kurze und mittlere Entfernung beziehungsweise glaubwürdige Abschreckung und abgestufte Wirkung gegen teilweise militärisch organisierte oder asymmetrisch agierende Kräfte;
Abwehr örtlich begrenzter Angriffe durch teilweise militärisch organisierte und/oder irreguläre Kräfte gegen eigene Kräfte, Mittel und Einrichtungen sowie gegen anvertraute zivile und militärische Einrichtungen;
taktische Unterstützung der Spezialkräfte, beispielsweise durch Beiträge zur taktischen Beweglichkeit der Spezialkräfte und Feuerunterstützung mit präziser Waffenwirkung von See.

Ein Sonderbeauftragter „Fregatte Klasse 125“ im Marinekommando

Blicken wir an dieser Stelle auch kurz zurück auf die letzte Historisch-Taktische Tagung der Marine (HiTaTa), die vom 6. bis zum 8. Januar in Rostock-Warnemünde stattfand. Dort erläuterte der Marineinspekteur, Vizeadmiral Andreas Krause, vor 530 Teilnehmern die Prioritäten der Teilstreitkraft für 2015.

Neben der weiteren Neuausrichtung der Marine und der Umsetzung der Agenda „Attraktivität“ für das Personal liegt nach Ansicht von Krause ein weiterer Fokus auf dem künftigen Waffensystem „Fregatte 125“. Dazu sagte der Inspekteur bei der 55. HiTaTa: „Die Realisierung der ,Baden-Württemberg‘-Klasse kommt mit der Aufstellung der Erstbesatzung im September 2015 in die heiße Phase.“ Die Fregatte 125 werde „das Gravitationszentrum“ der neuen Marine sein.

Krause fuhr fort: „Seit Jahresbeginn habe ich im Marinekommando den Sonderbeauftragten ,Fregatte Klasse 125‘ eingesetzt, der für die Koordination und Synchronisation der neuen Konzepte und Verfahren wie Mehrbesatzungsmodell, Intensivnutzung, Einsatz- und Regelausbildung und Einsatzausbildungszentrum verantwortlich ist.“ Besondere Zielsetzung sei es, die durchschnittliche Abwesenheitsbelastung der Besatzungen auf ein verträgliches Maß zu reduzieren und die Planbarkeit von Dienst und Freizeit und damit die Attraktivität des Dienstes in der Marine weiter zu erhöhen. Am Beispiel der Fregatte 125 zeige sich, wie Attraktivität und motiviertes Personal einerseits und adäquate Ausrüstung und Technologie andererseits zusammenhingen, so der Inspekteur.

Typschiff „Baden-Württemberg“ kommt mit mehr als zwei Jahren Verspätung

Dass auf dieses Großprojekt der Bundeswehr nicht nur eitel Sonne scheint, weiß die Öffentlichkeit endgültig seit Veröffentlichung des KPMG-Gutachtens „Umfassende Bestandsaufnahme und Risikoanalyse zentraler Rüstungsprojekte“.

So kritisieren die Gutachter im Kapitel „Fregatte F125“ die Verzögerungen bei der Projektrealisierung und eine massive Kostenzunahme. Zum Punkt „Projektentwicklung“ halten sie nach: „Im Jahre 2007 wurde ein Vertrag über die Konstruktion, den Bau und die Lieferung von vier Fregatten der Klasse 125 geschlossen (Bauvertrag). Dieser Vertrag sah eine Auslieferung der ersten der vier Fregatten – der First of Class (FoC) namens ,Baden‐Württemberg‘ – für den Dezember 2014 vor.“ Mit jeweils einem Jahr Abstand hätten die Fregatten „Nordrhein‐Westfalen“, „Sachsen‐Anhalt“ und „Rheinland Pfalz“ folgen sollen, ruft noch einmal das Gutachten in Erinnerung. Mit dem ersten Änderungsvertrag im Jahr 2009 seien dann allerdings die Auslieferungszeiten an die damalige Projektlage angepasst worden. Für die Auslieferung der FoC sei ein 15 Monate späterer Termin gewählt worden. Für die folgenden drei Fregatten seien zwischen 12 und 14 Monate später liegende Liefertermine vereinbart worden.

Weiter heißt es: „Durch einen Schaden im September 2012 im Zusammenhang mit sich ablösenden Brandschutzbeschichtungen entstand ein weiterer Projektverzug von acht Monaten. Aktuell sind aufgrund von Kabelzugproblemen beziehungsweise Problemen bei dem ,Integrierten Leit- und Automationssystem Schiffstechnik‘ (ILASST) noch weitere Verzögerung des Zulaufs der FoC von mindestens drei bis sechs Monaten zu erwarten, sodass der derzeit realistische Zulauf der FoC frühestens im April 2017 erwartet wird. Der Gesamtverzug des Zulaufs der FoC würde dann bei zwei Jahren und vier Monaten liegen.“

Nicht genügend „bordverwendungsfähiges Personal“ für die neuen Fregatten?

Die externen Berater thematisieren auch die Kostenentwicklung und merken an: „Der ursprüngliche Bauvertrag aus dem Jahre 2007 sah einen Vertragspreis von rund zwei Milliarden Euro vor. Mit dem ersten Änderungsvertrag erhöhte sich der Vertragspreis um ca. 2,5 Prozent. Der aktuelle Entwurf des zweiten Änderungsvertrages enthält eine weitere Erhöhung des Vertragspreises um ca. 2 Prozent. Zwischen Juli 2012 und August 2014 sind darüber hinaus Änderungsverlangen mit einem Gesamtvolumen von rund 30 Millionen Euro vereinbart worden, sodass sich der Gesamtpreis um ca. 6 Prozent erhöhen wird.“

Konkret werden die Gutachter auch bei ihren ermittelten „Problemen und Risiken“, die schonungslos offengelegt werden. Aus der Liste der insgesamt 16 Mängel sind folgende Risikohinweise besonders alarmierend:
Risiken resultierend aus dem Mangel an bordverwendungsfähigem Personal für die neuen Fregatten der Klasse F125;
Risiko, dass die Ausgestaltung des geplanten Besatzungskonzeptes (2‐Wach‐System) grundlegend verändert werden muss aufgrund dessen Inkompatibilität mit arbeitsrechtlichen Vorschriften infolge der EU‐Arbeitszeitrichtlinie;
Risiko, dass konstruktive Änderungen vorgenommen werden müssen aufgrund unzureichend geklärter Aspekte hinsichtlich Auswahl und Integration eines künftigen Bordhubschraubers;
Risiken hinsichtlich der geplanten Außerdienststellung anderer Schiffe/Boote aufgrund des zeitlichen Verzugs beim Zulauf der F125.

Im „Gravitationszentrum der neuen Marine“ dürfte es – bei allen verständlichen Erwartungen an die neue Fregattenklasse – auch noch etliche unliebsame Turbulenzen geben.


Zu unserer Bildauswahl:
1. Am 29. Januar 2015 wurde auf der Wolgaster Peene-Werft die vierte und letzte der neuen Fregatten F125 für die deutsche Marine feierlich auf Kiel gelegt.
(Foto: Alexander Adrion/Peene-Werft)

2. Der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Andreas Krause, äußerte sich am 8. Januar 2015 bei der Historisch-Taktischen Tagung in Rostock-Warnemünde unter anderem über die neue Fregattenklasse.
(Foto: Steve Back/Bundeswehr)

3. Computeranimation der neuen Schiffsklasse F125.
(Bild: ARGE F125)


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