menu +

Nachrichten



Wilhelmshaven/Rom/Warschau. Fast ein halbes Jahr lang hat die Besatzung der „Brandenburg“ die Heimat nicht mehr gesehen. Am gestrigen Freitag (8. September) nun ist das Schiff wieder in den Marinestützpunkt Wilhelmshaven zurückgekehrt. Die Fregatte hatte nach ihrem Auslaufen am 20. März als Flaggschiff des ständigen maritimen NATO-Einsatzverbandes 2 zusammen mit den Partnereinheiten das Seegebiet zwischen den östlichen griechischen Inseln und der türkischen Westküste kontrolliert. Hier hatten noch im Jahr 2015 rund 853.000 Menschen versucht, über die sogenannte östliche Mittelmeerroute Europa zu erreichen. Im Jahr 2016 waren es etwa 173.000 Migranten gewesen.

Abgelöst wurde die „Brandenburg“ in der Standing NATO Maritime Group 2 (SNMG 2) von der Fregatte „Lübeck“. Die nationale Übergabe fand am 29. August im Stützpunkt Souda Bay auf der griechischen Insel Kreta statt.

Nach der „Bonn“, der „Karlsruhe“, der „Sachsen“ und der „Brandenburg“ ist die „Lübeck“ das fünfte Schiff unserer Marine, das in die Ägäis entsandt wird. Die Fregatte hatte Wilhelmshaven am 21. August Richtung Mittelmeer verlassen.

Gemeinsam gegen Schlepper und Schleppernetzwerke vorgehen

Auch die „Lübeck“ unterstützt jetzt im NATO-Verband die griechische und türkische Küstenwache sowie die europäische Grenzschutzagentur Frontex in der Ägäis bei der Erstellung eines regionalen Lagebildes. Einsatzziel laut Marine ist es, „Informationsaustausch und Reaktionszeiten zu verbessern, damit nationale Behörden gegen Schlepper und ihre Netzwerke vorgehen“ können. Der Kernauftrag dabei: beobachten und melden!

Die Schiffe und Boote der SNMG 2 haben keine hoheitlichen Befugnisse. Auch haben sie kein Mandat, um Fahrzeuge anzuhalten oder gegen Schleuser vorzugehen – weder in fremden Hoheitsgewässern noch auf hoher See. Entsprechende Möglichkeiten haben lediglich die nationalen Küstenwachen und weitere zuständige Behörden.

Flaggschiff des NATO-Verbandes ist inzwischen der britische Lenkwaffenzerstörer „Duncan“. Er übernahm die Führung der SNMG 2 am 30. Juni in Souda Bay von der Fregatte „Brandenburg“. „Commander of Mission“ und Nachfolger von Flottillenadmiral Axel Deertz ist damit nun Commodore James Morley. Ihm unterstehen neben der „Duncan“ und der „Lübeck“ außerdem noch das Patrouillenboot „Oriku“ (Albanien), das Patrouillenboot „Kusadasi“ (Türkei), das Minenjagdboot „Kallisto“ (Griechenland), das Kanonenboot „Kasos“ (Griechenland) und das Flugkörperschnellboot „Kristallidis“ (Griechenland).

Insgesamt 91 Tage lang Flaggschiff des NATO-Einsatzverbandes

Für die „Brandenburg“ stand die Bündnismission übrigens nicht durchgängig unter einem guten Stern. Das Schiff hatte am Ostermontag (17. April) während des Auslaufmanövers aus dem Hafen von Piräus Grundberührung und wurde beschädigt. Später wurde es mit Unterstützung der griechischen Marine in die Naval Base Salamis gebracht (wir berichteten).

Nach erfolgreicher Instandsetzung in Piräus – beschädigt worden waren die Ruderanlage und der linke Propeller – konnte die „Brandenburg“ am 22. Mai wieder ihren Dienst als Flaggschiff der SNMG 2 aufnehmen. Insgesamt hat die deutsche Fregatte mit Flottillenadmiral Deertz auf der Kommandobrücke den NATO-Verband im Zeitraum 1. April bis 30. Juni geführt.

Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum rund 90 Prozent weniger Migranten

Verlassen wir zum Schluss unseres Beitrages die Ägäis und blicken kurz auf das zentrale und westliche Mittelmeer. Vor allem dort registrieren offizielle Stellen im Moment eine ungewöhnliche Entwicklung. Wie das Innenministerium Italiens Ende August bekannt gab, ging die Zahl der Migranten in den vergangenen acht Wochen deutlich zurück. Im Vergleich zum Vorjahr sollen alleine im Monat August knapp 90 Prozent weniger Flüchtlinge die italienische Küste erreicht haben. Im Zeitraum 1. August bis 25. August kamen laut Ministerium 2932 Flüchtlinge in Italien an, im Vergleichszeitraum 2016 waren es 21.294.

Auch die EU-Grenzschutzagentur Frontex berichtete von diesem Trend, der sich auch auf anderen Fluchtrouten beobachten lässt. In der Pressemitteilung der Organisation vom 14. August heißt es: „Die Gesamtzahl aller nach Europa über die verschiedenen Hauptrouten eingewanderten Migranten ist in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um gut zwei Drittel geringer ausgefallen als im Vergleichszeitraum 2016.“ Ebenso auf der östlichen Mittelmeerroute – dem maritimen Fluchtweg durch die Ägäis und über Land – hätten es von Anfang Januar bis Ende Juli „nur“ rund 15.750 Migranten bis nach Griechenland geschafft. Diese Zahl sei um etwa 90 Prozent niedriger, als jene der ersten sieben Monate 2016.

Hilfswerk Oxfam prangert unmenschliche Zustände in Libyen an

Über die Gründe für den starken Rückgang der Zahlen insgesamt wird spekuliert. Offenbar hat das Ganze hauptsächlich mit Libyen zu tun, dem derzeit wichtigsten Abfahrtsort für Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa wollen. In Libyen herrscht nach jahrelangem Bürgerkrieg Chaos, weite Landesteile werden von bewaffneten Milizen kontrolliert.

Während Frontex und libysche Küstenwache von einem Erfolg maritimer Präsenz sprechen, vermuten Experten die Erklärung direkt an Libyens Küste selbst. Neue bewaffnete Gruppierungen könnten hier den Schleppern das Geschäft erschweren und Flüchtlingsboote am Ablegen hindern. Vor der libyschen Küste wurde zudem ein großes Seegebiet zur „Search and Rescue“-Zone erklärt und Hilfsorganisationen vor dem Befahren gewarnt. Kritiker vermuten allerdings, dass diese Notifizierung einer libyschen SAR-Zone weniger dem Zweck effektiver Seenotrettung, sondern vielmehr der Flucht- und Migrationssteuerung dient.

Libyen ist eines der Haupttransitländer für Flüchtlinge aus Afrika auf dem Weg nach Europa. Was dies für die Migranten bedeutet, enthüllt ein aktueller Bericht der internationalen Entwicklungsorganisation Oxfam. Er erschien am heutigen Samstag (9. September) und spricht von „Folter, Vergewaltigung und Zwangsarbeit“. Wir berichten über die Oxfam-Recherchen gesondert …


Zu unserer Fotoauswahl:
1. Archivbild von der Fregatte „Lübeck“ im südwestlichen Atlantik.
(Foto: Ann-Kathrin Fischer/Bundeswehr)

2. 30. Juni 2017: feierlicher Führungswechsel im Marinestützpunkt Souda Bay, Griechenland. Der britische Lenkwaffenzerstörer „Duncan“ übernimmt an diesem Freitag die Aufgabe als Flaggschiff der SNMG 2 von der Fregatte „Brandenburg“.
(Foto: Paul Hall/NATO HQ MARCOM)

3. Das Archivbild vom 1. Februar 2010 zeigt die Fregatte „Brandenburg“ in See.
(Foto: Ricarda Schönbrodt/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Fregatte „Lübeck“.
(Foto: Ann-Kathrin Fischer/Bundeswehr)


Kommentieren

Bitte beantworten Sie die Frage. Dies ist ein Schutz der Seite vor ungewollten Spam-Beiträgen. Vielen Dank *

OBEN