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Berlin.(Afghanistan). Es ist ein ehrgeiziges Projekt, das da am 28. Januar 2013 in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) in Berlin-Pankow gestartet wurde: Alle deutschen Sicherheitsgesetze, beschlossen nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, sollen jetzt kritisch hinterfragt werden. Gebildet wurde dazu eine Regierungskommission, die an diesem Montag ihre Arbeit aufnahm. Viel Zeit bleibt den Experten nicht, bereits im Frühsommer sollen Ergebnisse präsentiert werden. Zudem bewegt sich das Gremium in einem extremen Spannungsfeld, denn im Kern geht es um die Frage „Mehr Sicherheit und weniger Datenschutz?“.

Die Auftaktveranstaltung im Historischen Saal der BAKS leiteten Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Beide haben auch den Vorsitz dieser Regierungskommission. Der Kommission gehören namhafte Experten an: die ehemalige Generalbundesanwältin Professor Monika Harms, der frühere Vizepräsident des Deutschen Bundestages Dr. Burkhard Hirsch, Professor Dr. Heinrich Amadeus Wolff von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder und Professor Dr. Matthias Bäcker von der Universität Mannheim. Die wissenschaftlichen Sachverständigen unterstützt je ein Fachreferent aus den beiden Ministerien.

Rechtsterroristische Szene setzt neue Prioritäten

Die Kommission hat die Aufgabe, die Entwicklung der Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung in Deutschland insbesondere seit dem 11. September 2001 aus rechtsstaatlicher Sicht rechtlich und rechtspolitisch zu bewerten. Dabei soll sie ermitteln, welche Schlussfolgerungen sich daraus für eine künftige gesetzliche Ausgestaltung und Absicherung der Aufgaben und Befugnisse der Sicherheitsbehörden auf Bundesebene ergeben. Die Einrichtung der Regierungskommission war im August 2011 vom Bundeskabinett beschlossen worden. Auf Wunsch von Bundeskanzlerin Angela Merkel werden die aktuellen Erkenntnisse nach der Aufdeckung der rechtsterroristischen Mordserie der „NSU“ mit in die Arbeit einbezogen (NSU: Zwickauer Terrorzelle, die sich selbst als „Nationalsozialistischer Untergrund“ bezeichnet hatte). Ein Vertreter der Bund-Länder-Kommission „Rechtsextremismus“ wird daher bei den Sitzungen des Gremiums anwesend sein.

Es ist Zeit für einen „Kassensturz“

Bei den Gesetzespaketen, das Gros nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung unter Federführung ihres Innenministers Otto Schily mit CDU-Unterstützung eilig beschlossen, geht es um die vielen Maßnahmen der Terrorismusbekämpfungsgesetze, der Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetze, der Telekommunikationsüberwachungen, der Antiterrordatei. Es geht um die Befugnisse der Sicherheitsbehörden. In einem Gespräch mit der Deutschen Welle brachte Kommissionsmitglied Hirsch den Regierungsauftrag folgendermaßen auf den Punkt: Die Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung seit den Anschlägen der al-Qaida in den USA 2001 hat „zu einer wichtigen Veränderung polizeilicher Tätigkeiten und der Nachrichtendienste geführt – und es wird höchste Zeit, einmal Kassensturz zu machen und sich zu fragen, ob alles rechtsstaatlich verantwortbar war – oder ob wir in Richtung Überwachungsstaat wandern“.

Die Grundsatzpositionen des Bundesinnenministers und der Bundesjustizministerin sind voneinander (noch) weit entfernt. Im Vorfeld der Auftaktveranstaltung war in den Medien vom „Uneinigkeit“ und sogar von „koalitionsinternen Streitigkeiten“ die Rede. CSU-Politiker Friedrich – die Sicherheit fest im Blick – plädiert für „mehr Gesetze“. Freidemokratin Leutheusser-Schnarrenberger will „abgespeckte“ Gesetze und Sicherheitsstrukturen. Es ist fast schon eine ideologische Auseinandersetzung…

Eine veränderte Bedrohungslage in Deutschland?

Zum Auftakt des Projekts erklärte Friedrich: „Die Regierungskommission hat die Aufgabe, die einschlägige Gesetzgebung losgelöst vom politischen Tagesgeschäft zu beleuchten. Wir erhoffen uns aus der Arbeit Hinweise darauf, welche zusätzlichen gesetzlichen Grundlagen und Werkzeuge unsere Sicherheitsbehörden im Kampf gegen jede Form des Terrorismus noch benötigen – rechtsstaatlich bedenkenlos, effizient und systematisch stimmig.“ Im Deutschlandfunk hatte der Bundesinnenminister zuvor bereits dargelegt, warum er „zusätzliche“ Gesetze für nötig hält: die Bedrohungslage – beispielsweise durch die Ereignisse in Mali oder das Wirken radikal-islamistischer Salafisten in Deutschland – habe sich nachteilig verändert, so die Argumentation.

Sicherheitsbehörden unter der Lupe

Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sagte zur Einsetzung der Kommission: „Fokus der Untersuchung soll eine kritische Gesamtschau der verschiedenen Behörden und ihres Zusammenwirkens sowie der Entwicklung ihrer Aufgaben und Befugnisse sein – insbesondere unter dem Gesichtspunkt von Überschneidungen und Mehrfachzuständigkeiten. Im Zentrum wird auch die Entwicklung der Gesetzgebung zur Bekämpfung des Terrorismus stehen. Die Erkenntnisse werden in Empfehlungen für die Gesetzgebung und für die weitere Entwicklung der Sicherheitsstruktur in Deutschland münden, sowohl bezogen auf den Aufgabenzuschnitt der Behörden als auch auf ihre materiellen Befugnisse. Die Kommission wird auf dieser Grundlage die Entwicklung der Eingriffsbefugnisse und ihrer rechtsstaatlichen Absicherung unter Berücksichtigung der Eingriffstiefe und Streubreite analysieren und kritisch bewerten.“


Unser Bild entstand bei der
Auftaktveranstaltung der Regierungskommission „Sicherheitsgesetzgebung“ in der Berliner Bundesakademie für Sicherheitspolitik – im Vordergrund die beiden Bundesminister.
(Foto: BAKS)


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