menu +

Nachrichten



Berlin. Die Bundeswehr hat „insgesamt bisher 33 Unfälle und drei schwere Zwischenfälle mit dem Drohnensystem LUNA“ hinnehmen müssen. Dies teilte am 17. Juni der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung Thomas Silberhorn auf eine Anfrage der Linken mit. 13 LUNA-Drohnen habe man im Flug durch Kontrollverlust verloren, 15 beim Landevorgang und fünf während des Startvorganges, so Silberhorn.

Die Schriftliche Frage kam von dem Bundestagsabgeordneten Tobias Pflüger. Der Politiker, der sich auffallend oft mit den unbemannten Luftfahrzeugsystemen (Unmanned Aircraft System, UAS) der Bundeswehr befasst, erkundigte sich bei der Bundesregierung nach den LUNA-Verlusten vor dem Hintergrund des Absturzes eines Exemplars am 28. Mai in der Nähe von Cröchern im Landkreis Börde in Sachsen-Anhalt.

Die regionale Tageszeitung Volksstimme widmete dem Vorfall am 31. Mai einen längeren Beitrag. Redakteur David Schröder schrieb, dass zum Zeitpunkt des Absturzes, für den „höchstwahrscheinlich ein technischer Defekt“ verantwortlich war, die Luftlandeaufklärungskompanie 260 aus Lebach auf dem Truppenübungsplatz Altmark in der Colbitz-Letzlinger Heide geübt habe. Das „fliegende Auge der Truppe“ LUNA (steht für „Luftgestützte Unbemannte Nahaufklärungsausstattung“) sei nach dem Verlust des Funksignals bei Cröchern in einem Waldgebiet abgestürzt. Nach Angaben eines Presseoffiziers vom Gefechtsübungszentrum des Heeres sei die Drohne „irreparabel beschädigt“, berichtete der Redakteur. Der Schaden betrage „mehrere 100.000 Euro“.

Bundestagsabgeordneter Pflüger wollte wissen, „welche über [diese] Zeitungsmeldung weitergehenden Informationen“ das Verteidigungsministerium zum Absturz der LUNA-Drohne „des nunmehr in Besitz des israelischen Rüstungskonzerns Rafale übergehenden Herstellers EMT“ (siehe hier) mitteilen könne. Der Politiker erkundigte sich dann danach, „wie viele LUNA der Bundeswehr damit insgesamt verlustig gegangen [sind]“.

Komplettverlust ist definiert durch „irreparable Beschädigung der Zelle“

Wie Staatssekretär Silberhorn mitteilte, befand sich die Flugunfalluntersuchung LUNA für den Absturz bei Cröchern zum Zeitpunkt der Regierungsantwort (17. Juni) immer noch im Stadium der Voruntersuchung. Alle Informationen und Fakten – wie etwa die Analyse der aufgezeichneten Telemetrie- und Video-Daten sowie Zeugenanhörungen – würden noch ausgewertet, so Silberhorn. Über die in den Medien veröffentlichten Aussagen hinaus könnten daher zum aktuellen Zeitpunkt noch keine weiteren Erkenntnisse mitgeteilt werden

Nach Angaben des CSU-Politikers sind bisher 33 Unfälle (der Kategorie A) und drei schwere Zwischenfälle (der Kategorie B) mit LUNA und LUNA-X2000 verzeichnet worden. Dabei seien 33 Luftfahrzeuge zerstört worden. Diese Unfälle beziehungsweise Verluste verteilen sich Silberhorn zufolge wie folgt: 13 im Flug durch Kontrollverlust, 15 beim Landevorgang, fünf während des Startvorganges. Von den insgesamt 36 „Vorkommnissen“ hätten sich 23 im Einsatzflugbetrieb im Ausland ereignet und 13 bei Flugbetrieb auf Truppenübungsplätzen.

Der Staatssekretär wies in seiner Antwort abschließend darauf hin, dass auch für die Bundeswehr-Drohnen vom Typ LUNA ein Verlust des Luftfahrzeugs nicht durch Beschädigung von leicht austauschbaren Einheiten, sondern in der Regel durch irreparable Beschädigung der Zelle definiert ist.

Öffentlichkeit jahrelang über das Ausmaß von Drohnen-Verlusten getäuscht?

Verwirrung herrscht nach wie vor über die Verlustangaben des Ministeriums zum Drohnentyp LUNA. Spricht die neueste Auskunft der Bundesregierung beziehungsweise des Verteidigungsministeriums jetzt von 33 Unfällen und drei schweren Zwischenfällen mit diesen Systemen, so gibt es auch andere Zahlen.

So erkundigte sich Paul Schäfer, Mitglied des Bundestages von 2005 bis 2013 und damaliger Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuss, kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Parlament bei der Bundesregierung: „Wie viele UAS des Typs LUNA der Bundeswehr sind seit 2003 jeweils im Verlauf von Übungs- oder Einsatzflügen verloren gegangen und/oder schwer beschädigt worden?“ Das Verteidigungsministerium teilte am 7. Juni 2013 mit: „Mit Stand 27. Mai 2013 wurden mit dem UAS LUNA insgesamt 6949 Flüge durchgeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt sind insgesamt 52 UAS des Typs LUNA abgestürzt, davon sind 26 Abstürze technisch, elf Abstürze durch Bedienungs-/Organisationsfehler sowie neun umweltbedingt begründet. Die Ursache von sechs Abstürzen ist unbekannt.“

In ihrer Antwort auf eine erneute Nachfrage der Linken („Hält die Bundesregierung an der Aussage fest, dass zwischen 2003 und 2013 ,52 UAS LUNA abgestürzt‘ sind, und wenn nicht, aus welchen Gründen kam es zu der fehlerhaften Aussage?“) sorgte dann das Wehrressort knapp sieben Wochen später für eine Überraschung – statt 52 LUNA-Verlusten gab es nur noch einen Komplettschaden. Dies las sich in der Regierungskorrektur dann so: „In der Antwort der Bundesregierung vom 7. Juni 2013 wurden 52 Ereignisse im Rahmen von Übungs- oder Einsatzflügen thematisiert, bei denen ein UAS des Typs LUNA zerstört wurde oder seither als vermisst gilt.“ Aus 52 mach 1 …

Verärgert über diese „Täuschung des Verteidigungsministeriums über das Ausmaß von Drohnen-Verlusten“ zeigte sich damals die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Thomas Gutschker, heute Auslandskorrespondent der FAZ, kritisierte am 29. Juni 2013 heftig die bisweilen zweideutigen und widersprüchlichen Zahlenangaben des Wehrressorts und sich verwirrende ministerielle Sprechererklärungen. Er fragte das Ministerium: „Sag mir, wo die Drohnen sind!“ Man wird das Gefühl nicht los, als ob auch die aktuellen offiziellen Verlustangaben zum unbemannten Aufklärungssystem LUNA irgendwie wieder nicht ganz schlüssig sind …


Zu unserem Bildmaterial:
1. Einsatz der unbemannten Aufklärungsdrohne LUNA am Bundeswehr-Außenposten „OP North“ („Observation Post North“/„Beobachtungspunkt Nord“). Der Außenposten, den die deutschen Soldaten während des ISAF-Einsatzes nutzten, lag beziehungsweise liegt etwa 15 Kilometer nördlich der Provinzhauptstadt Pol-e Chomri in der Provinz Baghlan. Die Aufnahme vom 6. April 2013 zeigt Soldaten des LUNA-Zuges bei der Vorbereitung des Systems für den Start.
(Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr)

2. Die Grafik visualisiert die 33 LUNA-Verluste, die die Bundeswehr laut Verteidigungsministerium „insgesamt bisher“ verbuchen musste.
(Hintergrundbild: Andrea Bienert/Bundeswehr; Infografik © Christian Dewitz/mediakompakt 07.21)

Kleines Beitragsbild: Aufklärungsdrohne LUNA am 7. April 2013 im Landeanflug beim OP North.
(Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr)


Kommentieren

Bitte beantworten Sie die Frage. Dies ist ein Schutz der Seite vor ungewollten Spam-Beiträgen. Vielen Dank *

OBEN