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Strasbourg (Frankreich). Es ist eine beängstigende Größenordnung: Nach aktuellen Schätzungen von Sicherheitsexperten haben sich inzwischen mehr als 5000 Bürger der Europäischen Union (EU) Terrororganisationen und paramilitärischen Verbänden angeschlossen. Die radikalisierten Männer und Frauen dienen heute vor allem im Nahen Osten und in Nordafrika, viele der Europäer in den Reihen der Dschihadistengruppierungen „Islamischer Staat“ oder al-Nusra-Front. Das Europäische Parlament hat am Mittwoch vergangener Woche (25. November) als Konsequenz aus der Pariser Terrorserie vom 13. November eine Resolution verabschiedet, die eine gemeinsame EU-Strategie zur Bekämpfung von Radikalisierung und Terrorismus fordert. Die Empfehlungen dieser Resolution sollen insbesondere auch in Gefängnisanstalten umgesetzt werden.

Der von der früheren französischen Justizministerin (2007 bis 2009) und heutigen Europaparlamentarierin Rachida Dati ausgearbeitete Text „zur Prävention der Radikalisierung und Anwerbung europäischer Bürgerinnen und Bürger durch terroristische Organisationen“ wurde in Strasbourg mit 548 Stimmen – bei 110 Gegenstimmen und 36 Enthaltungen – angenommen.

Am kommenden Freitag (4. Dezember) wird sich der Rat der EU im Rahmen des Themenbereichs „Justiz und Inneres“ mit der Resolution befassen. Die Innenminister der EU-Mitgliedsländer werden dabei unter anderem auch erneut über die Richtlinie zur Verwendung von Fluggastdatensätzen beraten (wir berichteten früher schon einmal über diesen Sicherheitsaspekt).

„Ausländische Kämpfer“ nach ihrer Rückkehr unter gerichtliche Kontrolle stellen

Die Entschließung von Dati, die der Fraktion der Europäischen Volkspartei angehört (Anm.: die EVP besteht aus christlich-demokratischen und konservativ-bürgerlichen Mitgliedsparteien aus der gesamten EU), will vor allem die Indoktrination und Anwerbung junger Menschen durch extremistische Vereinigungen verhindern.

Dazu fordert das Europäische Parlament nun den Rat auf, eine Schwarze Liste europäischer Dschihadisten und Terrorverdächtiger zu erstellen. Gleichzeitig wird einmal mehr auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen Definition des Begriffes „ausländischer Kämpfer“ hingewiesen. Die EU-weit gültige Definition soll eine Strafverfolgung ermöglichen, wenn die betreffende Person in den Rechtsraum der Union zurückkehrt.

Die Resolution fordert die Mitgliedstaaten außerdem auf, „alle ausländischen Kämpfer“ nach ihrer Europa-Rückkehr unter die Kontrolle der Justiz zu stellen. Notfalls müssten Verdächtige auch „in Verwaltungshaft genommen werden, bis entsprechende Strafverfahren eingeleitet“ sind.

Beschlagnahme von Reisepässen und Sperrung von Konten

Die Parlamentsabgeordneten wiesen im Laufe der Debatte auch darauf hin, dass die EU die Wirksamkeit ihrer Kontrollen an den Außengrenzen „dringend intensivieren“ müsse. Dazu sei es auch unabdingbar, den schnellen und wirksamen Informationsaustausch zwischen den nationalen Strafverfolgungsbehörden und der EU-Polizeibehörde Europol entscheidend zu verbessern. Die EU-Länder sollten auch Instrumente wie das Schengener Informationssystem (SIS) besser nutzen, so das Parlament.

Zu den anderen in der Resolution empfohlenen Präventivmaßnahmen gehören unter anderem die Beschlagnahmung von Reisepässen und das Einfrieren von Guthaben, um potenzielle „Gotteskrieger“ daran zu hindern, die EU zu verlassen. Ergänzt werden soll dies durch entsprechende „Unterstützungsstrukturen“ wie Hotlines, wo betroffene Familienangehörige und Freunde über Radikalisierungen und Ausreisepläne sprechen können.

Die Europaparlamentarier verlangten auch mit Blick auf Bildungssysteme oder benachteiligte urbane Bereiche die „Förderung interkultureller Ansätze, um Marginalisierung zu verhindern und soziale Inklusion voranzutreiben“.

Verbreitung von Terrorbotschaften in den Netzen und im Strafvollzug stoppen

Ein weiterer Schwerpunkt der verabschiedeten Resolution gilt der Verbreitung gewaltbejahender Ideologien im Internet und in Strafvollzugsanstalten. Aufrufe zu Hass und Gewalt in den sozialen Netzwerken beispielsweise sollten rasch – „und im Einklang mit den Grundrechten“ – gelöscht werden können, fordern die Abgeordneten. Sollten sich „Internetunternehmen, im Bereich der sozialen Medien tätige Firmen oder Diensteanbieter“ gegen die Entfernung „illegaler Inhalte oder von Inhalten, die den Terrorismus verherrlichen“ sperren, müssten die EU-Staaten auf ihr strafrechtliches Instrumentarium zurückgreifen können.

Das Parlament schlägt zudem als mögliche Maßnahme vor, radikalisierte Häftlinge innerhalb des Justizvollzugs von anderen Insassen zu trennen. So soll langfristig den Gefängnissen der „Nährboden für die Verbreitung radikaler und gewaltbereiter Ideologien und terroristischer Radikalisierung“ entzogen werden.


Zu unseren Aufnahmen:
1. und 2. Am 17. November gedachte das Europäische Parlament mit der französischen Nationalhymne und einer Schweigeminute der Opfer der Terroranschläge von Paris, die am 13. November 2015 die Welt erschüttert hatten.
(Fotos: Europäisches Parlament 2015/Europäische Union)

3. Die Europaparlamentarierin der EVP, Rachida Dati, hatte den Text für die Parlamentsresolution erarbeitet.
(Foto: Dominique Homme/Europäisches Parlament 2015/Europäische Union)

Kleines Beitragsbild: Das Symbolbild zeigt eine verlassene Strafvollzugsanstalt. Die Resolution des Europäischen Parlaments sieht auch Vorbeugemaßnahmen für Gefängnisse vor, in denen radikalisierte Häftlinge andere Insassen indoktrinieren wollen.
(Foto: Fotolia)


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