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Berlin. Veraltetes Material, defekte Waffensysteme, Rüstungsprojekte aus dem Ruder, überbeanspruchte Truppe, zusätzliche Auslandseinsätze – kein Tag ohne Bundeswehr-Schlagzeilen. Zumeist trostlose. Am gestrigen Mittwoch (8. Oktober) legte Spiegel online nach und lieferte die nächste Pannen-Meldung. Nach Informationen des Magazins sollen 47 Prozent aller Unterkünfte der deutschen Streitkräfte „desolat oder sogar unbenutzbar“ sein. Mag man es noch glauben?

Bei seinem Bericht bezieht sich Spiegel online unter anderem auf Aussagen von Gerd Hoofe, Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung, der in einer Sitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestages die Unterkunftssituation in den deutschen Kasernen als „inakzeptabel“ bezeichnet haben soll. Dieser Bewertung soll, so der Spiegel-Bericht, eine Umfrage des Ministeriums („Screening“) vom August dieses Jahres zugrunde liegen.

Den gesamten Unterkunftsbestand nach vier Kriterien überprüft

Demzufolge sei der gesamte Unterkunftsbestand in den Bundeswehrkasernen nach vier Bewertungskriterien eingestuft worden: A „guter Zustand“, B „leichte Mängel“, C „schlechter Zustand/größere Mängel“ und D „nicht nutzbar“.

Von den insgesamt 269 beurteilten Unterkunftsgebäuden seien 38 Prozent wegen größerer Mängel der Kategorie C zugerechnet worden, neun Prozent sogar der Kategorie D. 47 Prozent aller Bundeswehr-Unterkünfte müssten demnach als „in schlechtem Zustand oder nicht benutzbar“ eingestuft werden, schreibt Spiegel online.

Die Abfrage nach dem Zustand der Kasernenunterkünfte durch das Verteidigungsministerium sei auch durch den Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus zustande gekommen, der selbst regelmäßig Kasernen besuche, so der Bericht weiter. In der Tat listet der Wehrbeauftragte auch in seinem aktuellen Jahresbericht 2013 exemplarisch Fälle auf, in denen er Hygienemängel in verschiedenen Liegenschaften – Feuchtigkeitsschäden, Schimmelpilzbefall oder nicht ordnungsgemäß beendete Bauarbeiten – rügen musste.

Einfallsreichtum und Engagement der Soldaten verhindern Schlimmeres

Königshaus hat aufgrund von Eingaben der Soldatinnen und Soldaten sowie aus seinen Eindrücken bei Truppenbesuchen bis heute regelmäßig die lange vernachlässigte Infrastruktur – und dabei auch den baulichen Zustand einer Vielzahl von Kasernen – beanstandet. Erst kürzlich hatte er nochmals im Plenum im Rahmen der abschließenden Bundestagsberatung zu seinem Jahresbericht 2013 diese Problematik aufgegriffen und darauf hingewiesen, dass die bauliche Infrastruktur über viele Jahre hinweg vernachlässigt worden sei.

Auf Nachfrage im Amt des Wehrbeauftragten in Berlin erhielten wir folgendes Statement: „Es wird darauf hingewiesen, dass sich das Bild, das sich für den Wehrbeauftragten insgesamt zu dem Zustand der Kasernen ergibt, nicht nur aus den konkreten Eingaben betroffener Soldatinnen und Soldaten herleitet, sondern auch aus Besichtigungen von Gebäuden vor Ort an den Standorten, sodass dem Wehrbeauftragten teilweise unzumutbare Zustände bekannt geworden sind. Der von Spiegel online genannte Umfang ,maroder Soldatenstuben‘ erscheint daher realistisch.“

Es sei nach Auffassung von Hellmut Königshaus dem Einfallsreichtum und dem Engagement der Bundeswehrangehörigen zu verdanken, dass dennoch der ordnungsgemäße Dienstbetrieb sichergestellt bleibe, heißt es weiter.

Das Statement des Wehrbeauftragten schließt mit einem Lob für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen: „Wenngleich die Ergebnisse der Untersuchung des Bundesministeriums der Verteidigung noch nicht vollumfänglich vorliegen, so wird es begrüßt, dass die Bundesministerin der Verteidigung die Bedeutung dieses Themas erkannt hat und als wichtigen Baustein in die ,Attraktivitätsoffensive‘ aufgenommen hat.“

Zeitgemäßes attraktives Lebens- und Wohnumfeld für Soldaten

Erst im Juli dieses Jahres hatte sich das Verteidigungsministerium in einem Beitrag für seine Onlinemedien des Themas „Moderne Unterkünfte gestalten“ angenommen. Offensichtlich vor dem Hintergrund der Attraktivitätsoffensive, die Ministerin Ursula von der Leyen im Mai gestartet hatte. Der Presse- und Informationsstab erklärte: „Ein zeitgemäßes, attraktives Lebens- und Wohnumfeld ist der Bundeswehr wichtig. Dazu gehört eine moderne und hochwertige Ausstattung der Unterkünfte.“ Die teils in die Jahre gekommene Ausstattung der dienstlichen Unterkünfte der Bundeswehr solle Schritt für Schritt modernisiert und erweitert werden, so die Verfasser dazu weiter. „Bundeswehrangehörige sollen sich in einem zeitgemäßen attraktiven Lebens- und Wohnumfeld wohlfühlen können. Für viele ist die Dienstunterkunft ein zweites Zuhause.“

Das Verteidigungsministerium will nun auf die „Screening“-Ergebnisse reagieren. Bis Ende des Jahres sollen „die nachgeordneten Bereiche Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Lage vorlegen“, berichtet Spiegel online unter Bezug auf das Wehrressort. Bei den neun Prozent der als „nicht nutzbar“ eingestuften Stuben will man sofort eine Lösung finden: Entweder soll diese Bausubstanz rasch aus der Nutzung genommen oder durch eine kurzfristige Reparatur wieder instand gesetzt werden.

Rund 474 Millionen für Sanierungen und Neubauprojekte

Der Magazinbeitrag nennt schließlich auch die Größenordnungen für die anstehenden Sanierungen und Neubauten von Bundeswehr-Unterkünften. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums stehen dafür in den kommenden drei Jahren rund 474 Millionen Euro im Haushalt zur Verfügung. Mindestens 131 Bauprojekte sollen bis Ende 2017 fertig sein.

Das Ministerium habe auch darauf hingewiesen, dass die ermittelten Prozentzahlen „teils relativ“ gesehen werden müssten, da man „den kompletten Unterkunftsbestand untersucht“ habe, so Spiegel online. Da die Bundeswehr im Zuge der Neuausrichtung drastisch schrumpfe, brauche sie immer weniger Stuben.


Zu den zwei Aufnahmen:
1. Januar 2011 – Soldaten der 13. Kompanie des Luftwaffenausbildungsregiments räumen in ihrer Unterkunft in der Barnim-Kaserne in Strausberg die Spinde ein. Sie gehörten zu den letzten Wehrpflichtigen, die zum 1. Januar 2011 eingezogen wurden.
(Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr)

2. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus, im April 2013 in der Türkei. In der Gazi-Kaserne in Kahramanmaras besuchte er Angehörige des deutschen Einsatzkontingents „Active Fence Turkey“ und ließ sich auch die Unterkünfte zeigen.
(Foto: Bernd Berns/Bundeswehr)


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