Berlin/Juba (Südsudan)/El Fasher (Sudan). Der Deutsche Bundestag hat am 28. November in seiner dritten Sitzung in namentlicher Abstimmung die Bundeswehreinsätze im Südsudan und im westsudanesischen Darfur um ein weiteres Jahr verlängert. Beide Mandate wurden mit einer breiten, eindeutigen parlamentarischen Mehrheit ausgestattet.
Der Südsudan hatte sich am 9. Juli 2011 nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg vom Sudan abgespalten. Das Land gilt immer noch als instabil und unterentwickelt – die von den Vereinten Nationen (VN) geführte Friedensmission soll den Aufbau von Staat und Institutionen unterstützen und Zivilisten schützen.
Mit 541 Ja-Stimmen nahm der Bundestag am 28. November den Antrag der Bundesregierung an, die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der VN-Friedensmission im Südsudan (United Nations Mission in the Republic of South Sudan, UNMISS) bis längstens Ende 2014 zu verlängern. 60 Abgeordnete stimmten mit Nein, es gab zwei Enthaltungen. Die parlamentarische Zustimmung zu dieser Bundeswehrmission hatte es erstmals am 8. Juli 2011 gegeben.
Eingesetzt werden können maximal 50 Bundeswehrangehörige. Im Augenblick arbeiten 22 deutsche Soldaten im VN-Hauptquartier in der südsudanesischen Hauptstadt Juba (Stand 27. November). UNMISS umfasst zurzeit insgesamt 7633 uniformierte Kräfte aus 68 Ländern (davon 6802 Soldaten, 149 Verbindungsoffiziere und 682 Polizisten), 881 zivile Experten, 1334 Ortskräfte sowie 400 VN-Freiwillige. Zuletzt hatten die Vereinten Nationen ihr UNMISS-Mandat am 11. Juli dieses Jahres bis zum 15. Juli 2014 verlängert.
Die Bundesregierung begründete ihren Antrag auf Verlängerung der UNMISS-Beteiligung der Bundeswehr damit, dass knapp zweieinhalb Jahre nach seiner Unabhängigkeitserklärung der Südsudan weiterhin vor großen Herausforderungen stehe. Der Antrag schildert mit deutlichen Worten den aktuellen Zustand des jungen Staates: „Die wirtschaftliche Situation ist von extremer Unterentwicklung geprägt. Humanitäre Notlagen sowie eine fragile Sicherheitslage prägen das Bild in verschiedenen Regionen des Landes. Die staatliche Verwaltung in Südsudan ist ebenso wie die wirtschaftliche und soziale Infrastruktur weiterhin nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Ihr Aufbau und die politische Stabilisierung der internen Situation bedürfen weiterhin intensiver Unterstützung durch die Internationale Staatengemeinschaft.“
Nach der Unabhängigkeit, so der Antrag weiter, gehe es für die südsudanesische Regierung in erster Linie darum, wirtschaftliche und innenpolitische Stabilität herzustellen. Gleichzeitig müsse ein angemessener, friedlicher Ausgleich mit Sudan erreicht werden. Eine Kernaufgabe bleibe, Schutz und Sicherheit für die eigene Bevölkerung zu gewährleisten sowie ihr möglichst schnell eine glaubhafte Perspektive zur Verbesserung der Lebensbedingungen aufzuzeigen.
Weiterhin sei es für die Zukunft des neuen Staates entscheidend, dass demokratische Menschenrechts- und Rechtsstaatsstandards wirksam implementiert und eingehalten werden. Für diesen gesamten Komplex von Herausforderungen bleibe Internationale Unterstützung für Südsudan auf längere Sicht erforderlich.
Das deutsche Engagement bei UNMISS ist Teil der langjährigen Bemühungen der Bundesregierung um eine dauerhafte Konfliktbeilegung und Friedenskonsolidierung in Sudan und Südsudan. Sie argumentiert: „Die Präsenz von UNMISS sowie die enge Kooperation mit der Mission stellen eine wichtige Bedingung für die Wirksamkeit des deutschen bilateralen sowie des europäischen Engagements in Südsudan dar. Angesichts der vielfältigen Herausforderungen sowie der schweren Ausgangsbedingungen für Südsudan geht es für die internationale Gemeinschaft als Ganzes darum, ein mögliches Abgleiten Südsudans in einen gescheiterten Staat in einer ohnehin fragilen Region mit den negativen regionalen und globalen Folgen zu verhindern. Knapp zweieinhalb Jahre nach der Staatswerdung ist die internationale Begleitung Südsudans regionalpolitisch damit von großer Bedeutung. Eine geordnete und stabile Entwicklung dieses jungen Landes ist Bedingung für die Stabilität der ostafrikanischen Region.“
Die einsatzbedingten Zusatzausgaben für die Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an UNMISS beziffert die Bundesregierung für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2014 auf rund 962.000 Euro.
Insgesamt betrachtet ist der Südsudan ein Schwerpunkt deutscher Auslandshilfe. In den Aufbau staatlicher und rechtsstaatlicher Strukturen sowie in verschiedene Entwicklungshilfeprojekte investierte Berlin bislang rund 27,5 Millionen Euro. Hinzu kommen rund 8,1 Millionen humanitäre Soforthilfe sowie Mittel in Höhe von 10,4 Millionen Euro Übergangshilfe (für die Ernährungssicherung, Bildung, Hygiene und den Aufbau sozialer und produktiver Infrastrukturen). Etwa 75 Millionen Euro stammen aus verschiedenen Töpfen für die bilaterale staatliche Entwicklungszusammenarbeit. Multilaterale Institutionen und die Europäische Union leisten mit rund 285 Millionen Euro ebenfalls einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung des Südsudan.
Am Nachmittag des 28. November billigte der Bundestag auch die weitere deutsche Beteiligung an der internationalen Friedensmission UNAMID (African Union/United Nations Hybrid Operation in Darfur). Die von VN und Afrikanischer Union geführte Mission in der westsudanesischen Krisenregion Darfur soll das Friedensabkommen von 2006 umsetzen und dabei besonders die Sicherheit der Bevölkerung vor bewaffneten Überfällen gewährleisten. Die Bundeswehr ist derzeit mit zehn Soldaten an UNAMID beteiligt (Stand 27. November). Das erste Mandat des Bundestages für diesen Auslandseinsatz der Bundeswehr begann am 15. November 2007.
Für die Verlängerung der UNAMID-Bundeswehrmission bis längstens Ende 2014 stimmten 512 Parlamentarier, 56 stimmten dagegen, zwei enthielten sich. Bis zu 50 deutsche Soldatinnen und Soldaten können in diesen Einsatz entsandt werden. Die einsatzbedingten Zusatzausgaben für die weitere Beteiligung an UNAMID betragen laut Bundesregierung für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2014 rund 513.000 Euro.
An der Friedensmission in Darfur beteiligen sich im Moment 46 Nationen. Sie stellen 19.327 uniformierte Kräfte (14.480 Soldaten, 357 Militärbeobachter und 4490 Polizisten) und 1061 zivile Experten. Hinzu kommen 416 Freiwillige der Vereinten Nationen und 2955 örtliche Kräfte.
Im Fall der UNAMID-Mandatsverlängerung für die Bundeswehr erklärt die Bundesregierung in ihrem Antrag: „Die Lage in Darfur bleibt weiterhin angespannt. Die immer wieder aufflammenden Kämpfe zwischen Regierungstruppen, Rebellen und Milizen sowie eine hohe Bedrohung durch schwere Gewaltkriminalität belasten die unverändert prekäre humanitäre Lage der Zivilbevölkerung in Darfur zusätzlich. Trotz der Umsetzung des Friedensabkommens von Doha von 2011 gelingt eine Befriedung dieses Gebietes bislang nicht. Neben Kämpfen mit nach wie vor friedensunwilligen Rebellen kommt es vermehrt zu Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Ethnien um Ressourcen wie Bodenschätze und Weideland … Mit einer nachhaltigen Verbesserung der Sicherheitslage in Darfur ist nur dann zu rechnen, wenn eine umfassende politische Lösung für den Darfur-Konflikt gefunden wird.“
Durch das Engagement Deutschlands soll insbesondere die Situation der Flüchtlinge und der örtlichen Bevölkerung in den Konfliktgebieten verbessert werden. Die Hilfe für die von den Auseinandersetzungen betroffenen Menschen sowie für die Flüchtlinge im benachbarten Tschad und in der Region zählt nach wie vor zu den Schwerpunkten der humanitären Unterstützung und der entwicklungsfördernden und strukturbildenden Übergangshilfe der Bundesregierung.
Aufgabe von UNAMID ist es außerdem, die unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union geführten Friedensverhandlungen zu unterstützen. UNAMID trägt im Rahmen des Möglichen durch verstärkte Patrouillentätigkeiten und durch die Präsenz in den Flüchtlingslagern zu einer Verbesserung der humanitären Lage bei.
Die Bundesregierung unterstreicht in ihrem Antrag abschließend noch einmal die Bedeutung des deutschen Darfur-Beitrages: „Die deutsche Beteiligung an UNAMID ist ein wichtiges Zeichen, insbesondere an die Vereinten Nationen und die Afrikanische Union, dass Deutschland das internationale Engagement in Darfur unterstützt. Mit diesem Engagement wird den Friedensanstrengungen der internationalen Gemeinschaft für Darfur zum Erfolg verholfen. Das deutsche Engagement stärkt mittelbar auch afrikanische Peacekeeping-Fähigkeiten und trägt zur Stabilisierung des Verhältnisses zwischen Sudan und Tschad bei.“ UNAMID bleibe bis auf Weiteres als stabilisierendes Element zur Verbesserung der Sicherheitslage in Darfur und zur Begleitung der politischen Bemühungen um ein Ende der dortigen Krise unverzichtbar, so die Bundesregierung.
Im Jahr 2013 belief sich die humanitäre deutsche Hilfe für Darfur auf bislang rund fünf Millionen Euro, wobei neben Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheits- und Ernährungslage auch Projekte der Fluthilfe und Katastrophenvorsorge finanziert wurden. Zusätzlich stellte Deutschland für Maßnahmen der Versöhnung und für die Unterstützung der Zivilgesellschaft in Darfur im Sudan in diesem Jahr zwei Millionen Euro zur Verfügung.
Zusätzlich zu den deutschen militärischen und polizeilichen Beiträgen zu UNAMID fördert die Bundesregierung Projekte zur Unterstützung der Arbeit dieser Mission. So unterstützte und unterstützt das Auswärtige Amt die Förderung der Vorbereitung afrikanischer Polizisten für Einsätze bei UNAMID bislang mit rund 1,73 Millionen Euro. Weitere 18,5 Millionen Euro investierte das Auswärtige Amt in den Jahren 2011 bis 2013 in das Programm „Stärkung der Funktionsfähigkeit von Polizeistrukturen in Afrika“.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat am 30. Juli dieses Jahres mit seiner Resolution 2113 (2013) das UNAMID-Mandat bis zum 31. August 2014 verlängert. Mit einer weiteren Verlängerung wird gerechnet. Dass beide Missionen im Sudan nicht ungefährlich sind, zeigen die Verlustbilanzen. Seit Beginn der beiden Einsätze (Friedensmission in Südsudan am 9. Juli 2011 und Hybridoperation in Darfur am 31. Juli 2007) starben 17 UNMISS- und 181 UNAMID-Angehörige – Militär- und Polizeikräfte, Militärbeobachter, zivile Experten und Ortskräfte.
Unser Bildangebot:
1. Blauhelmsoldaten feiern am 24. Oktober 2013 in der südsudanesischen Hauptstadt Juba den „Tag der Vereinten Nationen“.
(Foto: Martine Perret/UNMISS/Vereinte Nationen)
2. Bundesstaat Jonglei im Südsudan: Flüchtlinge auf dem Weg zu einer Hilfseinrichtung der Vereinten Nationen in Gumuruk.
(Foto: Martine Perret/UNMISS/Vereinte Nationen)
3. Patrouille der UNMISS-Friedenstruppe.
(Foto: Norm McLean/Canadian Forces Combat Camera)
4. Konvoi der Vereinten Nationen auf einer Patrouillenfahrt im Westen Darfurs.
(Foto: Albert González Farran/UNAMID/Vereinte Nationen)
5. Flüchtlingslager bei Zam Zam im Norden Darfurs. Viele Campbewohner flohen vor den Kämpfen zwischen Regierungstruppen und sudanesischen Rebellen im Osten des Landes. Die Aufnahme entstand im Mai 2013.
(Foto: Albert González Farran/UNAMID/Vereinte Nationen)
6. Kämpfer der „Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit“ („Justice and Equality Movement“, JEM). Diese Rebellengruppe tritt auf in Darfur und im Osten des Nachbarlandes Tschad.
(Foto: UNAMID/Vereinte Nationen)
7. Gefährlicher Sudan: Angehörige der UNAMID-Polizeieinheit erweisen drei gefallenen senegalesischen Kameraden die letzte Ehre und begleiten deren Särge zum Rückflug in das Heimatland.
(Foto: Albert González Farran/UNAMID/Vereinte Nationen)