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Berlin/Taufkirchen/Hamburg. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat am 23. Juni 2021 die finanziellen Mittel für die Beschaffung von drei PEGASUS-Signalaufklärungssystemen bewilligt. PEGASUS steht für „Persistent German Airborne Surveillance System“. Die Bundeswehr soll diese drei Systeme zwischen 2026 bis 2028 erhalten. PEGASUS besteht jeweils aus einer Trägerplattform (einem Flugzeug des Typs „Bombardier Global 6000“), einem Missionssystem zur Signalerfassung und einem Bodensegment mit Auswerteanlage, Referenzsystem und Ausbildungsanlage. Mit dem PEGASUS-Projekt soll die Fähigkeitslücke der Bundeswehr im Bereich „Signalerfassende Luftgestützte Weiträumige Überwachung und Aufklärung“ (SLWÜA) geschlossen werden.

Das Signalaufklärungssystem PEGASUS soll militärische Funkverkehre und Radaremissionen erfassen. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse können dann elektronische Lagebilder erstellt sowie Daten für die Selbstschutzsysteme gewonnen werden. PEGASUS soll damit – so das Bundesministerium der Verteidigung – in Zukunft „einen wesentlichen Beitrag im Rahmen der Krisenfrüherkennung, der Lagebeurteilung im Rahmen der Krisenvorsorge sowie der Feststellung der Bedrohungslage in Interessen- und potenziellen Einsatzgebieten liefern“.

Wie das am Beschaffungsprojekt federführend beteiligte Unternehmen Hensoldt (Taufkirchen) vor wenigen Wochen in einem Pressestatement mitteilte, wird das Aufklärungssystem PEGASUS jetzt mit dem von dem Sensor-Lösungsanbieter entwickelten Design in die Umsetzungsphase gehen. Dazu hat das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) einen der wesentlichen Projekt-Meilensteine – das sogenannte „Critical Design Review“ (CDR) – abgenommen und damit grünes Licht für die Umsetzung des Systemdesigns gegeben.

Herzstück ist das „Kalætron Integral“-Signalaufklärungssystem von Hensoldt

Im CDR haben Vertreter der Bundeswehr – sowohl von Seiten des öffentlichen Auftraggebers als auch von Seiten des zukünftigen Nutzers – das Design der SIGINT-Anteile des Systems PEGASUS geprüft (Anm.: Zum Begriff „SIGINT“ siehe HINTERGRUND). Dabei wurden in einer Vielzahl von Einzelvorträgen von den Hensoldt-Experten die Planungen zur Realisierung des Vorhabens erläutert. Zugleich konnte von ihnen anhand verschiedener Software- und Hardware-Demonstrationen der Fortschritt im Gesamtprojekt dargestellt werden.

Der Unterauftragnehmer Lufthansa Technik (Hamburg) stellte anschließend dem Auftraggeber die geplante Integration des entstehenden Aufklärungssystems in das Luftfahrzeug Bombardier Global 6000 und die damit verbundenen Umbaumaßnahmen vor.

Jürgen Halder, Vice President „Airborne SIGINT“ bei Hensoldt, sagte am Schluss der Präsentation: „Die enge Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr und Hensoldt seit Beginn des Projekts war der Garant, dass das vorgestellte Design eine umfassende Akzeptanz gefunden hat. Die zugrundeliegende Aufklärungslösung ,Kalætron Integral‘ bietet eine weltweit einzigartige Aufklärungsfähigkeit auf Basis deutscher Schlüsseltechnologie“.

Neben Hensoldt und Lufthansa Technik rund 30 weitere Firmen beteiligt

Hensoldt war vor zwei Jahren als Systemverantwortlicher mit der Lieferung eines luftgestützten Systems zur elektronischen Signalaufklärung an Bord von Bombardier-Business Jets auf der Basis seines SIGINT-Systems „Kalætron Integral“ beauftragt worden. (Anm.: Über die „Kalætron“-Produktfamilie des Sensor-Spezialisten haben wir schon früher einmal berichteten).

Alles in allem hat der Auftrag nach Hensoldt-Angaben einen Wert von mehr als einer Milliarde Euro. Hensoldt fungiert als Generalauftragnehmer und trägt die Gesamtverantwortung für die Realisierung des Projekts. Lufthansa Technik übernimmt als Unterauftragnehmer sowohl die Beschaffung der Flugzeuge beim Hersteller Bombardier (inklusive deren Modifikation) sowie die Einrüstung und Integration des von Hensoldt entwickelten Aufklärungssystems in die Luftfahrzeuge.

Insgesamt sind an dem Vorhaben fast 30 Unternehmen – unter ihnen viele mittelständisch Firmen – aus der gesamten Bundesrepublik als Zulieferer und Partner beteiligt.

Redaktionelle ERGÄNZUNG

Am 5. März 2024 befasste sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit dem Thema „PEGASUS – Lieferung, Einsatzplanung und zukünftige Bedarfsplanung“. Die Bundesregierung nahm am 21. März zu den insgesamt 24 Fragen der Unionspolitiker Stellung.

Allerdings entschied sie sich, den Großteil der gestellten Fragen nicht in offener Form zu beantworten (alle Antwort wurden im Parlamentssekretariat des Bundestages hinterlegt und können dort von Berechtigten eingesehen werden). In der Vorbemerkung der Regierungsantwort heißt es unter anderem: „Die Einstufung als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad ,VS – Nur für den Dienstgebrauch‘ (,VS-NfD‘) ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Staatswohl erforderlich. […] Bei offener Beantwortung wären Rückschlüsse auf Einsatzkonzepte und Durchhaltefähigkeit des Projektes PEGASUS und damit auf die zukünftige militärische Handlungs- und Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland möglich.“

Die Fraktion hatte in ihrer Kleinen Anfrage zu Beginn auf die aktuellen sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen hingewiesen und ausgeführt: „Seit der Freigabe der Mittel für das Vorhaben PEGASUS am 23. Juni 2021 hat sich nach Ansicht der Fragesteller die politische Weltlage klar verschärft. Durch den Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 herrscht wieder Krieg in Europa. Seit dem Beitritt Finnlands zur NATO am 4. April 2023 teilt sich die NATO eine inzwischen mehr als 2500 Kilometer lange Grenze mit Russland. Zudem beherbergt der aktuelle Konflikt zwischen Israel und der Hamas ein bestimmtes Eskalationspotenzial für den Nahen und Mittleren Osten. Darüber hinaus auch wird die Lage im südostasiatischen Raum zunehmend volatiler.“ Nach Ansicht der Union folgt daraus: „Die dargelegten Veränderungen in der sicherheitspolitischen Lage haben einen Mehrbedarf an signalerfassender Überwachung und Aufklärung verstärkt.“

Aus den bereits genannten Gründen hat sich die Bundesregierung bei der Beantwortung des eingereichten Fragenkatalogs äußerst bedeckt gehalten. Einige offene Antworten wurden dennoch gegeben. So erfahren wir, dass die optimale Reisegeschwindigkeit einer Bombardier Global 6000 bei rund 0.85 Mach und die maximale Flugzeit bei rund 17 Stunden liegen.

Die Produktion der Global 6000 sei mittlerweile ausgelaufen, so die Regierung weiter. Ob Maschinen dieses Typs momentan gebraucht marktverfügbar seien, sei nicht bekannt. Auf die Frage, ob Luftfahrzeuge Bombardier Global 6000 aus dem Bestand der Bundeswehr „als Beistellung“ im Falle einer Bestellung weiterer luftgestützter PEGASUS-Systeme bereitgestellt werden könnten, lautete die Antwort: „Hinsichtlich der [bei der Flugbereitschaft BMVg] eingesetzten Luftfahrzeuge wäre eine umfassende Einzelfallbetrachtung erforderlich, um zu ermitteln, ob eine etwaige Beistellung sach- und aufwandsgerecht darstellbar wäre.“

Wissen wollten die Fragesteller von CDU und CSU auch, ob es einen Austausch der Bundesregierung mit der Industrie hinsichtlich der Bestellung weiterer zusätzlicher Systeme gebe. Die klare Antwort dazu: „Die Bestellung weiterer luftgestützter PEGASUS-Systeme zusätzlich zu den bereits in Auftrag gegebenen Systemen ist nicht geplant.“


Hintergrund                           

SIGINT steht für Signals Intelligence/Signalaufklärung. Der Begriff wurde erstmals vom US-Verteidigungsministerium verwendet.

SIGINT liefert Informationen, die durch die Erfassung und Analyse elektronischer Signale und Kommunikationen eines bestimmten Ziels gewonnen werden. Der Bundesnachrichtendienst (BND) definiert SIGINT folgendermaßen: „Ob Satelliten- oder leitungsgebundene Kommunikation, E-Mails oder Voice-over-IP – das Spektrum elektronischer Kommunikation ist breit und verändert sich ständig. Modernste Erfassungs- und Filtertechnik für weltweite Datenströme stellt dennoch sicher, dass [Dienste] an genau die Informationen gelangen, die sie zur Erfüllung ihres Auftrages brauchen.“

Die Bundeswehr setzte bis zum Jahr 2010 Flugzeuge des Typs Breguet Atlantic BR 1150 auch in der SIGINT-Version ein. Am 20. Juni 2010 endete mit dem letzten Flug der SIGINT-Maschine „61+03“ dieses Kapitel der Breguet Atlantic in der Bundeswehr. Zeitweise war danach in den deutschen Streitkräften der SIGINT-Ersatz durch unbemannte Euro-Hawk-Drohnen vorgesehen.


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Die Darstellung zeigt das zukünftige Bundeswehr-Aufklärungssystem PEGASUS bei der Erfassung von Funk- und Radarsignalen.
(Grafik: Hensoldt AG)

Kleines Beitragsbild: Das Flugzeug Bombardier Global 6000 ist als Trägerplattform für das Signalaufklärungssystem PEGASUS ausgewählt worden. Dieser Flugzeugtyp ist bereits seit September 2019 bei der Flugbereitschaft BMVg als Business Jet im Einsatz; insgesamt verfügt die Flugbereitschaft über drei dieser Reiseflugzeuge für den politisch-parlamentarischen Betrieb.
(Foto: Ingo Tesche/Deutsche Luftwaffe)


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