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Kabul/Washington/Berlin/Lohheide. 17 Jahre dauert nun schon der Krieg der Internationalen Gemeinschaft und der Kabuler Regierung gegen die radikalen Islamisten in Afghanistan. Inzwischen ist das Pendel des Kriegsglücks auf halbem Weg erstarrt: Weder können Taliban, al-Qaida und andere Terrormilizen bezwungen werden, noch können all diese Aufständischen den Kampf im Land gewinnen. Ein Patt in alle Ewigkeit? US-Präsident Donald Trump macht nach wie vor keinen Hehl daraus, die Truppen vom Hindukusch lieber heute als morgen abziehen zu wollen. Dennoch hat er beim NATO-Gipfel in Brüssel im Juli zugestimmt, die am 1. Januar 2015 in Afghanistan unter der Bezeichnung „Resolute Support“ angelaufene Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmission bis 2024 zu verlängern. Nun soll der 57 Jahre alte Austin „Scott“ Miller den Status quo der erbitterten Auseinandersetzung beenden – mit diplomatischem Geschick und zugleich militärischer Entschlossenheit. Der bisherige Kommandierende General des Spezialkräfte-Oberkommandos (United States Joint Special Operations Command, JSOC) ist neuer NATO-Oberbefehlshaber der „Resolute Support Mission“ und der amerikanischen Streitkräfte in Afghanistan. General Miller übernahm am heutigen Sonntag (2. September) das Kommando von John W. „Mick“ Nicholson Jr., der seit dem 2. März 2016 die Truppen am Hindukusch befehligt hat.

In Anwesenheit hochrangiger Gäste und Vertreter der 39 bei „Resolute Support“ beteiligten Nationen kündigte Miller beim Kommandowechsel im Hauptquartier der NATO-Mission in Kabul an: „Wir haben harte Entscheidungen vor uns.“ Um die Voraussetzungen für eine „politische Aussöhnung“ – sprich für Frieden – zu schaffen, sei militärischer Druck notwendig. Und: „Wir müssen absolut sicherstellen, dass terroristische Gruppierungen Afghanistan nie wieder als sicheren Hafen missbrauchen können.“

Der General übernimmt den Oberbefehl über die NATO-Truppen in Afghanistan zu einer Zeit, in der das Land unter einer verheerenden Dürre leidet, voller Sorgen auf die bevorstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen blickt und die Taliban etwa 14 Prozent der 407 afghanischen Distrikte kontrollieren (119 Distrikte sind nach wie vor umkämpft und nicht in der Hand der einen oder anderen Kriegspartei). Bereits während seiner Anhörung in Washington D.C. vor dem US-Senat im Rahmen der Berufung auf den hohen Posten nach Afghanistan hatte Miller die Erwartungen gedämpft: „Ich kann Ihnen für den weiteren Verlauf unserer militärischen Operationen dort keinen Zeitplan noch ein finales Datum nennen. Alles was ich weiß ist, dass ein Abzug der USA aus Afghanistan extremistische Gruppen wie den ,Islamischen Staat‘ darin nur ermutigen würde, Anschläge auf amerikanischem Boden durchzuführen.“

Die von US-Präsident Trump angestrebte Wende blieb bislang aus

Millers scheidender Vorgänger Nicholson, der den Oberbefehl in Kabul vor zweieinhalb Jahren übernommen hatte, war verantwortlich für die Umsetzung der seit Sommer 2017 geltenden neuen Strategie der Trump-Administration für Afghanistan. Es wurden Tausende zusätzliche US-Soldaten an den Hindukusch entsandt, zugleich die Bombardierungskampagne gegen die Taliban verstärkt und Pakistan unter Druck gesetzt, im Kampf gegen die Aufständischen nachhaltig zu helfen. Bislang blieb die von Trump beabsichtigte Wende aus.

In seiner Abschiedsrede pochte Nicholson dennoch auf Teilerfolge wie etwa den Aufwuchs der afghanischen Luftwaffe oder den Aufbau afghanischer Kommandoeinheiten von ursprünglich 30 Kompanien auf inzwischen 45. Er schloss mit den Worten: „Ein dauerhafter Frieden in Afghanistan ist in unser aller Interesse. Er würde nicht nur das Leiden der afghanischen Bevölkerung beenden. Friede in Afghanistan würde zugleich die gesamte Welt sicherer machen.“

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte zum Tag der Kommandoübergabe in Kabul eine Grußbotschaft geschickt. Darin hieß es: „Ich freue mich auf die enge Zusammenarbeit mit General Miller als neuem Kommandeur unserer ,Resolute Support Mission‘ und danke General Nicholson für seine hervorragenden Dienste.“ Stoltenberg versicherte darüber hinaus, dass die NATO weiterhin entschlossen die afghanischen Sicherheitskräfte unterstützen werde. Die beim Kommandowechsel anwesenden Vertreter der afghanischen Regierung – Innenminister Wais Ahmad Barmak und der Nationale Sicherheitsberater Hamdullah Mohib – werden dieses erneute Versprechen aus Brüssel erfreut vernommen haben.

Zahlreiche Führungsverwendungen im Bereich der US-Spezialkräfte

General Austin S. Miller war, wie eingangs schon erwähnt, bis zu seiner Ernennung als Commander der NATO- und US-Truppen in Afghanistan Chef des JSOC. In dieser Eigenschaft beaufsichtigte er die verschiedenen Missionen der amerikanischen Eliteeinheiten, etwa die des „Teams 6“ der Navy Seals oder der Delta Force der Armee.

Der am 15. Mai 1961 auf Hawaii geborene Infanterieoffizier bekleidete im Laufe der Jahre nicht nur zahlreiche Führungsverwendungen im Bereich der US-Spezialkräfte, er nahm auch an etlichen Kampfeinsätzen teil, so in Somalia, Bosnien, im Irak und in Afghanistan. In Somalia und im Irak wurde er verwundet. Nach dem 11. September 2001 gehörte Miller zu den ersten GIs, die am Hindukusch gegen al-Qaida und Taliban kämpften. Ab 2013 befehligte er Spezialoperationen in Afghanistan (seine Berufung zum Nachfolger Nicholsons hatten wir bereits im Mai thematisiert).

Lange Jahre bei ISAF in herausgehobenen Positionen

Zurück nach Deutschland. Ein Bundeswehroffizier, der in Afghanistan markante Fußspuren hinterlassen hatte, ist am 30. August mit einem Großen Zapfenstreich in den Ruhestand verabschiedet worden. Das höchste militärische Zeremoniell fand auf dem NATO-Truppenübungsplatz Bergen-Hohne vor dem Schloss Bredebeck zu Ehren von Generalleutnant Carsten Jacobson statt, Kommandeur Einsatz und Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres. Jacobson war unter anderem in den Jahren 2014 bis 2015 Stellvertreter des Kommandeurs der International Security Assistance Force (ISAF), davor – 2011 bis 2012 – war er Sprecher der ISAF-Mission gewesen.

Im Vorfeld des Großen Zapfenstreiches hatte ein Appell in der Niedersachsen-Kaserne in Lohheide stattgefunden, bei dem Heeresinspekteur Jörg Vollmer das Kommando über das deutsche Feldheer von Generalleutnant Jacobson an dessen Nachfolger Generalleutnant Johann Langenegger übertragen hatte. Langenegger war zuletzt ein Jahr lang als Chef des Stabes der „Resolute Support Mission“ in Afghanistan eingesetzt gewesen.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Kommandoübergabe am 2. September 2018 im NATO-Hauptquartier der „Resolute Support Mission“: General Austin S. Miller (links) übernimmt die Fahne von seinem Vorgänger, General John W. Nicholson (rechts). In der Mitte der italienische General Riccardo Marchio, seit Februar 2018 Oberbefehlshaber des Allied Joint Force Command im niederländischen Brunssum. Eine der Hauptaufgaben des JFC Brunssum ist die Ausführung und Unterstützung von NATO-Operationen, darunter die Mission „Resolute Support“ in Afghanistan.
(Foto: Sharida Jackson/U.S. Air Force/Resolute Support Mission)

2. General Miller bei seiner Ansprache nach Übernahme des Kommandos über die NATO- und US-Truppen in Afghanistan.
(Foto: Sharida Jackson/U.S. Air Force/Resolute Support Mission)

3. Das Hintergrundbild zeigt einen Ausbilder der Bundeswehr beim „Tactical Air Coordinator Course“ auf dem Flugplatz Balkh. Bei diesem Kurs lernen die Teilnehmer die Aufklärung eines Zieles, die Zielzuweisung an einen Piloten und das Heranführen der Maschine aus vorgeschobener Stellung zum Ziel.
(Foto: Resolute Support Mission; Lokalisierung Grafik und Bildmontage: mediakompakt)

4. Am 30. August 2018 mit dem Großen Zapfenstreich in den Ruhestand verabschiedet: Heeresgeneral Carsten Jacobson, der auch lange Zeit in Afghanistan diente. Das Bild zeigt ihn in seiner Funktion als Sprecher von ISAF bei einer Pressekonferenz am 14. Mai 2012 in Kabul.
(Foto: Christian Valverde/Französische Marine/HQ ISAF Public Affairs Office)

Kleines Beitragsbild: Zum Abschluss des Kommandowechsels die NATO-Hymne – (von links) General Joseph Votel, Oberbefehlshaber des United States Central Command, neben ihm die Generäle Miller (Mitte) und Nicholson.
(Foto: Sharida Jackson/U.S. Air Force/Resolute Support Mission)


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