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Berlin. Psychisch kranke Soldaten sollen zukünftig schneller einen „zivilen“ psychotherapeutischen Behandlungsplatz bekommen. Dazu unterzeichneten das Verteidigungsministerium und die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) am 9. September eine entsprechende Vereinbarung. Diese trat am 16. September in Kraft.

Soldaten mit psychischen Erkrankungen können nun in einem geregelten Verfahren auch Psychotherapeuten in Privatpraxen konsultieren. BPtK-Präsident Rainer Richter erklärte dazu: „Traumatisierte Soldaten werden damit deutlich leichter einen ambulanten Behandlungsplatz finden. Sie sind nicht mehr ausschließlich auf die überlaufenen Praxen der für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Psychotherapeuten angewiesen.“

Bislang warten Patienten bei Psychotherapeuten mit einer Kassenzulassung durchschnittlich drei Monate auf ein erstes Gespräch. In ländlichen Regionen, in denen sich auch zahlreiche Bundeswehrstandorte befinden, sind mehr als sechs Monate Wartezeit die Regel. Der Vertrag mit der BPtK schafft erstmals eine rechtliche Grundlage für die Behandlung von Soldaten durch Psychotherapeuten auch in Privatpraxen. Bisher war dafür eine aufwendige Einzelfallprüfung notwendig gewesen.

Interessierte Fachärzte werden besonders geschult

Die Kammer wird die Bundeswehr dabei unterstützen, eine ausreichende Anzahl von Psychotherapeuten für die Versorgung ihrer betroffenen Soldaten zu finden. Außerdem sind spezielle Fortbildungsveranstaltungen für Psychotherapeuten geplant. Zu den vereinbarten Rahmenbedingungen gehört auch das Thema „Vergütung des Privatarztes“. In der Pressemitteilung der BPtK heißt es: „In der Regel wird für die Behandlung eine Vergütung in Höhe des zweifachen Satzes der Gebührenordnung (GOÄ) gezahlt, was in etwa der Vergütung in der gesetzlichen Krankenkasse entspricht.“ Für Soldaten, die von kassenärztlich zugelassenen Psychotherapeuten behandelt werden, ändert sich durch die neue Vereinbarung nichts. Ihre Behandlung wird bereits in einem Vertrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit der Bundeswehr geregelt.

Wehrbeauftragter legte den Finger in die Wunde

Auf die unzureichende psychotherapeutische Versorgung von Soldaten hatte in der Vergangenheit mehrfach auch der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages aufmerksam gemacht. In seinem Jahresbericht 2012, der im Januar dieses Jahres vorgestellt worden ist, kritisiert Hellmut Königshaus: Es komme „immer wieder vor, dass Soldatinnen oder Soldaten von Truppenärzten Probesitzungen bei Therapeuten verschrieben bekommen, eine Langzeittherapie aber von der Bundeswehr als nicht genehmigungsfähig abgelehnt wird, weil diese Therapeuten nicht über die erforderliche Zulassung verfügen. Die Betroffenen müssen sich dann einen neuen Therapeuten suchen. Bereits entstandene Vertrauensverhältnisse werden so obsolet. Solche Situationen sind für die durch ihre Traumatisierung schon genug belasteten Soldatinnen und Soldaten unzumutbar und unbedingt zu vermeiden.“

Dritter Partner im Klinikzentrum Westerstede

Eine weitere Verbesserung ihres Behandlungsangebotes für Soldaten mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) erhofft sich die Bundeswehr auch von einer Kooperation in Westerstede. Hier in der niedersächsischen Gemeinde bilden bereits seit dem 1. Juli 2008 das Bundeswehrkrankenhaus Westerstede und die Ammerland-Klinik im Klinikzentrum Westerstede einen erfolgreichen Fachverbund. Ein weiterer Partner wird jetzt hinzukommen – die Karl-Jaspers-Klinik, ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie.

Die Karl-Jaspers-Klinik wird auf dem Zentrumsgelände eine Facheinrichtung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie aufbauen. Diese soll eine Kapazität von 40 Betten haben. 30 sollen zivile Patienten zur Verfügung stehen, zehn sind reserviert für Soldaten mit PTBS. Die Vertragsunterzeichnung fand am 16. September in Anwesenheit von Thomas Kossendey, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung, statt.

Ein wichtiger Eckpfeiler im Behandlungskonzept

Die neue Fachklinik, die 2016 ihre Arbeit aufnehmen soll, ist bundesweit die erste Kooperation dieser Art zwischen der Bundeswehr und einem psychiatrischen Krankenhaus. Staatssekretär Kossendey sagte in Westerstede: „Der heutige Tag ist ein Meilenstein, für dessen Vorbereitung viele Menschen intensiv gearbeitet haben. Dafür danke ich, insbesondere im Namen unserer Soldatinnen und Soldaten. Die Kooperation mit der Karl-Jaspers-Klinik wird in Zukunft ein wichtiger Eckpfeiler auch bei der Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen sein.“

Der Kooperationsvertrag regelt auch die Aus-, Fort- und Weiterbildung von ärztlichem und nicht-ärztlichem Personal der Bundeswehr in der neuen Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie.

Der Truppe fehlen erfahrene Psychiater und Psychotherapeuten

Die im September zwischen Ministerium und Bundespsychotherapeutenkammer getroffene Vereinbarung hält der Wehrbeauftragte grundsätzlich für einen Fortschritt, aber gleichzeitig erinnert er die Bundeswehr auch an ihre Fürsorgepflichten. Hellmut Königshaus sagte dem bundeswehr-journal: „Der Vertragsschluss mit der Bundespsychotherapeutenkammer ist im Interesse der psychisch einsatzgeschädigten Soldatinnen und Soldaten sehr zu begrüßen. Dadurch werden weitere Behandlungsoptionen eröffnet. Dies darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Fürsorgeverantwortung vorrangig bei der Bundeswehr liegt. Sie muss Therapiemöglichkeiten anbieten, die den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen gerecht werden. Dies gilt insbesondere dort, wo eine Behandlung nur mit Verständnis für die besonderen Bedingungen im Auslandseinsatz möglich ist. Der Vertragsschluss löst die Problematik der Vakanzen im Bereich der Psychiater und Psychotherapeuten mit entsprechender Erfahrung innerhalb der Bundeswehr nicht.“


Die beiden Aufnahmen zeigen:
1. 9. September 2013 – Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung zwischen dem Verteidigungsministerium und der Bundespsychotherapeutenkammer.
(Foto: BPtK)

2. 16. September 2013 – in Westerstede unterzeichneten Vertreter der Bundeswehr und der Karl-Jaspers-Klinik einen Vertrag über den Aufbau einer Fachklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie auf dem Gelände des Klinikzentrums Westerstede.
(Foto: Bundeswehr)


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