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Berlin/Mogadischu (Somalia). Somalia gilt als Inbegriff eines gescheiterten Staates. Denn immer noch führt das ostafrikanische Land den Index der „Failed States“ an, den die US-amerikanische Organisation „The Fund for Peace“ jährlich gemeinsam mit der Zeitschrift Foreign Policy ermittelt. In Somalia tobt seit dem Sturz von Mohamed Siad Barre 1991 ein schlimmer Bürgerkrieg. 20 Jahre lang existierte keine funktionierende Zentralregierung mehr, bewaffnete Milizen und Warlords kämpfen um die Macht. Die 1998 gegründete radikale Miliz al-Shabaab, die Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida hat und unnachgiebig für die Errichtung eines Gottesstaates in Somalia kämpft, ist und bleibt eine latente Bedrohung. Im Bundesministerium der Verteidigung konkretisieren sich nun nach Informationen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel Pläne, Bundeswehrsoldaten in Zukunft direkt in der somalischen Hauptstadt Mogadischu im Rahmen der europäischen Ausbildungsmission EUTM Somalia einzusetzen.

Die instabile Sicherheitslage in Somalia hatte vor Kurzem erst dazu geführt, dass sich Deutschland zum großen Bedauern seiner Partner von der Somalia-Ausbildungsmission der Europäischen Union (European Union Training Mission, EUTM) verabschiedete. Die Aufgabe der Mission war nach einem EU-Ratsbeschluss um die strategische Beratung des somalischen Verteidigungsministeriums und des Generalstabes erweitert worden – bei gleichzeitiger Verlegung in die somalische Hauptstadt Mogadischu. Bislang – seit 2010 bis Dezember 2013 – hatte EUTM Somalia das Bihanga Trainings Camp im Nachbarland Uganda genutzt. Dort waren insgesamt rund 3600 somalische Militärangehörige ausgebildet worden.

Die Bundeswehr hatte sich bis zu ihrem Rückzug auf Grundlage eines nur für das Einsatzgebiet Uganda geltenden Kabinettsbeschlusses vom 15. August 2011 mit bis zu 20 Soldaten an der Mission beteiligt (EUTM-Gesamtumfang: 125 Soldaten aus 13 Nationen). EUTM Somalia war von der EU erst am 22. Januar vergangenen Jahres um zwei Jahre bis März 2015 verlängert worden. Das deutsche Personal der Ausbildungsmission verlegte im Zeitraum 10. bis 20. Dezember 2013 zurück in die Heimat. Darüber hatten wir bereits ausführlich berichtet (siehe Kapitel „Somalia-Ausbildungsmission künftig ohne Beteiligung der Bundeswehr“ unseres Beitrags „Langsamer Abschied von der Kultur der Zurückhaltung“).

Endgültige Entscheidung liegt beim Deutschen Bundestag

Wie nun der Spiegel am 9. Februar berichtete, laufen die Planungen für eine Bundeswehrbeteiligung an EUTM Somalia in Mogadischu im Einsatzführungskommando bereits „seit mehreren Wochen“. Das Nachrichtenmagazin weiter: „Im Verteidigungsministerium rechnet man damit, dass bei einer sogenannten Kräftesteller-Konferenz der beteiligten Länder Ende Februar – spätestens Anfang März – die Anzahl der benötigten deutschen Soldaten festgelegt wird. Anschließend müsste der Bundestag über das Mandat für den Einsatz abstimmen.“ Die ersten deutschen Soldaten könnten im April ihre Arbeit in der somalischen Hauptstadt aufnehmen, zitiert der Spiegel einen Vertreter des Ministeriums.

Eine zentrale Rolle spielt die Sicherheitslage in Mogadischu

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen selbst bremst noch. Bei einem Besuch des Führungsunterstützungsbataillons 381 am 12. Februar in der Storkower Kurmark-Kaserne sagte sie vor Medienvertretern, ein möglicher Einsatz der Bundeswehr in Somalia sei noch keine beschlossene Sache. Die Entsendung deutscher Soldaten zur Ausbildung somalischer Streitkräfte innerhalb einer laufenden EU-Mission sei zunächst in der Prüfungsphase. Wichtig sei insbesondere, die Sicherheitslage zu prüfen. Im Anschluss werde man sehen, wie die weiteren Schritte innerhalb der Großen Koalition und dann mit dem Parlament abgestimmt würden, so von der Leyen bei der Streitkräftebasis.

„Unser Ansatz ist die Hilfe zur Selbsthilfe“

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, äußerte sich vor wenigen Tagen grundsätzlich positiv zu einem möglichen Bundeswehreinsatz in Somalia. Der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung sagte der SPD-Politiker am 10. Februar: „Es ist wichtig, dass die Europäische Union bei dieser Trainingsmission zusammenbleibt. Wenn es bei uns begründete Bedenken gäbe, die Bundeswehr dahin zu schicken, dann müssten diese Bedenken für die anderen auch gelten.“ Hätten die anderen keine begründeten Bedenken, könne Deutschland allerdings ebenfalls keine haben.

Bartels fügte hinzu: „Der Einsatz macht sowieso Sinn. Denn es ist in jedem Fall richtig, somalische Streitkräfte auszubilden. Unser Ansatz ist Hilfe zur Selbsthilfe. Wir wollen nicht selbst die gesamte Sicherheitsverantwortung übernehmen, sondern die Afrikanische Union dazu ertüchtigen.“

Abwägen zwischen Risiko, politischem Nutzen und Erfolgsaussichten

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder, stellte klar, dass es sich bei einem möglichen Einsatz der Bundeswehr in Somalia nicht um einen Kampfeinsatz handele. Im rbb-Inforadio (Rundfunk Berlin-Brandenburg) betonte er am 10. Februar: „Wenn wir in Afrika tätig sind, geht es immer darum, logistisch oder auf medizinischer Ebene zu helfen. Wir müssen versuchen immer abzuwägen zwischen Risiko und politischem Nutzen und auch Erfolgsaussichten einer Mission. Das ist in Somalia sehr, sehr schwierig.“

Grundsätzlich sei er dagegen, so Mißfelder weiter, dass die Bundeswehr künftig per se mehr Auslandseinsätze mache: „Die Bundeswehr ist in einer Umbruchsituation. Aber ich sage ganz eindeutig, für mich heißt mehr Verantwortung nicht unbedingt mehr Militäreinsätze.“

Lage in Somalia ist weiterhin „äußerst angespannt“

Vor einem Einsatz der Bundeswehr in der somalischen Hauptstadt warnt mit Nachdruck die unabhängige Menschenrechtsorganisation „Göttinger Gesellschaft für bedrohte Völker“ (GfbV). Ulrich Delius, Afrikareferent der Vereinigung, fordert „mehr Realismus“ bei der Einschätzung der äußerst angespannten Lage in Somalia. Er erklärte am 12. Februar in Göttingen: „Solange Somalias Armee und Behörden noch immer in Menschenrechtsverletzungen verstrickt sind, sollte die Bundeswehr sich nicht an einer Ausbildungsmission in diesem Land beteiligen. Die radikal-islamischen al-Shabaab-Milizen verbreiten dort schlimmen Terror, aber Soldaten und Behörden sind in ihrer Willkür nur wenig besser.“

Niemand könne die Sicherheit von Bundeswehrsoldaten in Mogadischu garantieren, warnte Delius. Denn die extremistischen al-Shabaab-Kämpfer, die in den kommenden Wochen mit einer Großoffensive der somalischen Armee und der AMISOM-Friedenstruppe der Afrikanischen Union zerschlagen werden sollen, würden antworten und ihre Terroranschläge in Mogadischu noch weiter verstärken.



Unser Bild zeigt somalische Soldaten im ugandischen Trainingslager Bihanga im September 2012 (rechts ein Ausbilder der Bundeswehr). Insgesamt wurden hier im Rahmen der europäischen Mission EUTM Somalia von 2010 bis Dezember 2013 rund 3600 Militärangehörige aus dem Nachbarland Ugandas geschult.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)


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