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Mainz/Berlin. Die weltweite Vermarktung von geplündertem Kulturgut ist ein Milliardengeschäft. Nach Einschätzung der Bundesregierung handelt es sich dabei um die drittgrößte illegale Erwerbsquelle – nach Rauschgift- und Waffenhandel. Presseberichten zufolge hat die Terrorbewegung „Islamischer Staat“ (IS), die sich offenbar zu erheblichen Teilen aus der Vermarktung von geplünderten Antiken finanziert, mittlerweile sogar ein eigenes „Antiken-Ministerium“. Damit soll die kommerzielle Ausbeutung archäologischer Stätten organisiert werden. In Mainz fand am 10. Juli eine Podiumsdiskussion mit Experten zum Thema „Krieg gegen die Zivilisation – fördert der Handel mit Antiken den internationalen Terror?“ statt. Deutlich wurde auch bei dieser wissenschaftlichen Veranstaltung die Dringlichkeit, mit der die Staatengemeinschaft nun endlich Maßnahmen zum Schutz des kulturellen Erbes der Menschheit ergreifen muss.

Gezielte Vernichtung unschätzbarer Kulturgüter des Welterbes der Menschheit ist seit Jahren Teil eines terroristischen Kulturkampfes. In der Wüstenstadt Timbuktu in Mali beispielsweise zerstörten 2012 Islamisten heilige Grabstätten und 2013 antike Schriften in der Ahmed-Baba-Bibliothek. Auch die Plünderungen im Irak in Nimrud und Hatra oder im Museum von Mossul sowie unlängst der Angriff auf Palmyra in Syrien schockierten weltweit.

Raubgrabungen und Diebstahl von Kulturgütern dienen außerdem in immer stärkerem Maße der Finanzierung von internationalem Terrorismus und der Kriegsführung.

Kriegsverbrechen und Angriff auf das kulturelle Erbe der Menschheit

Am 12. Februar dieses Jahres hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN) auf Drängen der UNESCO in seiner Resolution 2199 (2015) erstmalig die Zerstörung von Kulturgut insbesondere im Irak und in Syrien scharf verurteilt (UNESCO: United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization/Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur).

Gut zwei Monate später, am 21. April, starteten Deutschland und der Irak gemeinsam eine Initiative für eine Resolution der VN-Generalversammlung gegen den Kulturvandalismus des „Islamischen Staates“. Dazu Staatsministerin Maria Böhmer in Berlin: „Es ist höchste Zeit für ein gemeinsames Vorgehen der Weltgemeinschaft zur Rettung des irakischen Kulturerbes vor den barbarischen Taten der Terrorgruppe IS. […] Bei der Zerstörung irakischen Kulturguts handelt es sich um Kriegsverbrechen und um einen Angriff auf das kulturelle Erbe der Menschheit insgesamt, dem wir uns als Internationale Gemeinschaft geschlossen entgegenstellen müssen.“

Auch das Europäische Parlament hat inzwischen reagiert und am 30. April in einer gemeinsamen Entschließung ein hartes Vorgehen gegen die Zerstörung von Kulturgütern durch den IS gefordert. Die Europaparlamentarier haben dabei ebenfalls darauf hingewiesen, dass sich die Terrororganisation auch durch Plünderungen historischer Stätten und Kunstschmuggel finanziert.

Skrupelloser Antiken-Markt füllt seit Jahrzehnten die Kassen von Kriegsparteien

Von der Mainzer Expertenrunde, die das Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM) zusammen mit dem Nahost-Magazin zenith initiierte hatte, wurde nicht nur die zentrale Frage „Fördert der Handel mit Antiken den internationalen Terror?“ diskutiert. Vor allem ging es um praktikable Lösungen, um der Bedrohung konkret zu begegnen. Die eingeladenen Fachleute aus den Bereichen Archäologie, Medien, Politik und Justiz waren sich am Ende des Tages einig, dass die Grundvoraussetzung einer jeden Lösung zum einen „das Bewusstsein für die Gemeinschädlichkeit des Handels mit Antiken zweifelhafter Herkunft“ ist, zum anderen „die Notwendigkeit wirksamer Kulturschutzgesetze“.

Nancy Moses, ehemalige Direktorin des History Museums Philadelphia und Autorin des jetzt erschienenen Sachbuches „Stolen, Smuggled, Sold: On the Hunt for Cultural Treasures“, hat sich die letzten Jahre mit der Problematik von Antiken zweifelhafter Herkunft befasst. Sie appellierte bei der Mainzer Veranstaltung an Antikenhändler und private Sammler, keines dieser Stücke ohne lückenlosen Herkunftsnachweis zu kaufen. Denn während viele Museen mittlerweile nicht mehr bereit seien, solche Objekte zu erstehen, verschwänden viele archäologische Stücke – ihres Fundkontextes und damit ihrer eigentlichen Bedeutung beraubt – in privatem Besitz. Sie schmückten Wohnungen oder Büros oder dienten als Vermögensanlage.

Auch Dr. Michael Müller-Karpe, Archäologe am RGZM, warnte im Laufe der Diskussion mehrfach vor Antiken mit dem Hinweis „Herkunft unbekannt“. Diese Stücke stammten in aller Regel aus krimineller Quelle. Der Wissenschaftler: „Ein Antiken-Markt, der keine unangenehmen Fragen stellt, zerstört nicht nur archäologische Stätten. Er füllt auch seit Jahrzehnten die Kassen von Kriegsparteien, die die Plünderungen in Krisengebieten durchführen. Mit der Beteiligung von Terrororganisationen wie al-Qaida und ,Islamischer Staat‘ an diesem Markt ist eine neue Stufe der Gefährdung unseres archäologischen Erbes erreicht.“

„Mangelndes Bewusstsein bei den Ermittlungsbehörden für die Problematik“

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering erinnerte bei der Podiumsdiskussion daran, dass auch im Koalitionsvertrag das Thema „Terrorfinanzierung durch die Vermarktung geplünderter Antiken“ enthalten sei. Sozialdemokraten und CDU/CSU seien sich darin einig, dass diese kriminellen Aktivitäten unbedingt unterbunden werden müssten. Allerdings brauche man jetzt ein besseres Gesetz. Denn 2008 sei ein zunächst schärfer formulierter Gesetzesentwurf später leider „verwässert“ worden. „Diesmal müsse die Umsetzung der von der UNESCO geforderten Bestimmungen gelingen“, verlangte die Parlamentarierin. Die Öffentlichkeit sei mittlerweile in Sachen Pelz- und Elfenbeinhandel sensibilisiert. „Dies müssen wir auch für den Handel mit illegalen Antiken schaffen“, sagte Müntefering zur erwartetet Novellierung des Kulturgüterschutzgesetzes.

Eckhard Laufer, Kriminalhauptkommissar und Koordinator „Kulturgüterschutz“ beim Hessischen Landeskriminalamt, sieht die Notwendigkeit für bessere Schulungen von Ermittlungsbehörden. Dort bestehe ein mangelndes Bewusstsein für die Problematik, räumte der Beamte ein. Laufer verwies jedoch zugleich auf die Bemühungen, sich untereinander zu vernetzen. Gezeigt habe dies zuletzt eine EUROPOL-Initiative im November vergangenen Jahres (EUROPOL: europäische Polizeibehörde mit Sitz im niederländischen Den Haag).

Überlassen wir Ali Hadi Hameed Al-Bayati, Generalkonsul des irakischen Generalkonsulats (Frankfurt am Main), das Schlusswort der Expertenrunde im Museum in Mainz. Er forderte angesichts der verbrecherischen Aktionen der IS-Terrormiliz eindringlich: „We must all work together to defeat this evil terrorist organization to protect our heritage, the world heritage“ („Wir müssen alle zusammenarbeiten, um diese bösartige terroristische Organisation zu bekämpfen und unser Erbe – das Welterbe – zu beschützen“).

Schutz von Kulturgütern – zusätzliche Aufgabe von Friedensmissionen?

Zwei Tage vor der Mainzer Bestandsaufnahme zum Antikenhandel war in Bonn die Tagung des UNESCO-Welterbekomitees zu Ende gegangen. In einer Erklärung prangert das Komitee die Zerstörung und Plünderung von Welterbestätten als Kriegsinstrument an. Es empfiehlt dem VN-Sicherheitsrat dringend, darüber nachzudenken, wie man künftig den Schutz von Kulturgütern als zusätzliche Aufgabe in Friedensmissionen aufnehmen könnte. „Gezielte und irreversible Zerstörungen unschätzbarer Kulturgüter des Welterbes sind seit Jahren Teil eines terroristischen Kulturkampfes. Sie sind unerträgliche Angriffe auf das kulturelle Gedächtnis der gesamten Menschheit“, beklagte Dr. Verena Metze-Mangold, Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission.

Vor dem Hintergrund andauernder Angriffe auf das Welterbe hat UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokova zudem am 29. Juni die globale Koalition zum Schutz des Kulturerbes „Unite4Heritage“ ins Leben gerufen. Die Koalition soll und will die Zusammenarbeit mit allen Partnern zum Schutz des Welterbes stärken – einschließlich bewaffneter Truppen, Interpol, der Weltzollorganisation, Museen und des Kunsthandels.

Gut zehn Tage zuvor, am 18. Juni, hatte der Deutsche Bundestag bei Enthaltung der Opposition einen Antrag von CDU/CSU und SPD angenommen, das UNESCO-Weltkulturerbe „dauerhaft zu sichern“. Der Bundestag fordert die Bundesregierung jetzt auf, sich dafür einzusetzen, dass die UNESCO-Welterbekonvention „ein glaubwürdiges und effektives Instrument zum Schutz des Weltkulturerbes“ bleibt. Bemühungen zur Eindämmung des illegalen Handels mit Kulturgütern sollten unterstützt werden, so Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Thomas Oppermann im Namen ihrer Fraktionen.


Video-Hinweis: Das Video der Nachrichtenagentur Associated Press (AP), unter anderem veröffentlicht am 4. April 2015 auf YouTube, zeigt die Zerstörung antiker Schätze durch die Terroristen des „Islamischen Staates“ (IS) Anfang März in Hatra. Die Fanatiker haben sich offenbar zum Ziel gesetzt, möglichst das gesamte vorislamische orientalische Kulturerbe zu vernichten. Zuvor waren bereits die Statuen der antiken Stadt Ninive und der von Nimrud durch den IS zerstört worden. Am 7. März 2015 nun sprengten die Terroristen Ruinen in Hatra, einem Zentrum des antiken Partherreiches. Hatra gehört ebenfalls zum Weltkulturerbe.
(Video: AP)

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Zu unserem Bildmaterial:
1. Podiumsdiskussion „Krieg gegen die Zivilisation – fördert der Handel mit Antiken den internationalen Terror?“ am 10. Juli 2015 im Museum für Antike Schifffahrt des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz.
(Foto: Christina Nitzsche/RGZM)

2. Sumerisches Goldgefäß aus dem 3. Jahrtausend vor Christus, das in München sichergestellt werden konnte. Mittlerweile hat es der rechtmäßige Eigentümer, die Republik Irak, zurückerhalten.
(Foto: Michael Müller-Karpe/RGZM)

3. Zabalam: Die Ruine dieser sumerischen Stadt im Süden des Iraks (heute Tell Ibzeikh) hatte rund 5000 Jahre weitgehend unversehrt im Boden überdauert. Sie wurde durch Raubgrabungen – zur Versorgung eines nimmersatten internationalen Antikenmarktes mit Hehlerware – vollständig vernichtet. Jedes einzelne Loch auf dieser Luftaufnahme ist eine Raubgrabung, bis zu zehn Meter tief, teilweise mit horizontalen Stollen.
(Foto: Carabinieri T.P.C. Italia)

4. Nancy Moses, ehemalige Direktorin des History Museum Philadelphia, bei der Mainzer Veranstaltung.
(Foto: Christina Nitzsche/RGZM)

Kleines Beitragsbild: Zerstörung irakischer Antiken durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“.
(Videostandbild: Quelle YouTube/Propagandafilm IS)


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