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Berlin/Kahramanmaras (Türkei). Bundeswehrsoldaten werden weiter zum Schutz des NATO-Partners Türkei vor Angriffen aus Syrien eingesetzt. Das Parlament stimmte am 29. Januar dem Verbleib der beiden deutschen Patriot-Flugabwehrraketenstaffeln an der türkisch-syrischen Grenze mit großer Mehrheit zu. Das Mandat „Active Fence“ ist nun bis zum 31. Januar 2015 befristet und gilt für insgesamt 400 deutsche Soldaten. Derzeit (Stand 12. Februar 2014) sind 281 Angehörige der Bundeswehr im Türkei-Einsatz.

An der namentlichen Abstimmung im Deutschen Bundestag beteiligten sich 601 Abgeordnete. Mit Ja stimmten 523 Parlamentarier, mit Nein 71. Es gab sieben Enthaltungen. Damit war der Antrag der Bundesregierung zur „Fortsetzung der Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verstärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO (in der Türkei)“ vom 8. Januar dieses Jahres angenommen. Grundlagen dieses Antrages waren ein Ersuchen der Türkei sowie das Recht auf kollektive Selbstverteidigung (Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen) und der NATO-Beschluss vom 4. Dezember 2012.

Die einsatzbedingten Zusatzausgaben für die Fortsetzung der Bundeswehr-Beteiligung an der Operation „Active Fence“ werden für den Zeitraum 1. Februar 2014 bis 31. Januar 2015 rund 19,5 Millionen Euro betragen. Sie werden aus dem Verteidigungsetat bestritten (Haushaltsjahr 2014 rund 17,9 Millionen Euro, Haushaltsjahr 2015 rund 1,6 Millionen Euro).

Potenzielle Bedrohung durch das Nachbarland Syrien

In seiner Beschlussempfehlung zu dem Regierungsantrag stellte der Auswärtige Ausschuss am 27. Januar ebenfalls noch einmal die Ausgangslage für diesen Auslandseinsatz dar. In dem Dokument heißt es unter anderem: „Die Türkei ist als Nachbarstaat Syriens nach wie vor der vom Syrienkonflikt am stärksten betroffene NATO-Partner. Syrische Raketen können einen großen Teil des türkischen Territoriums erreichen. Da die Türkei über keine eigenen Fähigkeiten zur Abwehr ballistischer Raketen verfügt, ist sie in besonderer Weise einer potenziellen Bedrohung durch den Nachbarn Syrien ausgesetzt.“

Trotz der fortschreitenden Beseitigung des syrischen Chemiewaffenprogramms bleibe hinsichtlich sonstiger chemischer Kampfstoffe ein Restrisiko, so der Ausschuss weiter. Die Weiterverbreitung sowie ein militärischer oder terroristischer Einsatz dieser Waffen könne nicht vollkommen ausgeschlossen werden. Die Präsenz der NATO-Flugabwehrraketensysteme habe die Türkei bislang vor grenzüberschreitenden Angriffen mit Raketen von syrischem Territorium aus geschützt und damit dazu beigetragen, die Ausbreitung des syrischen Bürgerkrieges zu verhindern.

Enge Kooperation mit den Niederlanden und den USA

Die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses weisen ebenfalls darauf hin, dass die Verstärkung der integrierten NATO-Luftverteidigung in der Türkei eine ausschließlich defensive Maßnahme ist. „Sie soll als Mittel militärischer Abschreckung verhindern, dass sich der Konflikt von Syrien auf die Türkei ausweitet. Zur Abschreckung gegen die von syrischen ballistischen Raketen ausgehende Bedrohung bedarf die Türkei auch weiterhin der Unterstützung durch die NATO im Rahmen von ,Active Fence‘. Die türkische Regierung hatte deswegen am 8. November 2013 beim Nordatlantikrat um Verlängerung des Einsatzes gebeten.“

Die deutschen Patriot-Systeme und ihr Bedienungspersonal sind seit der Verlegung in die Türkei dem Alliierten Oberbefehlshaber der NATO (Supreme Allied Commander Europe, SACEUR/seit dem 13. Mai 2013 ist dies US-General Philip M. Breedlove) unterstellt. Die Stationierung der deutschen Feuereinheiten erfolgte in enger Kooperation mit den Niederlanden und den USA, die beide ebenfalls ihre Einsätze fortsetzen wollen. Die Niederländer sind in Adana/Incirlik stationiert, die US-Amerikaner in Gaziantep.

Einen entfesselten und enthemmten Krieg in Grenzen halten

Im Laufe der Beratungen des Regierungsantrages und der entsprechenden Ausschussempfehlungen äußerten sich Vertreter der Koalition und der Opposition zu „Active Fence“. So erklärte der SPD-Politiker Rolf Mützenich: „Die Verlängerung des Patriot-Mandats wird den Bürgerkrieg in Syrien weder beenden noch anfeuern. Es geht in erster Linie um einen Beitrag im Bündnis und um den Versuch, einen ohnehin entfesselten und enthemmten Krieg nicht weiter zu entgrenzen.“

Die Patriot-Einheiten verteidigten zudem keine Regierung und keine politischen Handlungen, sondern Flüchtlinge, deren Helfer und letztlich die Menschen, die in diesem Gebiet entlang der türkisch-syrischen Grenze wohnten, sagte Mützenich weiter. „Es soll durch Abschreckung geschützt werden.“

Eingebettet in ein größeres Krisen- und Konfliktmanagement

Roderich Kiesewetter (CDU) erinnerte in der Debatte auch an eine weitere Dimension dieses Bundeswehreinsatzes. „Diese Operation ist in ein größeres Krisen- und Konfliktmanagement eingebettet … Wir Deutschen leisten auch einen Beitrag im Bereich der humanitären Hilfe, der Übergangshilfen, der Krisenbewältigung und des Konfliktmanagements. Die Kosten unseres Einsatzes bei ,Active Fence‘ betragen rund 20 Millionen Euro im Jahr, während die der humanitären Hilfe, der Übergangshilfen, im Bereich des Konfliktmanagements und der zivilen Krisenprävention über 400 Millionen Euro jährlich betragen. Wir zeigen damit, dass wir einen mehrfachen Beitrag leisten und uns mit einer beispielhaften vernetzten Sicherheitspolitik für die Türkei einbringen.“

Giftgas-Risiko wurde in den vergangenen Monaten „deutlich minimiert“

Der CSU-Abgeordnete Reinhard Brandl beschrieb in seinem Redebeitrag die Bedrohungslage im türkisch-syrischen Grenzgebiet. Er sagte: „Auf türkischem Gebiet gab es seit Ausbruch des (syrischen) Bürgerkriegs (bis November vergangenen Jahres) 309 Verletzte und 94 tote Zivilisten. Unsere Patriot-Systeme sind seit einem Jahr im Einsatz; in diesem Jahr haben die Systeme mehr als 300 Abschüsse von Kurzstreckenraketen (auf syrischer Seite) festgestellt.“

Dass die Menschen im türkischen Teil des Grenzgebietes ebenfalls große Angst hätten, sei verständlich. „Sie wissen nie, ob die Rakete Giftgas mit sich führt. Dieses Risiko konnte allerdings im letzten Jahr deutlich minimiert werden – auch mit deutscher Hilfe,“ so Brandl.

Wachablösung im anatolischen Kahramanmaras

Parallel zur Verlängerung des Bundestagsmandats für „Active Fence“ erfolgte im türkischen Kahramanmaras auch ein Kontingentwechsel. 128 Soldaten der Flugabwehrraketengruppe 26 (Husum) und des Flugabwehrraketengeschwaders 1 „Schleswig-Holstein“ (ebenfalls Husum) wurden abgelöst von Kameraden aus Mecklenburg-Vorpommern, hauptsächlich von der Flugabwehrraketengruppe 21 (Sanitz). Kontingentführer ist jetzt Oberst Stefan Drexler, der Oberst Bernd Stöckmann nachfolgte.

Den Kommandowechsel in der Gazi-Kaserne befehligte Brigadegeneral Peter-Georg Stütz, Chef des Stabes im Einsatzführungskommando der Bundeswehr. In seiner Ansprache warnte Stütz: „Die sicherheitspolitische Situation in der Region des Nahen und Mittleren Ostens ist fragil. Der innersyrische Konflikt – gerade mal 100 Kilometer südlich von hier – wird trotz aller internationalen Bemühungen mit großer Härte weitergeführt.“ Auch wenn die Vernichtung des syrischen Chemiewaffenarsenals voranschreite, so verfüge das Nachbarland doch noch immer über Raketen, mit denen ein großer Teil des türkischen Territoriums erreicht werden könne.



Unser Bild zeigt das Flugabwehrraketensystem Patriot bei „Rapid Arrow 2008“. Die Übung fand auf dem NATO-Schießplatz NAMFI (NATO Missile Firing Installation) der griechischen Insel Kreta statt.
(Foto: Peter Müller/Bundeswehr)


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