Koblenz/Berlin/Düsseldorf/Canberra, Redbank (Australien). Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz hat den Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall beziehungsweise dessen Standorte in Australien mit der Lieferung des „Schweren Waffenträgers Infanterie“ für das Deutsche Heer beauftragt. Nachdem der Haushaltsausschuss des Bundestages die Vorlage am vergangenen Mittwoch (20. März) gebilligt hatte, wurde einen Tag später, am Donnerstag (21. März), der Vertrag mit Vertretern von Rheinmetall Defence Australia in einer digitalen „signing ceremony“ unterzeichnet. Die deutschen Streitkräfte werden laut Government-to-Government-Vertrag bis zu 123 Radpanzer beschaffen. Der Auftragswert liegt Rheinmetall zufolge bei rund 2,7 Milliarden Euro, wobei auch Serviceleistungen einbezogen sind. Ein erstes Referenzfahrzeug soll noch in diesem Halbjahr zu Nachweiszwecken zur Verfügung stehen. Die ersten 19 Serienfahrzeuge werden ab 2025 erwartet, bis 2030 sollen die restlichen 103 Fahrzeuge zulaufen.
Leichte Kräfte der Fallschirmjägertruppe werden mit ungepanzerten Fahrzeugen und Hubschraubern rasch ins Operationsgebiet gebracht. Panzer und Schützenpanzer der Schweren Kräfte sind zwar schlagkräftig und gut gepanzert, können aber nicht überall gleichzeitig sein. Die neu konzipierten Mittleren Kräfte der Bundeswehr vereinen Geschwindigkeit und Feuerkraft. Sie sind zügig zur Stelle und dennoch durchhaltefähig. Um diese Rolle im Deutschen Heer ausfüllen zu können, bekommen die Soldaten mit dem Schweren Waffenträger Infanterie – Bundeswehr-Abkürzung „sWaTrg Inf“ – ein neues Gefechtsfahrzeug. Der sWaTrg Inf wird das bewährte Kettenfahrzeug Wiesel ersetzen (siehe dazu auch unseren früheren Beitrag).
Der Schwere Waffenträger Infanterie basiert auf dem Boxer CRV (Combat Reconnaissance Vehicle), dem Radspähpanzer der australischen Streitkräfte, der ebenfalls von Rheinmetall geliefert wird.
Bei diesem Fahrzeug mit der Typenbezeichnung AUS CRV Recon II handelt es sich um ein 8×8-Gefechtsfahrzeug mit einem Radspähpanzer-Missionsmodul einschließlich des Zwei-Mann-Turms Lance. Als Hauptwaffe dient die Maschinenkanone MK30-2 ABM, die auch im deutschen Schützenpanzer Puma verbaut ist. Daneben ist das Mehrrollenfähige Leichte Lenkflugkörpersystem (kurz MELLS) eingerüstet, das den Schweren Waffenträger Infanterie zur Panzerabwehr befähigen soll.
Gegenüber der australischen Boxer-Variante CRV Recon II werden nur geringe Anpassungen für die Bundeswehr vorgenommen. So unterscheidet unter anderem die Funk- und Führungsausstattung den Schweren Waffenträger Infanterie von der in Australien genutzten Grundversion. Diese Boxer-Basiskonfiguration ermöglicht auch die mittelfristige Versorgung über das logistische System der Bundeswehr.
Nach der Vertragsunterzeichnung sagte Armin Papperger, der Vorstandsvorsitzende der Rheinmetall AG: „Wir sind sehr stolz, mit dem Schweren Waffenträger Infanterie ein wesentliches Element für die neue Kräftekategorie des Deutschen Heeres, die ‚Mittleren Kräfte‘, liefern zu dürfen. Um dem Heer schnellstmöglich die benötigten Gefechtsfahrzeuge zur Verfügung stellen zu können, binden wir nicht nur unsere deutschen, sondern auch die australischen Standorte in unserem Rheinmetall-Netzwerk ein.“
Die für die Bundeswehr bestimmten Radfahrzeuge werden mit Masse unter Nutzung von Produktionskapazitäten des Rheinmetall-Kompetenzzentrums für militärische Fahrzeuge (Military Vehicle Centre of Excellence, MILVEHCOE) in Redbank im Südosten von Queensland gebaut – zusammen mit den für die australischen Streitkräfte produzierten Radspähpanzern.
Hierzu war bereits im vergangenen Jahr eine umfassende deutsch-australische Kooperation auf den Weg gebracht worden. So hatten Bundeskanzler Olaf Scholz und der australische Premierminister Anthony Albanese im Juli 2023 in Berlin am Rande eines Deutschlandbesuchs ein entsprechendes Grundsatzabkommen vereinbart. Zuvor war am 23. März 2023 eine Zusammenarbeitserklärung in Canberra durch den australischen Minister für Verteidigungsindustrie, Pat Conroy, und den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung, Thomas Hitschler, unterzeichnet worden.
Der Rheinmetall-Konzern beschäftigt in Australien mehr als 900 Mitarbeiter und verfügt dort über Hightech-Fähigkeiten und eine Produktionsstätte in Redbank, die Fahrzeuge, Panzer und Elektronik herstellt. In Australien ist Rheinmetall der größte Lieferant von Militärfahrzeugen für die nationalen Streitkräfte.
Abschließend noch ein Blick auf die Vertragssituation zwischen den an diesem großen Beschaffungsdeal beteiligten Parteien. Details dazu nennt eine Pressemitteilung des Koblenzer Beschaffungsamtes vom 21. März. Wie bereits beschrieben, wurde unmittelbar nach der haushälterischen Billigung des Beschaffungsvorhabens der Regierungsvertrag zwischen Deutschland und Australien geschlossen. Die Lieferung der gepanzerten Fahrzeuge erforderte zudem auch einen entsprechenden Produktionsvertrag zwischen der australischen Regierung und Rheinmetall Defence Australia, kurz RDA.
Ein weiterer Vertrag, der zur Unterstützung in der Nutzung dient und eine Verfügbarkeitsgarantie beinhaltet, wird zwischen dem BAAINBw und Rheinmetall Landsysteme (RLS) geschlossen.
Das Vertragswerk für den Schweren Waffenträger Infanterie der Bundeswehr wird schließlich eingerahmt durch einen Vier-Parteien-Vertrag, der verschiedene Themen zwischen allen Beteiligten regelt, darunter auch die Gewährleistung. Finanziert wird das Rüstungsprojekt aus dem Sondervermögen „Bundeswehr“.
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Zu unserer Bildsequenz:
1. Die Bundeswehr beziehungsweise die Teilstreitkraft Deutsches Heer erhält in den Jahren 2025 bis 2030 bis zu 123 Boxer-Radpanzer AUS CRV Recon II.
(Foto: Nicole Dorrett/Australien Government Defense)
2. Die 123 auf der australischen Boxer-Variante AUS CRV Recon II basierenden Fahrzeuge werden von Rheinmetall unter Nutzung der Produktionskapazitäten am „Military Vehicle Centre of Excellence“ in Redbank/Queensland hergestellt.
(Foto: Nadav Harel/Australien Government Defense)
3. Der Schwere Waffenträger Infanterie wird das System Wiesel ersetzen. Der wendige Kleinstpanzer wurde 1990 in die Bundeswehr eingeführt. Er verfügt entweder über eine 20mm-Maschinenkanone oder die Möglichkeit zum Abschuss von Panzerabwehrraketen. Die Aufnahme vom 6. August 2010 zeigt ein Wiesel-Kettenfahrzeug im nordafghanischen Kunduz, ausgestattet mit der Waffenanlage TOW (Tube Launched Optically Tracked Wire Command-link Guided Missile).
(Foto: Walter Wayman/Bundeswehr)
Kleines Beitragsbild: Der neue Boxer-Radpanzer aus Australien dient – als Nachfolgesystem des Waffenträgers Wiesel – der direkten taktischen Feuerunterstützung und weitreichenden Panzerabwehr für die Infanterieverbände der Bundeswehr. Das auch als „Schwerer Waffenträger Infanterie“ bezeichnete Fahrzeug vereint die Fähigkeiten von bisher zwei Wiesel-1-Varianten sowie der zum Munitionstransport eingesetzten Zusatzfahrzeuge in einer Plattform und stellt einen idealen Mix aus hoher Verfügbarkeit, Schutz und Modularität dar.
(Foto: Nicole Dorrett/Australien Government Defense)