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Eindhoven (Niederlande). Es ist eine Premiere am Himmel: Das Europäische Lufttransportkommando (European Air Transport Command, EATC) führt in diesen Tagen hauptsächlich über den Niederlanden und der Nordsee die erste europäische Luftbetankungsübung durch. Dieses European Air to Air-Refuelling Training (EART 2014) im Zeitraum 31. März bis 11. April hat seinen Ausgangspunkt auf der niederländischen Eindhoven Air Base. Hier ist für die Dauer der multinationalen Übung auch die Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung mit einem Airbus A310 MRTT (Multi Role Transport Tanker) vertreten. Hauptmann Norbert Thomas vom EATC berichtet.

Neben dem deutschen A310 MRTT beteiligen sich an EART 2014 auch ein KDC-10 Tankflugzeug der niederländischen Luftwaffe, bisweilen auch eine italienische Boeing KC-767A oder eine französische KC-135. Die Maschinen fliegen entweder für das Tankertraining des Europäischen Lufttransportkommandos oder aber für die parallel stattfindende Luftwaffenübung „Frisian Flag 2014“ (die Teilnehmer dieser Flag-Übung starten vom niederländischen NATO-Stützpunkt Leeuwarden aus; eingebunden sind hier auch deutsche Eurofighter aus dem Taktischen Luftwaffengeschwader 31 „Boelcke“).

„Frisian Flag“ bietet den operationellen Rahmen, möglichst verschiedene Kampfflugzeuge mit Treibstoff zu versorgen und gleichzeitig die bilaterale Zertifizierung eines Betankungsvorgangs zu ermöglichen. 2013 beispielsweise wurde ein Betankungsverfahren einer deutschen Airbus-Maschine mit einer finnischen F-18 „Hornet“ erfolgreich durchgeführt. Dieses Jahr ist unter anderem das Zertifizierungsverfahren eines spanischen Eurofighters mit dem neuen italienischen Tankflugzeug Boeing KC-767A vorgesehen.

Noch mangelt es an Flugzeugen und nationenübergreifender Erfahrung

Die Idee zu einer ersten rein europäischen Tankerübung rührt her aus den Erfahrungen des internationalen Militäreinsatzes über Libyen im Jahr 2011. Auch wenn dieser Einsatz insgesamt erfolgreich verlief, sind doch die Defizite im Bereich der Luftbetankung klar erkannt worden. Es hatte sich insbesondere herausgestellt, dass die Tankerbesatzungen und Besatzungen der Kampfjets zu wenig Detailkenntnisse voneinander besaßen und daher während der Luftbetankungsszenarien über dem Mittelmeer bisweilen Abstimmungsprobleme auftraten.

Im Jahr 2012 bestätigten die europäischen Verteidigungsminister am Rande einer Veranstaltung der European Defence Agency (EDA) den Mangel an Tankerflugzeugen – derzeit verfügen nur sechs europäische Länder über eigene Tankerkapazitäten. Thematisiert worden war bei diesem Treffen auch die mangelhafte internationale Abstimmung bei Luftbetankungsvorgängen auf Besatzungsebene.

Die EDA implementierte daraufhin vier Arbeitsfelder mit dem Ziel, die Luftbetankung in Europa bis zum Ende dieser Dekade deutlich zu verbessern. Das Europäische Lufttransportkommando auf der Eindhoven Air Base – integriert in der deutschen Luftwaffenstruktur mit einem Personalanteil von rund 60 Bundeswehrsoldaten auf der Air Base – ist für eines dieser Arbeitsfelder verantwortlich. Eingesetzt wurde eine EATC-Arbeitsgruppe, die nach zunächst kurzfristigen Lösungen zur Verbesserung der Gesamtsituation suchte.

Einer der Arbeitsgruppenvorschläge – das Air to Air-Refuelling Training – wurde vor Kurzem von der EDA befürwortet. Die Übung EART 2014 soll zum einen möglichst viele Tanker mit Kampfjets zusammenzubringen, damit diese Vorgänge später entsprechend zertifiziert werden können. Zum anderen soll EART 2014 auf der Eindhoven Air Base die Rahmenbedingungen für einen fachlichen Austausch der internationalen Tankerbesatzungen schaffen.

Auslegersystem oder das System „Sonde und Fangtrichter“?

Mit dem Mangel an Tankflugzeugen und Erfahrung ist es aber nicht getan. Das Problem hat noch eine weitere Dimension: Die vorhandenen Tanker sind hinsichtlich der Betankungsverfahren sehr verschieden.

Auf der einen Seite gibt es Tanker mit einem „Boom“ (steuerbarer Ausleger), die den Treibstoff durch ein Teleskoprohr in das Empfängerflugzeug übertragen. Andere Tankflugzeuge wie etwa der Airbus A310 MRTT arbeiten mit dem „Hose and Drogue“-Verfahren (Schlauch und Korb). Dabei fährt das Betankungsflugzeug einen Schlauch aus, an dessen Ende sich der Korb mit dem Betankungsstutzen befindet. Der anfliegende Kampfjet muss nun in einem nicht einfachen Anflugmanöver seinen Betankungsausleger in den Korb platzieren, um den Betankungsvorgang starten zu können.

Neben den deutschen Kampfflugzeugen „Tornado“ und „Eurofighter“ werden beispielsweise auch die neueren französischen Kampfflugzeuge „Mirage 2000“ und „Rafale“ mit dem „Hose and Drogue“-System versorgt. Auch alle anderen Tornado- und Eurofighter-Muster aus Spanien, Italien, Großbritannien sowie die Saab „Gripen“ aus Schweden erhalten in der Luft ihren Treibstoff auf diese Art.

Die mit einem „Boom“ ausgerüsteten Tanker versorgen vor allem US-amerikanische Kampf- und Transportflugzeuge, die aber auch bei verschiedenen NATO-Staaten Verwendung finden (hier insbesondere die F-16 „Fighting Falcon“, die beispielsweise von den Belgiern, Griechen, Italienern, Niederländern, Norwegern und Portugiesen geflogen wird).

Rund 160 Flugzeuge für den taktischen und strategischen Lufttransport

Das Europäische Lufttransportkommando koordiniert seit seiner Indienststellung in Eindhoven am 1. September 2010 die assignierten Lufttransportflotten der Partnernationen Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Niederlande. Fachlich führt es damit – aus deutscher Sicht – die Lufttransportgeschwader (LTG) 61 (Landsberg/Penzing), LTG 62 (Wunstorf) und LTG 63 (Hohn) sowie die „graue Flotte“ der Flugbereitschaft BMVg mit ihren Airbus A310 MRTT und PAX (PAX ist die internationale militärische Bezeichnung für Passagiere).

Am 28. November 2013 erreichte das multinationale Kommando den Status „Full Operational Capability“ (FOC). Mit heute insgesamt 160 verfügbaren Flugzeugen für den taktischen und strategischen Lufttransport hat sich das EATC zu einer festen Größe in Europa entwickelt.

Für die deutsche Luftwaffe, die ab Juli 2014 wieder den Kommandierenden General beim EATC stellen wird, ist das Kommando in vielerlei Hinsicht ein Gewinn. Der Nachfolger des ehemaligen Lufttransportkommandos Münster ermöglicht unserer Luftwaffe durch die EATC-Mitgliedschaft auch den Zugriff auf die Transportflugzeuge der anderen Nationen – also auch auf deren Tanker. Mit dem Beitritt Spaniens zum EATC ebenfalls ab Juli dieses Jahres können dann auch spanische Tankerkapazitäten vom Typ Lockheed Hercules C-130 TK und Boeing B707 in Anspruch genommen werden.

Mittel- bis langfristig werden auch A400M anderer Nationen mit Betankungsausrüstung die Tankerflotte des EATC (damit auch die deutsche Luftwaffe) verstärken. Geplant ist außerdem zum Ende dieser Dekade die Einführung des Airbus A330 MRTT bei der spanischen und französischen Luftwaffe. Auch die bereits benannte Boeing KC-767A könnte bald für unsere Luftwaffe zugänglich sein, denn Italien hat bereits sein Interesse an einer EATC-Mitgliedschaft bekundet.

Die Abhängigkeit von US-Kapazitäten verringert sich

Die Bezahlung der geleisteten Flugdienste findet übrigens nicht monetär statt, sondern durch einen Ausgleich der Flugstunden. So kann beispielsweise der Flug eines ausländischen Tankers für Deutschland dadurch verrechnet werden, indem die Bundeswehr Lufttransporte für andere Nationen übernimmt. Das dabei zur Anwendung kommende Wechselsystem heißt ATARES (Air Transport, Air-to-Air Refuelling and Other Exchange of Services) und wird mittlerweile von knapp 20 Nationen praktiziert.

Insgesamt hat sich die deutsche Luftwaffe durch den Beitritt zum EATC unabhängiger von kommerziellen Drittanbietern gemacht. Außerdem verringert sich in operationeller Hinsicht auch nach und nach die Abhängigkeit von US-amerikanischen Tankerkapazitäten. Dies ist für die Europäer umso wichtiger, weil die USA bereits eine Schwerpunktverlagerung ihren sicherheits- und militärpolitischen Interessen in den Pazifischen Raum angekündigt haben.

Europa hat darauf reagiert und arbeitet nun darauf zu, seine operationelle Unabhängigkeit bei der Luftbetankung zu verbessern. Nur mit ausreichenden und jederzeit verfügbaren europäischen Luftbetankungskapazitäten lassen sich auch strategisch weiter entfernte Einsatz- und Lufträume – siehe Afghanistan – schneller erreichen, erschließen und nachhaltig sichern.



Zur Bildauswahl „Luftbetankungsübung EART 2014“:
1. Ein deutscher Airbus A310 MRTT versorgt einen französischen Kampfjet mit Treibstoff.
(Foto: Luftwaffe)

2. Eingerastet! Der Betankungsausleger des Eurofighters liegt im Korb des A310 MRTT.
(Foto: Marc Thöne/Luftwaffe)

3. Im Bildvordergrund ist unter dem Flügel eine Betankungssonde zu sehen, von der aus ein bis zu 23 Meter langer Schlauch zum Empfängerflugzeug ausgerollt werden kann.
(Foto: Norbert Thomas/EATC)

4. Die Zukunft hat bereits begonnen – zwei Militärtransporter A400M während einer Luftbetankung.
(Foto: Airbus Defence and Space)

5. EATC-Gebäude auf der Eindhoven Air Base.
(Foto: Airbus Defence and Space)


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