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Montreal (Kanada)/Stolberg. Seit fast 60 Jahren gibt es die CAE in Deutschland. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Montreal bildet militärische und zivile Piloten weltweit aus. Die Bundeswehr ist hierzulande der Hauptkunde. CAE will nun in neue Gebiete vorstoßen – dazu gehören das Synthetic Environment, die F-18 und die Krisenprävention.

Die in Stolberg beheimatete CAE GmbH, Tochtergesellschaft des kanadischen Konzerns CAE Inc. (CAE: Canadian Aviation Electronics), hat erst vor Kurzem im niedersächsischen Nordholz mit dem Bau eines Ausbildungszentrums für die fliegenden Besatzungen des neuen Marinehubschraubers NH90 Sea Lion begonnen. Der erste Spatenstich für den Gebäudekomplex erfolgte am 10. Dezember (wir berichteten).

Das bundeswehr-journal sprach vor Kurzem mit Vice President Global Defence and Security, Marc-Olivier Sabourin, sowie mit dem Europa-Chef Defence Niels Kröning.

Stolberg – erste Niederlassung des Unternehmens CAE außerhalb Kanadas

Im diesem Jahr feiert die CAE 60 Jahre Präsenz in Deutschland. Herr Sabourin, welche Rolle spielt Deutschland und der Firmensitz in Stolberg innerhalb der global agierenden CAE?
Marc-Olivier Sabourin: Deutschland ist und bleibt ein sehr wichtiger Markt für uns. Seit Jahrzehnten sind wir Partner der Bundeswehr bei Ausbildung und Training von Piloten. Erst vor wenigen Monaten haben wir einen neuen Vertrag mit der Bundeswehr geschlossen: CAE wird zusätzliche Simulatoren zur Ausbildung der Eurofighter-Besatzungen liefern. Im Dezember 2020 fand zudem der Spatenstich für ein neues Interimstrainingszentrum in Nordholz statt. Hier übernehmen wir nach Auslieferung der Simulatoren die Ausbildung der fliegenden Besatzungen des neuen Marinehubschraubers NH90 Sea Lion sowie die Wartung vor Ort. Wir als CAE können von uns sagen, dass wir der einzige Spezialanbieter in der Welt sind, der sich komplett auf Training und Ausbildung konzentriert.

Niels Kröning: In der Firmenzentrale von CAE in Montreal weiß man sehr genau, wo der zugegebenermaßen kleine Ort Stolberg liegt. Denn wir sind ein wichtiger Teil der Erfolgsgeschichte des globalen Unternehmens. Seit fast 60 Jahren führen wir von Stolberg aus unsere Aktivitäten in Europa. Stolberg war die erste Niederlassung des Unternehmens außerhalb Kanadas. Das macht uns als deutsche Mitarbeiter sehr stolz. Marc-Olivier, da wirst Du mir nicht widersprechen, oder? …

Sabourin: … im Gegenteil. Ich selbst habe ja bis vor Kurzem noch in Stolberg gelebt und dort viele Jahre gearbeitet. Meine Familie und ich haben uns dort immer sehr wohlgefühlt. Vor wenigen Wochen sind wir zwar in unser Heimatland Kanada zurückgekehrt, das hatte aber andere, private Gründe. Ich bin sehr angetan von der großen Einsatzbereitschaft und dem Teamgeist des deutschen CAE-Teams. Das ist die Basis für eine erfolgreiche Entwicklung auch in der Zukunft.

Weiter wachsen bei den ganzheitlichen Trainingslösungen

Herr Sabourin, Herr Kröning – welche Unternehmensziele hat sich das Unternehmen CAE in Deutschland gesetzt?
Sabourin: CAE hat sich in Deutschland zu einem sehr erfolgreichen Unternehmen mit inzwischen mehr als 600 Mitarbeitern entwickelt. Über viele Jahre standen bei uns Bau, Wartung und Betrieb von Flugsimulatoren für deutsche und europäische Kunden im Vordergrund. Inzwischen können wir große Teile der Pilotenausbildung mit eigenen, hochprofessionellen Trainern übernehmen. Unser Angebot geht also weit über den Simulator hinaus! Das internationale Trainingszentrum auf dem Fliegerhorst Bückeburg ist ein gutes Beispiel dafür. Hier sorgt unter anderem die Betreuung durch unsere CAE-Experten für die bekanntermaßen hohe Qualität der Ausbildung. Das weist den Weg in die Zukunft. Bei den ganzheitlichen Trainingslösungen wollen wir weiter wachsen.

Kröning: Ich würde an dieser Stelle gerne ergänzen, dass wir auch im zivilen Sektor tätig sind – so können unsere digitalen Technologien zur Ausbildung und zum Training von Rettungskräften eingesetzt werden. Und darüber hinaus bieten wir mit CAE Healthcare auch Lösungen zur Ausbildung und zum Training von Ärzten und Pflegepersonal an. Solche Trainingseinheiten sind ungemein wichtig, um die Fehlerquoten bei Operationen und anderen medizinischen Anwendungen zu vermindern. Im Frühjahr hatten wir sogar zeitweise kostenlose Internetkurse angeboten, damit Mitarbeiter in Kliniken rasch den richtigen Umgang mit Corona-infizierten Patienten erlernen konnten.

Staat spart durch Aufgabenteilung personelle Ressourcen und Kosten

Hat das Auslagern von Ausbildung und Training wirklich Zukunft?
Sabourin: Die Aufgabenteilung zwischen Luftwaffen und Industrie ist aus unserer Sicht sinnvoller denn je: Die eigenen Piloten können von der Luftwaffe für die sicherheitspolitischen Aufgaben genutzt werden, das heißt, Einsätze fliegen, während wir uns als CAE intensiv um die Ausbildung und das Training kümmern. Der Simulator, den wir auch anbieten, ist letztlich nur ein wichtiger Baustein in der Ausbildungskette. Der nächste Schritt soll auch für den deutschen Kunden das Live-Training beinhalten, wie wir es bereits global – beispielsweise in unserem Trainingscenter in Dothan/Alabama oder mit dem NATO Flying Training in Kanada – anderen Streitkräften anbieten. Der Staat spart durch eine solche Aufgabenteilung personelle Ressourcen und Kosten von erheblichem Ausmaß.

Technologie „Synthetic Environment“ für die Krisenbewältigung

Was genau bietet CAE für zivile Rettungskräfte an?
Kröning: Aus meiner Sicht kann aus der Corona-Krise schon jetzt die Lehre gezogen werden, dass wir uns als Gesellschaft besser auf Krisen vorbereiten müssen. Und die gute Nachricht dazu lautet: Es gibt die dazu notwendigen Technologien! Allerdings machen wir davon bisher wenig Gebrauch. CAE ist in der Lage, Trainingszentren in Deutschland zu bauen und auch zu betreiben. In solchen Zentren könnten Rettungskräfte, Soldaten, Polizisten oder auch Einsatzkräfte vom Technischen Hilfswerk auf verschiedene Herausforderungen und Krisen wie Terroranschläge, Pandemien oder auch Naturkatastrophen vorbereitet werden. Sie könnten getrennt oder gemeinsam trainieren – zentral und dezentral. Wir nennen diese Technologie „Synthetic Environment“. Damit können wir die Realität nachbilden. In einer Krise geht es darum, schnell und richtig zu entscheiden. Jeder Handgriff muss bei der Krisenbewältigung sitzen, und alle Stakeholder – Ministerien, Behörden, Krankenhäuser oder Einsatzkräfte – müssen an einem Strang ziehen.

Haben Sie denn schon ein konkretes ziviles Projekt vor Augen?
Kröning: Wir diskutieren gerade mit Politikern, Sicherheitsexperten und staatlichen Amtsträgern in Bund und Ländern über den Einsatz digitaler Technologien bei der Krisenbewältigung. Das Interesse an diesem Thema ist groß, denn das Coronavirus hat jedem von uns noch einmal vor Augen geführt, wie langwierig und folgenreich Krisen sein können. Nichts liegt mehr in unser aller Interesse, als die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser fatalen Krise schnell zu überwinden. Interessanterweise hatte auch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft das Thema „Krisenbewältigung“ auf ihre Agenda gesetzt.

Kampfflugzeug-Flotte der Bundeswehr steht vor grundlegender Erneuerung

Auf welche Projekte konzentriert sich die CAE zukünftig im militärischen Bereich?
Sabourin: Die Bundeswehr steht vor einer grundlegenden Erneuerung ihrer Kampfflugzeug-Flotte. Die Schlagworte sind hier: neue Eurofighter und Kampfflugzeuge F-18. Aus unserer Sicht wird im Zuge der Ablösung der Tornado-Maschinen und der Einführung neuer Kampfflugzeuge der Bedarf der Bundeswehr an Ausbildung und Training für Piloten ansteigen. Mit einer denkbaren Einführung der F-18 – aber auch mit dem ehrgeizigen Projekt „Future Combat Air System“, kurz FCAS – warten weitere Aufgaben. Überall kann sich CAE mit seiner Expertise, Erfahrung und innovativen Lösungen einbringen.

Bei Eurofighter und Tornado verfügen Sie nachweislich über viel Erfahrung. Bilden Sie schon Piloten für die F-18 aus?
Kröning: Wir arbeiten tatsächlich bereits mit allen drei Plattformen. Beim Tornado gilt es jetzt, die Ausbildung bis zur endgültigen Außerdienststellung nach 2030 weiter fortzuführen, aber auch zu optimieren, denn die Verfügbarkeit von Realflugstunden wird erheblich sinken. Die Ausbildung in einer synthetischen Umgebung, etwa am Standort in Büchel, könnte hier Abhilfe schaffen. Beim Eurofighter ist CAE ebenso involviert – auch hier ist das Thema „Weiterentwicklung der Ausbildung und des Trainings“ wichtig, da wir diese Plattform noch über Jahrzehnte nutzen werden. Aber nun zur F-18: Sollte sich die Bundeswehr für dieses Flugzeug entscheiden, werden natürlich hervorragend ausgebildete Piloten gebraucht. Dazu braucht es ein völlig neues Ausbildungskonzept und Simulatoren. Für die Royal Canadian Air Force bilden wir bereits Piloten an der F-18 aus. Weltweit haben wir zudem langjährige Erfahrung bei der Ausbildung auf Plattformen des Hersteller Boeing – von der Ausbildung am E-3A und P-8 über CH-47 oder auch der F-15 bis hin zur eben genannten F-18. Wir könnten genau diese Erfahrung in Deutschland gut einbringen!

Beschaffung der Plattform und Training – zwei separate Bausteine

Die Entscheidung um die Tornado-Nachfolge ist noch nicht einmal getroffen. Ist es nicht zu früh, sich jetzt schon mit der Ausbildung zu beschäftigen?
Kröning: Nur über die Plattform zu diskutieren, greift zu kurz. Denn zur erfolgreichen Einführung eines neuen Flugzeugs gehört auch die entsprechende Ausbildung der Piloten. Nicht nur die Gefahrenlagen und Anforderungen an die Piloten ändern sich, sondern auch die technologischen Möglichkeiten, mit denen wir den Herausforderungen begegnen können. Gottlob gibt es gerade in unserem Bereich fortwährend Innovationen. Was wir heute Piloten in Simulatoren oder im „Synthetic Environment“ anbieten können, ist schon äußerst nahe an der Realität. Im engen Austausch mit den Piloten und Fluglehrern arbeitet CAE permanent an technischen Neuerungen. Oberstes Ziel ist es, das Fliegen noch sicherer zu machen – das gilt auch für die zivile Luftfahrt, für die wir weltweit Piloten ausbilden und trainieren. Wichtig ist es, die Beschaffung der Plattform und das Training als zwei separate Bausteine zu betrachten. Nur so kann gewährleistet werden, dass das Training nicht nach der Plattform an zweiter Stelle kommt. Wir müssen von Anfang an die bestmögliche Trainingslösung mitdenken, um am Ende das beste Ergebnis für die Piloten zu erzielen.

Was gilt es aus Ihrer Sicht bei der Ausbildung von Piloten an der F-18 besonders zu beachten?
Sabourin: Die F-18 wäre für Deutschland ein völlig neues Flugzeug. Man müsste das entsprechende Ausbildungs- und Trainingskonzept also komplett neu denken. Zudem braucht das Training mit der F-18 im Realflug sehr viel Raum, den man in Deutschland nicht hat. Da man als Pilot aber nicht alles im Simulator oder in einer synthetischen Umgebung erlernen kann, muss man zwingend nach einer Lösung suchen. Ich würde hierzu gerne einen Vorschlag zur Diskussion stellen: Man könnte aus meiner Sicht darüber nachdenken, Piloten aus Deutschland zum Teil in Kanada auszubilden und die Piloten beider Nationen gemeinsam üben zu lassen. Dort gibt es große unbewohnte Flächen und einen Erfahrungsschatz F-18. Die deutsch-kanadische Zusammenarbeit hat eine große Tradition, an die man anknüpfen kann. Kanadische Soldaten sind übrigens bis heute auf dem NATO-Flugplatz in Geilenkirchen stationiert.


Kompakt                                  

Marc-Olivier Sabourin ist seit Oktober 2019 Vice President Global Defence and Security von CAE. Er trägt die Gesamtverantwortung für das CAE-Verteidigungsgeschäft außerhalb der USA. Sabourin leitet ein Team von mehr als 1500 Mitarbeitern rund um den Globus und ist für die Umsetzung der „Training System Integration“-Strategie (TSI) der CAE verantwortlich. Als Integrator von Ausbildungssystemen bildet die CAE das gesamte Ausbildungsspektrum ab. Zuvor war Sabourin als Vice President und General Manager in der Region Europa und Afrika für das Wachstum des CAE-Geschäftsbereichs „Defense & Security“ verantwortlich. Marc-Olivier Sabourin ist seit 1996 mit der CAE verbunden und hat in dieser Zeit unterschiedliche Rollen von der Softwareentwicklung bis zum Projektmanagement innegehabt.

Niels Kröning ist seit 2018 Geschäftsführer der CAE GmbH in Stolberg bei Aachen. Als General Manager Europe der CAE GmbH verantwortet er das europäische Verteidigungsgeschäft von CAE mit besonderem Fokus auf Deutschland. Zuvor hatte Kröning verschiedene globale Management-Funktionen inne – beispielsweise als Director Programs bei Thales Deutschland oder als Programmmanager bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) – und war mehrere Jahre in Leitungsfunktionen bei Airbus tätig. Niels Kröning ist gelernter Volljurist und studierte unter anderem an den Universitäten Marburg und Konstanz.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Die Bundeswehr nutzt zahlreiche Simulatoren des Unternehmens CAE für die Ausbildung und das Training ihrer Flugzeug- und Hubschrauberbesatzungen.
(Foto: CAE GmbH)

2. Doppelporträt: Marc-Olivier Sabourin (links) und Niels Kröning.
(Bilder: CAE GmbH)


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