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Berlin/Brüssel (Belgien)/Kabul (Afghanistan)/ Trabzon (Türkei). Deutschland hat am 18. April als erste NATO-Nation ein konkretes Angebot für ein Engagement in Afghanistan nach Ende des Kampfeinsatzes am 31. Dezember 2014 eingereicht. Die Bundesregierung ist bereit, ab 2015 für zunächst zwei Jahre insgesamt etwa 600 bis 800 Soldaten für die vorgesehene Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmission „Resolute Support“ zur Verfügung zu stellen. Wann aber der letzte Bundeswehrangehörige endgültig das Land am Hindukusch verlassen wird, ist offen.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière und Außenminister Guido Westerwelle verkündeten die Entscheidung, die Medienberichten zufolge in einer gemeinsamen Sitzung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gefallen sein soll, an diesem Donnerstag in Berlin bei einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz. Westerwelle bezeichnete den Übergang von der Kampf- zu einer Post-ISAF-Ausbildungsmission als „historische Zäsur“. Deutschland lasse die Menschen in Afghanistan nicht im Stich.

Eine „militärisch angemessene“ Offerte

De Maizière nannte den Medienvertretern in seinem Statement die Eckpunkte des deutschen Afghanistan-Engagements nach 2014: „Wir wollen, dass unser über mehr als ein Jahrzehnt dauernder Einsatz nachhaltig Erfolg hat. Wir wollen für die Zeit danach die Ergebnisse unserer Arbeit sichern. Das soll durch Beratung, Ausbildung und Unterstützung geschehen. Die internationale Völkergemeinschaft wird sich ab dem Jahr 2015 nicht aus Afghanistan verabschieden. So ist die Beschlusslage der Staats- und Regierungschefs vom NATO-Gipfel in Chicago und dies auch mit Zustimmung des afghanischen Präsidenten. Für die Zeit ab 2015 geht es um ein neues, um ein anderes Mandat, mit einem neuen Zuschnitt und mit einem anderen Auftrag.“

Derzeit erarbeite die NATO die Pläne für eine solche Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmission ab 2015, erklärte der Verteidigungsminister weiter. Diese im Charakter neu ausgerichtete Mission werde keinen Kampfauftrag haben. Die NATO plane für diese Post-ISAF-Mission bislang einen „Personalkorridor“ von 8000 bis 12.000 Mann. Die Bundesregierung sei bereit, ab dem Jahr 2015 für zunächst zwei Jahre insgesamt etwa 600 bis 800 Soldatinnen und Soldaten für die geplante Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmission zu entsenden. In diesem „Korridor“ sei die Schutzkomponente, die dann in Afghanistan benötigt werde, enthalten (und „kommt nicht oben drauf“).

Die Größenordnung von circa 600 bis 800 Bundeswehrangehörigen orientiere sich an den für die neue Mission geforderten Fähigkeiten, führte de Maizière in seinem Statement weiter aus. „Das ist einerseits die Fähigkeit, hochwertige Ausbildung und Beratung für die afghanischen Sicherheitskräfte zu leisten. Das sind andererseits natürlich die Fähigkeiten, die für eigene Soldaten oder auch für die Soldaten anderer Truppensteller bereitgestellt werden müssen. Denken Sie bitte beispielsweise an Logistik, an Sanität, an Transport, an den Schutz für die Soldaten und andere (Fähigkeiten) – gegebenenfalls auch Evakuierung. Wir sind der Überzeugung, dass diese Größenordnung mit Blick auf den Auftrag, auf den Planungsprozess und auch mit Blick auf die anderen internationalen Truppensteller militärisch angemessen ist.“

Neues Speichenmodell, alter Zuständigkeitsbereich

Nach den Plänen der Bundesregierung sollen die deutschen Soldaten als Ausbilder, Berater und Unterstützer für die Afghanen in einem sogenannten Speichenmodell zum Einsatz kommen. Dazu de Maizière: „Lassen Sie mich dieses Modell kurz erläutern: Stellen Sie sich bitte ein Rad vor. Ein Rad besteht aus einer Nabe, den Speichen und dem äußeren Radkranz. Beim Speichenmodell für Afghanistan ist die Hauptstadt Kabul die ,Nabe‘. Von ihr aus gehen vier ,Speichen‘ in die bevölkerungsreichsten Gebiete im Norden, Süden, Osten und im Westen. Der äußere ,Radkranz‘ sind die Landesgrenzen. Deutschland ist bereit, seine Soldatinnen und Soldaten sowohl für die ,Nabe‘ – also die Hauptstadt Kabul – als auch für die ,nördliche Speiche‘ – also unseren bisherigen Zuständigkeitsbereich – zur Verfügung zu stellen. Wir sind bereit, im Norden Afghanistans, in Mazar-e Sharif, als Führungsnation – unterstützt von anderen Staaten – Verantwortung zu übernehmen.“

Das Speichenmodell sei alles in allem auf rund zwei Jahre befristet, erklärte der Verteidigungsminister. Danach solle sich die Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsleistung auf die Region Kabul konzentrieren und dann nur noch rund 200 bis 300 deutsche Soldaten umfassen.

Deutschland möchte willkommen sein

An welche Voraussetzungen die Bereitschaft der Bundesregierung zu einer Beteiligung ab 2015 an „Resolute Support“ geknüpft ist, verdeutlichte Thomas de Maizière im zweiten Teil seines Pressestatements. Zu den Voraussetzungen gehören: „Eine formelle Einladung der afghanischen Regierung – wir wollen willkommen sein. Eine Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Ein zwischen Afghanistan und uns vereinbartes Truppenstatut. Eine Sicherheitslage, die dies zulässt.“ Und an die Adresse der Bündnispartner – besonders an die der US-Amerikaner und Briten – gerichtet: „Unser Angebot setzt weiter voraus, dass das Speichenmodell wirklich zum Tragen kommt und unsere Verbündeten ihrerseits Verantwortung im Süden, Osten und Westen übernehmen. Unsere internationalen Partner sollen einen angemessenen Beitrag zu dieser Mission leisten und ihrerseits ausreichend Kräfte zur Verfügung stellen. Das gilt insbesondere für Nationen, die heute schon eine gewichtige Rolle haben.“

Begründete, aber nicht grenzenlose Zuversicht

Die Bundesregierung hatte sich in der Vergangenheit des öfteren zu einer weiteren Beteiligung an einem Afghanistaneinsatz nach 2014 bereit erklärt. Weil die Vereinigten Staaten bislang noch keine definitive Entscheidung über ihre Truppenpräsenz am Hindukusch nach 2014 getroffen haben, konnte Berlin auch noch keine konkreten Pläne vorweisen. Am 18. April nun änderte sich dieser Schwebezustand. De Maizière: „Dieses Angebot ist eine Willenserklärung der Bundesregierung. Deutschland positioniert sich bei diesem wichtigen Thema zu Beginn und rechtzeitig … Ich gehe davon aus, dass diese klare deutsche Position durchaus für andere ermutigend wirkt. Deshalb warten wir auch nicht auf die Entscheidungen anderer.“

Und wie geht es weiter? Man werde mit diesem Angebot jetzt in die weiteren internationalen Abstimmungsgespräche gehen, so die beiden Minister bei ihrem Pressetermin. Man sei der Überzeugung, dass dieses Angebot der politischen Verantwortung Deutschlands gegenüber den Afghanen und gegenüber den internationalen Partnern gerecht werde. „Die Planungen und Entscheidungen über unseren Beitrag in Afghanistan beruhen auf einer begründeten, aber nicht grenzenlosen Zuversicht über die Entwicklung des Landes“, meinte de Maizière.

Außenminister Westerwelle versicherte in einer abschließenden Verlautbarung: „Unser Engagement für eine gute Entwicklung Afghanistans auch nach 2014 nehmen wir unverändert sehr ernst. Wir stehen zu unseren Zusagen für die zivile Unterstützung. Und wir unterstützen die Stabilität durch unser Engagement bei der Ausbildung der Sicherheitskräfte, damit Afghanistan nicht wieder zu einem Hort des internationalen Terrors wird. Unser Angebot an die Staatengemeinschaft und an Afghanistan ist ein klares Signal der Verantwortung: Wir arbeiten mit unseren Partnern weiter für eine gute Zukunft der Menschen in Afghanistan.“

Der endgültige Beschluss über das künftige deutsche Engagement in Afghanistan sei dem neuen Bundestag und der neuen Bundesregierung vorbehalten, betonte der Außenminister mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst. Die möglicherweise ab Januar 2015 in Afghanistan eingesetzten Bundeswehrsoldaten werden nach bislang bekannten Plänen Teil einer internationalen Truppe sein, die zwischen 8000 und 12.000 Soldaten stark sein soll. Im Moment ist Deutschland nach den USA und Großbritannien drittgrößter Truppensteller der internationalen Afghanistan-Schutztruppe (ISAF).

Den richtigen Zeitpunkt gewählt

Die Reaktionen auf das Regierungskonzept für ein Engagement deutscher Soldaten in Afghanistan nach 2014 fielen mehrheitlich positiv aus, aber es gab auch einige kritische Stimmen.

Der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Ernst-Reinhard Beck, lobte das „tragfähige Konzept der Bundesregierung für die Zukunft Afghanistans“. Er erklärte: „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um unseren Verbündeten die Voraussetzungen für unser Engagement und den Rahmen mitzuteilen. Wenn wir erwünscht sind, also eine formale Einladung der afghanischen Regierung bekommen, die USA und andere Truppensteller ihren Aufgaben gerecht werden und unter einer entsprechenden Resolution des UN-Sicherheitsrates wird Deutschland seiner Verantwortung in Afghanistan in Kabul und im Norden nachkommen.“

Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, äußerte sich ebenfalls zufrieden mit der Regierungsinitiative. „Ich halte den Weg, den die Bundesregierung einschlägt, für den richtigen“, sagte er der Mitteldeutschen Zeitung. „Darauf drängen wir im Verteidigungsausschuss seit Monaten. Auch die Größenordnung deckt sich mit dem, was wir die ganze Zeit gesagt haben. Insofern kann ich da nicht meckern.“ Wichtig sei, dass Deutschland nicht auf Vorgaben der USA und der NATO warte, sondern nun selbst sage, was es künftig noch leisten könne und wolle.

Es bleiben einige offene Fragen

Auch der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, Ulrich Kirsch, sprach mit der Mitteldeutschen Zeitung. Er begrüße zwar die Absichtserklärung der Regierung Merkel, sehe aber noch Klärungsbedarf. „Grundsätzlich freuen wir uns erst, wenn alle Frauen und Männer wieder zu Hause sind. Aber wir begrüßen die frühzeitige Planung und realistische Einschätzung. Es bleiben jedoch Fragen offen.“ Die Kernfrage, so Kirsch, laute: Wie soll der vergrößerte zivile Anteil aussehen? Darauf habe die Bundesregierung noch keine Antwort gegeben. Denn wenn der Plan nicht funktioniere, dann seien ganz schnell wieder Soldaten erforderlich. Dies müsse ausgeschlossen werden. Der Verbandsvorsitzende gab auch zu bedenken: „Offen ist überdies, wie der Schutz der deutschen Kräfte gewährleistet wird und wie die Rettungskette aussieht. Auch muss die internationale Gemeinschaft weiter Kampftruppen bereithalten, um auf Krisen reagieren zu können.“

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Frithjof Schmidt, kommentierte die von de Maizière und Westerwelle vorgestellten Eckpunkte wie folgt: „Es war höchste Zeit, dass die Bundesregierung nun eigene Zahlen vorlegt. Das allein reicht aber nicht aus. Die Regierung plant eine mittlere dreistellige Truppenzahl in Afghanistan zu belassen. Rahmenbedingungen und Auftrag sind aber immer noch weitgehend unklar.“ Entscheidend seien die konkrete Ausgestaltung eines Mandats der Vereinten Nationen und der genaue Auftrag der Bundeswehr innerhalb dieses Rahmens, forderte der Grünen-Politiker. „Wir erwarten, dass die Bundesregierung die Planungen noch vor der Bundestagswahl entsprechend konkretisiert. Diese müssen unbedingt mit der entsprechenden Ausarbeitung einer Agenda für den zivilen Aufbau verbunden werden. Eine abschließende Entscheidung über ein Engagement der Bundeswehr nach 2014 muss der neugewählte Bundestag treffen. Es darf keine Schaffung von vollendeten Tatsachen geben.“

Helfer der Bundeswehr vor Taliban-Rache schützen

Befasst man sich mit dem Medienecho zur Berliner Afghanistan-Initiative, dann werden rasch zwei Schwerpunkte in der Kommentierung deutlich. Zum einen geht es um den frühen Zeitpunkt der Regierungsoffensive, zum anderen um das Thema „afghanische Helfer“.

Gregor Manytz etwa hat sich in der Rheinischen Post Gedanken zum möglichen Kalkül der Kanzlerin gemacht und schreibt: „Noch vor der Wahl wollten Außen- und Verteidigungsminister darlegen, wie sie sich den künftigen deutschen Afghanistan-Einsatz vorstellen. Das klang nach Spätsommer oder Frühherbst. Dass die mit der Mission befassten Ministerien bereits jetzt entschieden, kommt für die eigene Öffentlichkeit wie für die Partner im Bündnis überraschend früh. Möglicherweise hat die Kanzlerin kein Interesse an einem monatelangen Gezerre, an ausufernden Zahlenspekulationen. Sie räumt derzeit ein potenziell unangenehmes Wahlkampfthema nach dem anderen vom Tisch. Aber das erklärt die Eile nur bedingt. Tatsächlich greift die Bundesregierung auch auf einen Trick zurück, mit dem schon die rot-grünen Vorgänger erfolgreich waren: Die hatten für eine Ausweitung des Einsatzes über die Hauptstadt hinaus bereits die Hand gehoben, als die anderen noch mit Abwägen beschäftigt waren. Zügig übernahm Deutschland die Verantwortung für den Norden des Landes. Um die gefährlicheren Süd-Ost-Regionen mussten sich dann andere kümmern.“

Fabian Löhe denkt in seinem Kommentar für die Neue Osnabrücker Zeitung zunächst an die afghanischen Zivilbediensteten der Bundeswehr: „Ende 2014 macht noch lange nicht der letzte Bundeswehrsoldat in Afghanistan das Licht aus, denn 600 bis 800 Männer und Frauen will Verteidigungsminister Thomas de Maizière auch danach noch im Land lassen – eine gute Entscheidung. Gut ist dieser Entschluss mit Blick auf die vielen einheimischen Helfer, die der Truppe bislang zur Seite standen. Sie haben noch mehr Zeit, sich auf den vollständigen Abzug vorzubereiten. Es ist wichtig, dass die Bundesregierung alles Erdenkliche unternimmt, um ihre afghanischen Unterstützer – wie etwa Übersetzer – vor der Rache der Taliban zu schützen. Am besten würde dies durch die Aufnahme hierzulande gelingen. Das wünschen sich auch die meisten Helfer – obwohl der afghanische Präsident Hamid Karsai dagegen ist.“

Innenpolitische und taktische Motive

Thomas Ruttig ist Co-Direktor der unabhängigen Organisation „Afghanistan Analysts Network“ (AAN) mit Sitz in Berlin und Kabul. Er hat in den vergangenen Jahren die Vereinten Nationen, die Europäische Union und die deutsche Botschaft in der afghanischen Hauptstadt Kabul beraten und zahlreiche Arbeiten zum Afghanistan-Konflikt veröffentlicht.

In einem am 20. April erschienenen Beitrag für AAN bewertet er die getroffenen deutschen Entscheidungen und kritisiert Verteidigungsminister de Maizière. Dieser verschweige, dass es zu der innerhalb der NATO diskutierten Gesamtgröße des Post-2014-Kontingents für Afghanistan (insgesamt 8000 bis 12.000 NATO-Soldaten) auch noch andere Zahlen gebe. So habe erst vor kurzem US-General James N. Mattis, Befehlshaber des U.S. Central Command (USCENTCOM; dem Zentralkommando unterstehen unter anderem die US-Truppen in Afghanistan) dem Kongress in Washington empfohlen, nach 2014 noch 13.600 US-Soldaten in Afghanistan zu belassen. Dies hätte möglicherweise zur Folge, dass etwa 6500 bis 7000 Soldaten aus anderen Ländern ebenfalls stationiert werden müssten (und somit auch Deutschland mehr Bundeswehrangehörige zu stellen hätte). Auch ISAF-Kommandeur Joseph F. Dunford hätte bereits von rund 13.000 US-Soldaten und 7000 Soldaten anderer Nationen gesprochen, die nach Ende des Kampfauftrages am Hindukusch im Rahmen von „Resolute Support“ gebraucht würden.

Die deutsche Absichtserklärung vom 18. April sieht Ruttig hauptsächlich durch innenpolitische und taktische Motive begründet. Zum einen, so seine Vermutung, gehe es der Regierung Merkel mit ihrer Initiative darum, dass Thema „Afghanistan“ aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Zum anderen versuche Deutschland erneut nach der Devise „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ zu handeln, eine Devise, mit der man sich bereits 2003 die vermeintlich ruhigen und sicheren Nordprovinzen Afghanistans als ISAF-Schutzgebiet habe auswählen können. Auch sehe es so aus, als wolle Deutschland seine Verbündeten dazu anhalten, auch künftig ihre wesentlich schwierigeren Militärmissionen in den ihnen bislang zugewiesenen Landesteilen zu erfüllen. Immerhin habe de Maizière ja davon gesprochen, dass das deutsche Angebot voraussetze, dass Deutschlands Verbündete „ihrerseits Verantwortung im Süden, Osten und Westen übernehmen“.

Was ihn schließlich ganz besonders bei der gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Minister störe, sei die Fokussierung auf den militärischen Part. Afghanistan-Experte Ruttig beklagte: „Diese Ankündigung war ausschließlich auf den militärischen Teil der Folgemission und die Truppenstärke ausgerichtet. Der Außenminister sprach ein paar tragende Sätze und vermied wenig Konkretes über das, was Deutschland nach 2014 in Afghanistan zu tun gedenkt. Völlig verschwiegen wurden entwicklungspolitische Aspekte eines deutschen Afghanistanengagements nach 2014.“

Heimkehr ohne einen Gesichtsverlust

Äußerst kritische Töne stimmte am 23. April auch Andreas Flocken an. Der für die Sendereihe „Streitkräfte und Strategien“ verantwortliche Redakteur des NDR kommentierte die letzten Afghanistan-Beratungen der NATO-Außenminister in Brüssel: „Die NATO wird nicht müde zu betonen, man werde das Land nicht im Stich lassen. Deswegen soll es eine Folgemission geben … Wie dieser Einsatz aber konkret aussehen wird, das ist noch völlig offen – auch jetzt nach den Beratungen der Außenminister in Brüssel. Denn alles hängt von Washington ab. Die USA wollen sich nämlich erst im Sommer festlegen. Unter anderem weil noch offen ist, ob die Regierung in Kabul ihren Anspruch aufgibt, dass sich US-Soldaten bei Straftaten vor afghanischen Gerichten verantworten sollen. Für Washington und auch die anderen NATO-Länder ist so etwas nicht akzeptabel. Mit der NATO-Nachfolgemission versucht das Bündnis das Afghanistan-Abenteuer ohne Gesichtsverlust zu beenden. Doch es kann auch anders kommen. Im Irak scheiterte die geplante US-Ausbildungsmission an der Immunitätsfrage für US-Soldaten. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass auch für die NATO in Afghanistan Ende 2014 endgültig Schluss sein wird.“

IT-Sicherheitskonzepte auf dem Prüfstand

In einer geschlossenen Laborumgebung arbeitet auch Gabi Dreo Rodosek. Die Professorin der Universität der Bundeswehr München hat am Institut für Technische Informatik ein Forschungsnetz mit mehr als 50 Servern aufgebaut. Hier testet sie entwickelte IT-Sicherheitskonzepte auf ihre Tragfähigkeit. Der Bedarf an diesen Konzepten hat in den letzten Jahren massiv zugenommen, erklärt die Wissenschaftlerin. Ihrer Ansicht nach ist „Cyberwar“ der Krieg der Zukunft. „Bevor in einem Konflikt der erste Schuss fällt, werden Hacker versuchen die Waffen- und Radarsysteme, die Kommunikationsmittel aber auch die Energieversorgung des Gegners auszuschalten.“

Dreo Rodosek berät unter anderem die Bundeswehr sowie deutsche Sicherheitsbehörden und Unternehmen bei der Netzsicherheit. Die Bündelung und der weitere Aufbau von Expertise im Bereich Cyber Defence an dieser Bundeswehr-Universität gelang vor kurzem mit der Gründung des neuen Forschungszentrums CODE. Wir berichteten darüber in unserem Beitrag „Ganzheitlicher Ansatz in der Cyber-Abwehr“.

Moskau stellt sich gegen NATO-Nachfolgemission

Die Ankündigung Deutschlands, sich nach 2014 an „Resolute Support“ mit zunächst 600 bis 800 Kräften beteiligen zu wollen, verurteilten die Taliban inzwischen als „unheilvoll“. Ablehnung der NATO-Pläne für Afghanistan ab Januar 2015 kommt zudem – wenn auch in diplomatischer und nicht radikaler Form – aus Moskau. Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur RIA Novosti sprach sich Russlands Vize-Außenminister Igor Morgunow kürzlich auf einer internationalen Afghanistan-Konferenz in Alma-Ata (Kasachstan) „entschieden gegen eine Umwandlung von ISAF in eine langfristige ausländische militärische Präsenz in diesem Land“ aus.

Denken in verschiedenen Varianten

Mittlerweile hat die Bundeswehr mit dem Rücktransport von Fahrzeugen, Waffen, Munition und Gerät nach Deutschland begonnen. Am 25. April landete im nordtürkischen Trabzon eine Antonov-Transportmaschine mit einem Bergepanzer und sechs geschützten Fahrzeugen vom Typ Eagle IV an Bord. Trabzon am Schwarzen Meer ist das logistische Drehkreuz für den Abzug der Bundeswehr vom Hindukusch. Vor der Nutzung musste die deutsche Regierung ein detailliertes Transitabkommen aushandeln, das schließlich von der türkischen Regierung ratifiziert wurde. Insgesamt warten in Afghanistan rund 1700 Fahrzeuge und 6000 Container der deutschen Streitkräfte auf die Rückführung in die Heimat, etwa 85 Prozent davon werden nach Trabzon geflogen. Hier wird dann die Fracht von bis zu 200 Logistikern der Bundeswehr auf Schiffe umgeladen.

Solange keine endgültige Entscheidung der US-Amerikaner und danach der NATO über das weitere gemeinsame Vorgehen in Afghanistan gefallen ist, wird auch die Operation „Rückverlegung“ noch mit angezogener Handbremse gefahren. Deutschland hat jetzt zwar ein Angebot unterbreitet, dennoch bleiben schwerwiegende Fragezeichen. Bei seinem letzten Truppenbesuch in Afghanistan riet Verteidigungsminister Thomas de Maizière den Bundeswehrangehörigen „variantenreich“ zu denken: „Von der Variante, am 31. Dezember 2014 macht hier jeder das Licht aus – bis hin zur der Variante, dass wir in einer Größe X im Norden und in Kabul noch sind – und alles dazwischen.“



Hinweis: Pressekonferenz zu Afghanistan „Post-2014“ in Berlin: Video mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière und Außenminister Guido Westerwelle.


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Zu unserer Bildfolge:
1. Am 31. Dezember 2014 endet der Kampfeinsatz der NATO-geführten Gasttruppen in Afghanistan. Ob danach auch weiterhin Bundeswehrsoldaten am Hindukusch präsent sein werden, entscheidet sich erst definitiv in den kommenden Wochen. Die Aufnahme entstand im Dezember vergangenen Jahres nördlich von Kunduz und zeigt zwei Angehörige der Quick Reaction Unit bei einer Kontrolle.
(Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr)

2. Deutschland will auch nach 2014 Verantwortung in Afghanistan übernehmen. Zwischen 600 und 800 Bundeswehrangehörige sollen dann für die neue Mission „Resolute Support“ gestellt werden. Dies teilten Verteidigungsminister Thomas de Maizière (links) und Außenminister Guido Westerwelle am 18. April in Berlin bei einer Pressekonferenz mit.
(Foto: Nadja Klöpping/Reservistenverband)

3. 3. Mit Eintreffen des ersten Großraumflugzeuges Antonov im nordtürkischen Trabzon am Schwarzen Meer, an Bord Bundeswehr-Fahrzeuge aus Mazar-e Sharif, hat die deutsche Rückverlegung aus Afghanistan begonnen. Insgesamt müssen rund 1700 Fahrzeuge und 6000 Container wieder in die Heimat gebracht werden. Auch die GTK Boxer, die auf dieser Aufnahme am Observation Point North (OP North) zu sehen sind.
(Foto: Florian Krumbach/Bundeswehr)

4. Die Bundeswehr soll nach 2014 die afghanischen Sicherheitskräften weiter ausbilden und beraten. Aber auch Unterstützungsleistungen werden erforderlich sein. Das Bild entstand im August vergangenen Jahres im Außenposten Hazrat-e Sultan und zeigt afghanische Soldaten eines Infanteriebataillons beim Training.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)


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