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Brüssel/München. Die NATO-Agentur für den Bereich „Kommunikations- und Informationssysteme“ (NATO Communication and Information Agency, NCI) kündigte am 26. Juli eine Investitionsinitiative an, bei der es um insgesamt drei Milliarden Euro gehen soll. Ausgebaut werden sollen von der NCI Agency, die NATO-Mitgliedstaaten und ihre Streitkräfte durch die gemeinsame Nutzung von vernetzten Datensystemen und Dienstleistungen miteinander verbindet, vor allem die Bereiche „Cyber“ sowie „Luft- und Raketenabwehr“. Beschafft werden soll auch allerneueste Software. Die massiven NCI-Ausgaben sind vor dem Hintergrund des NATO-Gipfels in Warschau zu sehen. Die Bündnispartner haben dort in ihrer Gipfelerklärung unter anderem vereinbart: „Wir werden gewährleisten, dass die NATO über das gesamte Spektrum an Fähigkeiten verfügt, die für die Abschreckung und Verteidigung gegen jeden potenziellen Gegner und die gesamte Bandbreite an Bedrohungen notwendig sind, die sich dem Bündnis aus allen Richtungen entgegenstellen könnten.“

Die jetzt von der NCI Agency angekündigten Investitionen betreffen – neben dem bereits erwähnten Cyber-Bereich und der Luftverteidigung – die Satellitenkommunikation, die schnelle Eingreiftruppe des Bündnisses (NATO Response Force) sowie den Kommandobereich für komplexe multinationale Operationen.

Die ersten Ausschreibungen wurden bereits durchgeführt. Weitere Ausschreibungen der Agentur werden noch für dieses Jahr und für Anfang 2017 erwartet. Es wird dabei vor allem um einen Großauftrag für die Satellitenkommunikation der NATO im Wert von 1,5 Milliarden Euro gehen, um die Beschaffung von Software und um eine weitere Verbesserung der Luftverteidigung des Bündnisses. Alle Investitionen sollen bis zum Jahr 2019 getätigt werden.

Lange und intensive Partnerschaft zwischen NATO und Industrie

Der Niederländer Koen Gijsbers, General Manager der Agentur, wies bei der Ankündigung der Rüstungsinitiative auf die „starke Partnerschaft zwischen der NATO und der Industrie“ hin. Der Generalmajor a.D. betonte: „Die Kreativität und der Einfallsreichtum unseres privatwirtschaftlichen Sektors haben sich noch immer als eine besondere Quelle der Kraft für das Bündnis erwiesen. Die NATO war dadurch in der Lage, 67 Jahre lang seit ihrer Gründung den technologischen Vorsprung gegenüber dem Gegner zu wahren. […] Der heutige technologische Wandel, dem Industrie und Wirtschaft unterliegen, kann von uns nur dann genutzt werden, wenn wir uns rechtzeitig darauf einlassen. Die NATO kann nur dann widerstandsfähig sein und bleiben, wenn wir die Innovationen des Privatsektors rasch und kontinuierlich nutzen.“

Am 7. und 8. September können sich Industrievertreter und Repräsentanten des Bündnisses übrigens wieder einmal intensiv zum Thema „Cyber-Abwehr“ austauschen. Zum Fachkongress NIAS (NATO Information Assurance & Cyber Defense Symposium) im belgischen Mons werden mehr als 1500 Teilnehmer erwartet.

Kurz noch ein Wort zur NCI Agency selbst. Sie wurde im Juli 2012 aus den Vorgängerorganisationen NC3A (NATO Consultation, Command and Control Agency), NACMA (NATO ACCS Management Agency), NCSA (NATO Communication and Information Systems Services Agency), dem ALTBMD-Programmbüro (ALTBMD = Active Layered Theatre Ballistic Missile Defence) sowie Elementen des NATO-Hauptquartier-Unterstützungsbereichs ICTM (ICTM = Information Communications and Technology Management) gegründet.

Neben dem NCI-Hauptquartier in Brüssel gibt es noch die beiden Hauptstandort in Mons und Den Haag (Niederlande). Insgesamt verfügt die NCI Agency über 25 Niederlassungen in Europa, Nordamerika und Südostasien.

Vor allem die nationalen Netzwerke und Infrastrukturen stärken

Nehmen wir jetzt einmal die „Vereinbarung zur Cyber-Abwehr“ zur Hand, die von den NATO-Ländern am 8. Juli in Warschau verabschiedet wurde. Unter anderem heißt es in dem Dokument: „In Anerkennung der neuen Realitäten bei den Sicherheitsbedrohungen für die NATO vereinbaren [die Staats- und Regierungschefs des Bündnisses] sicherzustellen, dass das Bündnis auf der Höhe der schnellen Entwicklungen im Bereich der Cyber-Bedrohungen bleibt und sich [die NATO-Nationen] im virtuellen Raum genauso gut verteidigen können wie in der Luft, auf dem Land und zur See.“

Vereinbart wurde „mit Vorrang“ auch, „die Stärkung und Verbesserung der Cyber-Abwehrfähigkeiten der nationalen Netzwerke und Infrastrukturen“. Dies werde – zusammen „mit einer ständigen Anpassung der Cyber-Abwehrfähigkeiten der NATO“ als Teil der langfristigen Anpassung der Allianz – die Cyber-Abwehr und die allgemeine Widerstandsfähigkeit des Bündnisses stärken.

Vor dem Hintergrund dieser Generalausrichtung ist jetzt auch der Aufbau des größten Forschungszentrums für den Cyber-Raum der Bundeswehr und des Bundes zu sehen. Dieses ehrgeizige Projekt kündigte am Donnerstag vergangener Woche (28. Juli) bei einer Pressekonferenz zum Thema „Cyber Defence“ Professorin Merith Niehuss, die Präsidentin der Universität der Bundeswehr München, an.

Neues Cyber-Cluster und neuer Masterstudiengang „Cyber-Sicherheit“

Im Rahmen des Aufbaus des neuen Bundeswehr-Organisationsbereichs „Cyber- und Informationsraum“ (CIR), den Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ja am 26. April dieses Jahres in einem Tagesbefehl angekündigt hatte, kommt der Universität in der bayerischen Landeshauptstadt eine besondere Bedeutung zu.

Auf dem Campus soll in den nächsten Jahren ein neues Cyber-Cluster entstehen. Außerdem soll ein neuer internationaler Masterstudiengang „Cyber-Sicherheit“ etabliert werden. Mit diesen Schritten konzentriert die Universität bald Cyber-Kompetenzen in Forschung und Lehre, die bundesweit dann wohl einmalig sein werden. Dazu Niehuss: „Ich freue mich über diese Entwicklung. Wir setzen in Forschung und Lehre auf die Zukunft. Und das ist auch strategisch gesehen der Cyber-Raum. Er beherrscht mit all seinen Chancen und Risiken bereits heute unser Leben privat wie beruflich.“

Laboratorien für digitale Forensik, Malware-Analyse und Cyber-Lagebild

Für das Forschungscluster und den Studiengang muss neues Personal eingestellt werden. Bereits in diesem Sommer sollen elf neue W3-Professuren ausgeschrieben werden. Die neu eingestellten Hochschullehrer sollen dann von 67 wissenschaftlichen Mitarbeitern, Technikern und Verwaltungsangestellten unterstützt werden. Hinzu kommen weitere rund 200 wissenschaftliche „Drittmittel“-Kräfte.

„Um dem neuen Personal ein hochattraktives Forschungsumfeld zur Verfügung zu stellen, werden wir auf dem Campus einen Neubau errichten, der technisch und architektonisch den höchsten Anforderungen entspricht“, verriet Professor Klaus Buchenrieder, Dekan der Fakultät für Informatik, bei der Pressekonferenz. Der Neubau wird mehr als 7000 Quadratmeter groß sein und später einmal diverse Laboratorien für Cyber-Sicherheit aufnehmen (unter anderem für digitale Forensik, Malware-Analyse und Cyber-Lagebild). Der neue Masterstudiengang soll im Januar 2018 mit zunächst 70 Studierenden beginnen.

Einen „Leuchtturm der exzellenten Forschung“ fest etablieren

Das von der Bundeswehr-Universität Anfang Mai 2013 eingerichtete Forschungszentrum Cyber Defence – kurz CODE – stellt einen geeigneten Nukleus als Forschungsschwerpunkt für die Cyber-Verteidigung dar (siehe auch hier und hier). Es bündelt die Innovationskompetenzen von Forschungsinstitutionen, Unternehmen und Providern sowie ziviler und militärischer Cyber-Sicherheit.

Professorin Gabi Dreo Rodosek, Direktorin des Forschungszentrums CODE, erläutert: „Unsere Ziele sind die Etablierung eines Leuchtturms exzellenter Forschung, der Schaffung von Innovationen, der Entwicklung von Demonstratoren, der Beratung und Qualitätssicherung, der Aus- und Weiterbildung sowie der Analyse und Evaluation von Sicherheitstechnologien und -produkten in Hightech-Labors.“

Auch strategisch hat Dreo Rodosek für das Cyber-Cluster konkrete Vorstellungen. Neben der Bündelung vorhandener Innovationskompetenzen soll es sich mit exzellenter Forschung profilieren. Dazu gehört – neben dem neuen Personal – auch die entsprechende Infrastruktur, die eine Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung auf hohem Niveau erlaubt. Geplant sind ferner die anwenderbezogene Entwicklung von Sicherheitstechnologien und Produkten, der Aufbau von Innovation Labs und die Förderung von Unternehmensgründungen. Die Forschung soll der Universität zufolge einmal von fünf Säulen getragen werden: Cyber Defence, Smart Data, Mobile Security, e-Health sowie Schutz kritischer Infrastrukturen.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Die Mitglieder des Nordatlantikrates zu Besuch beim Cyber Defence Centre der NATO im belgischen Mons. Das Gremium unter Führung des Amerikaners Alexander Vershbow, Stellvertreter des NATO-Generalsekretärs, informierte sich dort am 23. Januar 2015 im Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE) über die Abwehrmöglichkeiten des Bündnisses bei Cyber-Angriffen.
(Foto: NATO)

2. Nach der Pressekonferenz am 28. Juli 2016 an der Universität der Bundeswehr München zum Aufbau eines Cyber-Forschungszentrums (von rechts): Professor Klaus Buchenrieder, Professorin Gabi Dreo Rodosek, Professorin Merith Niehuss und der CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Hahn. Auch der Politiker, der Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestages ist, wies darauf hin: „Die Cyber-Abwehr ist für die nationale Sicherheit von großer Bedeutung.“ Nun entstehe der Nucleus für diese Abwehr im Herzen Bayerns.
(Foto: Universität der Bundeswehr München)

Kleines Beitragsbild: Mitglieder des Nordatlantikrates am 23. Januar 2015 in Mons im Cyber-Abwehrzentrum von SHAPE.
(Foto: NATO)


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