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Berlin. Die Bundeswehr will offenbar einen ersten Militärseelsorger für die deutschen Soldaten muslimischen Glaubens einstellen. Dies berichtete am gestrigen Samstag (23. Mai) die BILD-Zeitung. 2011 schätzten Wissenschaftler des Potsdamer Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw), dass ungefähr 12 Prozent der Bundeswehrsoldaten einen Migrationshintergrund haben, rund 1600 haben muslimische Wurzeln. Das Verteidigungsministerium will nun wohl bald auf den wachsenden Anteil muslimischer Bundeswehrangehöriger reagieren.

In ihrem Beitrag „Bundeswehr sucht ersten Imam für die Truppe“ zitierte die BILD auch einen Ministeriumssprecher. Sein Statement zum Thema „Bundeswehr-Imam“: „Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich der Islam in Deutschland inzwischen als drittgrößte Religion etabliert hat, stellt sich die Frage, ob für unsere Soldaten und Soldatinnen muslimischen Glaubens eine eigene Militärseelsorge möglich ist.“

Die Bundeswehr bietet inzwischen am Zentrum Innere Führung in Koblenz auch eine „Zentrale Ansprechstelle für Soldatinnen und Soldaten anderer Glaubensrichtungen“ an. Sie wurde nach Auskunft des Zentrums „aufbauorganisatorisch zum 1. Mai 2015 aufgestellt“. Die personelle Besetzung „dürfte zeitnah abgeschlossen werden“, heißt es dazu aus Koblenz weiter.

Über den Aufgabenbereich erfahren wir: „Die Zentrale Ansprechstelle richtet sich an alle Soldatinnen und Soldaten, die sich mit Fragen, Anregungen und Problemen aufgrund ihres Glaubens nicht an die Evangelische oder Katholische Militärseelsorge wenden möchten oder können. Eine konkrete seelsorgerische Tätigkeit wird dabei allerdings nicht zum Aufgabenspektrum gehören. Darüber hinaus können sich zukünftig auch Vorgesetzte mit Fragen, die sich aus der Glaubensrichtung ihrer Soldatinnen und Soldaten ergeben, jederzeit an die Ansprechstelle wenden. Zu den weiteren Aufgaben gehören auch die Bewertung, ob – und wenn ja in welchem Umfang – ein Bedarf an seelsorgerischer Begleitung von Bundeswehrangehörigen außerhalb des katholischen und evangelischen Bekenntnisses besteht, sowie den Aufbau eines gemeinsamen Netzwerkes ,Religiöse Vielfalt‘ und ein Wissensaustausch mit Vertretern der anderen Glaubensrichtungen in Abstimmung mit dem Katholischen Militärbischofsamt und dem Evangelischen Kirchenamt für die Bundeswehr.“

Diskriminierung und Ausgrenzung muslimischer Soldaten unterbinden

In der im Jahr 2011 in zweiter Auflage erschienenen, 57 Seiten starken Arbeitsbroschüre „Deutsche Staatsbürger muslimischen Glaubens in der Bundeswehr“ des Zentrums kann ein klarer Kurs abgelesen werden.

Der damalige Kommandeur der Einrichtung, Brigadegeneral Alois Bach, schrieb dazu in seinem Vorwort: „Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert allen Bürgerinnen und Bürgern als unverletzliches Recht die ,Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses‘ (Artikel 4, Absatz 1 Grundgesetz). Dies gilt selbstverständlich auch in der Bundeswehr. Deshalb haben Vorgesetzte ebenso die Aufgabe, die Integration von Soldaten und Soldatinnen muslimischen Glaubens in die soldatische Gemeinschaft zu fördern sowie Diskriminierung und Ausgrenzung zu unterbinden.“

Das Grundrecht auf eine freie Religionsausübung

Derzeit verantworten die Katholische und die Evangelische Kirche gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium die Militärseelsorge. Gesetzliche Grundlagen sind Artikel 4 des Grundgesetzes, aus dem sich auch für Soldaten das Grundrecht auf freie Religionsausübung ableitet, sowie die im Soldatengesetz festgeschriebenen Regelungen (dazu und zum Thema „Militärseelsorge für muslimische Bundeswehrangehörige“ siehe auch hier).

Klare Aussagen zur Seelsorge in den deutschen Streitkräften trifft auch die Zentrale Dienstvorschrift (ZDv) A-2600/1 „Innere Führung, Selbstverständnis und Führungskultur“. Dort liest man: „Die Militärseelsorge in der Bundeswehr ist der vom Staat gewünschte und unterstützte und von den Kirchen geleistete Beitrag zur Sicherung der freien religiösen Betätigung und der seelsorgerlichen Begleitung der Soldatinnen und Soldaten. Als Teil der kirchlichen Arbeit wird sie im Auftrag und unter Aufsicht der Kirchen geleistet. Sie ist damit Kirche unter den Soldatinnen und Soldaten sowie deren Familien, Partnerschaften und Angehörigen.“

Muslime die größte nichtchristliche Gruppe von Gläubigen in der Bundeswehr

Am 17. April 2013 hatte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag einen Antrag gestellt, in dem es unter anderem auch um die seelsorgerische Betreuung nichtchristlicher Bundeswehrangehöriger ging.

In ihrem Papier „Gesellschaftliche Vielfalt in der Bundeswehr anerkennen“ verlangten Renate Künast, Jürgen Trittin und weitere Fraktionspolitiker damals insbesondere die Schaffung einer Imam-Stelle in der Bundeswehr. Diese Neuerung sei auch immer wieder „in verschiedenen Befragungen von den muslimischen Soldatinnen und Soldaten“ gefordert worden, argumentierten die Antragsteller vor zwei Jahren. Weiter begründeten sie: „Dies wäre auch ein wichtiges öffentliches Zeichen für die institutionalisierte Anerkennung des islamischen Lebens in Deutschland. Sie trägt der Tatsache Rechnung, dass die Muslime derzeit die größte nichtchristliche Gruppe von Gläubigen in der Bundeswehr ist.“

Gemeinsam mit christlichen Militärseelsorgern auch in den Auslandseinsatz

Ein erster Schritt sei dabei – so die Grünen im Antrag von 2013 – die Einstellung eines männlichen oder weiblichen Imams am Zentrum für Innere Führung, um die zahlreichen alltäglichen Fragen, die sich aus dem islamischen Leben ergeben, zu beantworten (Anm.: islamische Predigerinnen sind selten; in Deutschland beispielsweise gab es im Jahr 2008 gerade einmal 13 Imaminnen. Zu ihren Aufgaben gehören die Seelsorge und die Integration – die Leitung der Freitagsgebete allerdings ist ausschließlich männlichen Geistlichen vorbehalten).

Mittelfristig, so heißt es im Antrag weiter, sollten islamische Geistliche „an der Seite ihrer Kolleginnen und Kollegen aus den christlichen Glaubensgemeinschaften“ auch Einsatz begleitend tätig sein.

Der Antrag „Gesellschaftliche Vielfalt in der Bundeswehr“ ist am 13. Juni 2013 vom Parlament – bei Enthaltung der Linksfraktion und gegen das Votum von SPD und Grünen – abgelehnt worden.

Umso mehr begrüßen Bündnis 90/Die Grünen die aktuelle Entwicklung. Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion und Mit-Initiator des Antrages, äußerte sich gegenüber dem bundeswehr-journal: „Es ist ein längst überfälliger und wichtiger Schritt, dass die Bundeswehr nun auch muslimische Militärseelsorger einstellen will. Das ist eine Anerkennung der Tatsache, dass die Armee – ebenso wie die ganze Gesellschaft – heute vielfältiger ist als jemals zuvor. Unsere Nachbarländer wie zum Beispiel Österreich und Frankreich haben uns vorgemacht, dass eine Vielfalt in der Militärseelsorge für die ganze Truppe ein Gewinn sein kann. Darüber hinaus brauchen wir aber auch in anderen Bereichen der Bundeswehr Maßnahmen und Strukturen, die der gewachsenen Vielfalt Rechnung tragen. Das gilt im Übrigen nicht nur für religiöse Fragen. Wenn die Bundeswehr das Thema engagiert angeht, kann sie sogar zu einem Motor für die Integration in diesem Land werden.“


Zur Bildsequenz unseres Beitrages:
1. Derzeit dienen in den deutschen Streitkräften rund 1600 Soldaten muslimischen Glaubens. Im Jahr 2012 waren es nach Angaben der Bundeswehr etwa 1200.
(Foto: Michael M./www.bundeswehr-karriere/Bundeswehr)

2. Asim Hafiz wurde im Jahr 2005 zum ersten muslimischen Militärgeistlichen der britischen Streitkräfte ernannt. Heute ist er zudem Islam-Berater des Oberbefehlshabers der British Armed Forces.
(Foto: Dan Bardsley/British Armed Forces/Crown copyright)

3. Leutnant Abuhena Saif Ul Islam, Imam der U.S. Navy in Guantanamo Bay (Kuba). Die Aufnahme entstand am 25. Januar 2002 bei einem Besuch einer Kongressdelegation, die sich ein Bild von den Zuständen im dortigen US-Gefangenenlager machen wollte.
(Foto: Shane T. McCoy/U.S. Navy)

Kleines Beitragsbild: Asim Hafiz, Imam der britischen Streitkräfte, bei einem Besuch in Camp Bastion in der afghanischen Helmand-Provinz.
(Foto: Dan Bardsley/British Armed Forces/Crown copyright)


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