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Pullach/Berlin. Der Umzug der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND) von Pullach bei München nach Berlin wird den Steuerzahler nach derzeitigem Stand rund 1,9 Milliarden Euro kosten. Dies geht aus dem am 15. Oktober vorgelegten Bericht des Vertrauensgremiums an den Deutschen Bundestag über seine Tätigkeit im Zeitraum Juli 2013 bis Oktober 2015 hervor. Laut dieser „Unterrichtung“ werden die reinen Baukosten der BND-Zentrale in der Hauptstadt wohl 1,04 Milliarden Euro betragen.

Die derzeitigen Gesamtkosten in Höhe von 1,9 Milliarden Euro setzen sich zusammen aus den reinen Baukosten, den Kosten für die Erstausstattung des Gebäudekomplexes in Berlin, dem Umzug (plus weiterer erforderlicher Dienstleistungen) sowie der Verkleinerung des bisherigen BND-Standortes Pullach, der auch nach dem Umzug beibehalten werden soll. Der Umzugsbeginn ist von der Bundesregierung für das Jahr 2017 geplant.

Ursprünglich bewilligtes Budget wird vermutlich am Ende nicht reichen

Das Gremium macht ausdrücklich darauf aufmerksam, dass „zum Ende des Berichtszeitraums […] nach der jüngsten Prognose der Bundesregierung vom Mai 2015 das bisher bewilligte Projektbudget in Höhe von 1,04 Milliarden Euro zum Bauzeitende zumindest weitestgehend aufgebraucht“ sein wird.

„Risiken für eine Überschreitung des bewilligten Gesamtbudgets könnten sich insbesondere aus technischen Sachverhalten der komplexen Inbetriebnahme, weiteren, noch nicht absehbaren Rechtsstreitigkeiten, dem Ausfall von Fachplanern für die technische Gebäudeausrüstung, dem Ausfall in einem Schlüsselgewerk, höheren Honoraransprüchen durch die Novelle der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure sowie Mehrkosten infolge geänderter Arbeitsstättenrichtlinien ergeben“, heißt es in der acht Seiten umfassenden „Unterrichtung“.

Ein riesiger Bürokomplex für rund 4000 BND-Kräfte

Die neue Berliner Zentrale des Bundesnachrichtendienstes befindet sich auf dem Gelände des ehemaligen „Stadions der Weltjugend“ an der Chausseestraße. Der Komplex hat eine Bruttogeschossfläche von insgesamt 260.000 Quadratmetern. Ab Bezug des Gebäudes werden hier einmal rund 4000 BND-Mitarbeiter tätig sein.

Das städtebauliche Gesamtkonzept und der Entwurf des Hauptgebäudes mit zwei Torhäusern stammen von dem Berliner Architekten Jan Kleihues, Kleihues + Kleihues Architekten. Eigentümer des Grundstückes ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Die Bauarbeiten werden durch das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) koordiniert. Der Bundesnachrichtendienst wird das Gebäude mit Inbetriebnahme von der BImA mieten.

Auf seiner Homepage schreibt der Bundesnachrichtendienst über dieses Großprojekt: „Der Umzug […] in die neue Zentrale in Berlin-Mitte stellt einen wichtigen Schritt in die Zukunft dar, für den Bundesnachrichtendienst als Organisation aber auch für seine Mitarbeiter. Öffentlich präsent, in direkter Nähe zu seinen Hauptabnehmern – der Bundesregierung und den Ressorts – wird sich der Bundesnachrichtendienst in der Mitte Berlins neu aufstellen. Die Zusammenführung der verschiedenen Arbeitseinheiten in einem Gebäude verspricht Gewinne an Effizienz und Effektivität und eine weitere Steigerung der Leistungsfähigkeit. Damit wird den Herausforderungen einer zunehmend globalisierten Welt Rechnung getragen.“

Von der Reichssiedlung über die Zeit des Kalten Krieges bis zum heutigen BND

Über den bisherigen Hauptstandort Pullach sind unlängst zwei Publikationen erschienen, die von sich behaupten, einen Blick „hinter die geheimnisvollen Mauern dieses Dienstes“ zu ermöglichen.

Susanne Meinl und Bodo Hechelhammer zeichnen mit ihrer Arbeit „Geheimobjekt Pullach“ die Historie dieses geheimnisumwitterten Komplexes nach, der in den Jahren 1936 bis 1938 ursprünglich als NS-Mustersiedlung für Spitzenfunktionäre der NSDAP errichtet worden war und ab 1942 auch ein Führerhauptquartier „Siegfried“ beherbergte. Im Mai 1945 besetzte die US-Armee den Ort südlich von München, danach arbeitete dort eine alliierte Zensurstelle. Ende 1947 zog die „Organisation Gehlen“ in die Siedlung ein, die zunächst für den Geheimdienst der US-Armee, dann für die CIA arbeitete. 1956 wurde aus ihr der Bundesnachrichtendienst, der von hier aus die Auslandsspionage der Bundesrepublik organisierte.

Für ihre Recherchen nutzten die beiden Autoren zahlreiche Archive und Privatnachlässe. Sie zogen erstmals auch das BND-Archiv heran und sprachen mit Zeitzeugen und ehemaligen Bewohnern des Geländes. Das Buch enthält 228 Abbildungen. Erschienen ist es im Berliner Ch. Links Verlag.

Im Pullacher Rathaus erhältlich ist eine Publikation der lokalen Schriftenreihe. „Pullach, Heilmannstraße – Geschichte eines geheimnisvollen Ortes“ zeigt die Entwicklung des heutigen BND-Geländes von der Reichssiedlung „Rudolf Heß“ bis zur Zentrale des Bundesnachrichtendienstes. Die Veröffentlichung basiert vor allem auf einer früheren Ausstellung des Geschichtsforums Pullach. Die Lektüre lohne sich, so schreiben die Herausgeber, vor allem wegen „der vielen Fotografien und der spannenden historischen Dokumente“.


Hintergrund                           

Der Deutsche Bundestag hat am 29. Januar 2014 in seiner 10. Sitzung das Vertrauensgremium eingesetzt. Seine neun Mitglieder werden vom Bundestag aus dem Kreis der Mitglieder des Haushaltsausschusses gewählt.
Durch eine gesetzliche Regelung erhielt das Vertrauensgremium für seinen Zuständigkeitsbereich die gleichen Kontrollrechte und -instrumente wie das Parlamentarische Kontrollgremium. Die Kontrolltätigkeit des Vertrauensgremiums steht eigenständig und unabhängig neben der Kontrolltätigkeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Beide Gremien verfügen über die gleichen Rechte. Damit aus der Aufgabenabgrenzung zwischen ihnen keine Kontrolllücke erwächst, haben sie wechselseitige Mitberatungsrechte erhalten.
Die Aufgaben des Vertrauensgremiums bestehen im Wesentlichen darin, im Zuge des jährlichen Haushaltsverfahrens die Wirtschaftspläne für die drei Nachrichtendienste des Bundes – Bundesnachrichtendienst (BND), Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und Amt für den Militärischen Abschirmdienst (MAD) – zu beschließen. Es wird dabei vom Bundesrechnungshof unterstützt und beraten. Die Tagungen sind stets geheim.
Das Vertrauensgremium ist verpflichtet, dem Parlament mindestens in der Mitte und am Ende jeder Wahlperiode über seine bisherige Kontrolltätigkeit Bericht zu erstatten.


Das Bildmaterial zeigt eine Außen- und eine Innenansicht vom neuen Berliner BND-Komplex.
(Grafische Darstellungen: Kleihues + Kleihues Architekten)


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