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Berlin. Die Beteiligung von öffentlichen Forschungseinrichtungen an wehrtechnischer Forschung sei grundsätzlich nicht zu beanstanden, zumal dies auch der zivilen Forschung zusätzliche Impulse geben könne. Diese Position vertritt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke vom 28. November vergangenen Jahres. Die Anfrage bezieht sich auf Recherchen des Norddeutschen Rundfunks (NDR) und der Süddeutschen Zeitung. Beide Medien hatten am 25. November berichtet, dass das US-Verteidigungsministerium sowie dessen nachgeordnete Bereiche und angegliederte Forschungsbehörden seit Jahren bereits militärische Forschungsprojekte an öffentlichen deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Auftrag geben beziehungsweise im Rahmen von Kooperationen finanzieren. Mindestens 22 Universitäten und Forschungsinstitute in Deutschland sollen so seit dem Jahr 2000 gut zehn Millionen US-Dollar aus dem Haushalt des Pentagons erhalten haben.

Nach Einschätzung der Linken herrscht in der deutschen Öffentlichkeit „große Verunsicherung darüber, in welchem Umfang und in welcher Form Vorbereitungen militärischer Angriffe oder Geheimdienstaktivitäten seitens der US-Administration in Deutschland getroffen werden“. In ihrer Anfrage wollte die Linke zudem wissen, „welche Rolle die Bundesregierung sowie Bundesbehörden oder andere öffentliche oder öffentlich geförderte Institutionen“ bei dieser Zusammenarbeit hätten. Auch fragten die Abgeordneten die Bundesregierung danach, ob Forschungsverträge oder Forschungskooperationen zwischen dem US-Verteidigungsministerium und dessen angegliederten Behörden in Deutschland auf Bundes-, Landes- oder Hochschulebene genehmigungspflichtig seien.

Grundsätzlich keine Bedenken der Bundesregierung

Die Bundesregierung verweist nun darauf, dass es sich bei den in der Anfrage der Linken aufgeführten Projekten „zu einem erheblichen Anteil um erkenntnisorientierte Grundlagenforschung“ handele, die in keinerlei Zusammenhang mit militärischen Planungen oder etwa geheimdienstlichen Tätigkeiten stünde. Auch sei die Beteiligung von öffentlichen Forschungseinrichtungen an wehrtechnischer Forschung grundsätzlich nicht zu beanstanden, meint die Bundesregierung, zumal dies auch der zivilen Forschung zusätzliche Impulse für Innovation und Leistungserweiterung erschließen könne. Die Freiheit von Forschung und Wissenschaft sowie das Bekenntnis zur Bundeswehr seien im Grundgesetz verankert.

Die Bundesregierung macht in ihrer Antwort außerdem darauf aufmerksam, dass die Grundlagen für Exportkontrollen international im Rahmen der Exportkontrollregime vereinbart seien. Dazu gehörten auch Listen für zu kontrollierende Güter und Technologien. Für Forschungsverträge oder Forschungskooperationen könnten im Einzelfall Genehmigungserfordernisse für die geplante Ausfuhr von Waren und Technologie der Güterlisten oder für bestimmte Verwendungen im Bereich von Massenvernichtungswaffen und Rüstung nötig sein. Das gleiche gelte für Dienstleistungen oder Maßnahmen der technischen Unterstützung, wozu auch Schulungen zählten. Die Beschränkungen für gelistete Technologie würden jedoch nicht für den Bereich der allgemeinen Grundlagenforschung gelten. Die Regeln der Exportkontrolle und ihre effektive Anwendung würden international wie national regelmäßig überprüft und fortentwickelt.

Abschließend erklärt die Bundesregierung, dass das Bundesministerium der Verteidigung, die Bundeswehr oder seine angegliederten Institutionen keinerlei Zugriff auf die Forschungsergebnisse hätten. Eine der Regierungsantwort beigefügte Tabelle listet detailliert die einzelnen Projekte der Auftraggeber der deutschen Forschungseinrichtungen mit allen entsprechenden Fördermitteln auf.

Grüne sprechen von „höchst fragwürdiger Kooperation“

Nach Veröffentlichung der Rechercheergebnisse durch den NDR und die Süddeutsche hatten sich die Wellen zunächst aufgetürmt. Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung beispielsweise hatte gewarnt: „Militärforschung gilt in deutschen Wissenschaftlerkreisen noch immer als ,dirty word‘, als schmutziger Begriff. Aufgrund unserer besonderen historischen Erfahrungen schrecken Forscher hierzulande in der Regel vor solchen Forschungsaufträgen zurück. Und das ist gut so! … Die Beteuerung, es handele sich ,nur‘ um Grundlagenforschung, scheint naiv, wenn der Auftrag- und Geldgeber das US-Verteidigungsministerium ist.“

Der Juso-Landesvorsitzende Bremen, Falk Wagner, hatte sich empört: „Wie viele Skandale dieser Art braucht es eigentlich noch, bis Rot-Grün endlich eine Zivilklausel in das Hochschulgesetz aufnimmt? Die Uni Bremen hat bereits mehrfach gegen ihre Zivilklausel verstoßen und etwa an Funktechnik im Auftrag des Bundesverteidigungsministeriums geforscht. Dass nun sogar das Pentagon zu den Finanziers der Uni gehört, macht erst die ganzen Ausmaße des Skandals sichtbar. Ein erneutes ,Zurück zur Tagesordnung‘ darf es nicht geben … Wir glauben nicht, dass das Pentagon Millionensummen aus selbstloser Wohltätigkeit ausgibt.“

In Hamburg hatte Eva Gümbel, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion, erklärt: „Was wird hier für das US-Militär erforscht? Wir verlangen vom Senat Aufklärung und volle Transparenz über die Zusammenarbeit der Hamburger Hochschulen mit Armeen und Geheimdiensten anderer Nationen … Diese Kooperationen sind höchst fragwürdig.“

Der wissenschafts- und hochschulpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, Professor Dr. Gerhard Besier, hatte folgendes Statement abgegeben: „An der TU Dresden wird offenbar für die US-Luftwaffe geforscht. Abgesehen davon, dass eindeutig als solche identifizierbare Militärforschung an öffentlichen Bildungseinrichtungen schon aus ethischen Gründen abzulehnen ist, sind die nun aufgedeckten Fälle besonders brisant: Erstens entspricht es nicht zwangsläufig den Interessen der Bundesrepublik Deutschland, wenn ausländische Mächte ihre militärische Schlagkraft unter Nutzung des hier vorhandenen wissenschaftlichen Sachverstandes zu maximieren versuchen. Zweitens können Drittmittelprojekte für die öffentliche Hand schwerlich kostenneutral gestaltet werden, da sie mindestens in die technische Infrastruktur der jeweiligen Hochschule eingebunden sind.“

Grundlagenforschung – statt Segen auch Fluch

Es gab aber auch distanziertere und weniger emotionale Medienkommentare und Presseerklärungen zum Thema „Forschung für die Rüstung“. Die Neue Westfälische etwa vertritt die Ansicht: Der „Vorgang verdient öffentliche Wahrnehmung, denn die geheimniskrämerischen Amerikaner dürften nur dann ausländisches Wissen nutzen, wenn sie nicht selbst an ihren Top-Unis über eigene Expertise verfügen. So betrachtet sind Pentagon-Aufträge an deutsche Wissenschaftler auch eine Anerkennung hiesiger Forschung und Forscher.“ Allerdings, so die Zeitung aus Bielefeld weiter, wüssten Forscher, dass die Ergebnisse von Grundlagenforschung statt Segen auch Fluch bringen könnten. Gesetzliche Regelungen oder ethische Absichtserklärungen einzelner Universitäten zu einer Forschung für eine friedliche Welt blieben ehrenvoll, jedoch wirkungslos. Denn die Freiheit der Forscher dürfe natürlich nicht beschränkt werden, nur weil die Gefahr bestehe, sie könnte missbraucht werden. Der Kommentar schließt: „Ziemlich simpel stellt sich die ethische Frage bei klar erkennbarer Auftragsforschung für nicht-zivile Zwecke. Ethisch korrekt ist es jedenfalls nicht, Forschung zu betreiben mit dem Ziel, andere Menschen umweltfreundlich in die Luft zu sprengen.“



Zu unserer Bildauswahl:
1. Eingangsbereich der Universität Heidelberg. Zwischen der Universität und dem US-Department of the Navy besteht eine Forschungskooperation im Rahmen des Projektes „Comparing the Anti Fouling Performance of Model Surfaces in the Laboratory and in the Field“, finanziert mit 189.400 US-Dollar.
(Foto: Universität Heidelberg/Kommunikation und Marketing)

2. Forschung im Institut für Nanostruktur und Analytik an der Universität Kassel. Der Senat der Universität Kassel hat sich am 4. Dezember vergangenen Jahres mehrheitlich gegen die Einführung einer wirksamen Klausel, die Forschung und Lehre für militärische Zwecke verwehrt, ausgesprochen.
(Foto: Paavo Blåfield/Universität Kassel)

3. An der Marburger Philipps-Universität wird im Auftrag des US-Departments of the Air Force und in Zusammenarbeit mit dem European Office of Aerospace Research and Development (EOARD) an dem Projekt „Nocturnal Visual Orientation in Flying Insects: a Benchmark for the Design of Vision-Based Sensors in Micro-Aerial Vehicles“ geforscht – das Finanzvolumen dafür beträgt 68.198 US-Dollar. Unser Bild zeigt das Biomedizinische Forschungszentrum der Universität.
(Foto: Hellmuth Graßmann/Philipps-Universität Marburg)


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