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Brüssel/Schrobenhausen. Das Konsortium „HYDIS²“ unter Leitung von MDBA hat von der Europäischen Kommission den Zuschlag für die Entwicklung eines Systems zur Abwehr von Hyperschall-Waffen erhalten. „HYDIS²“ steht für das Projekt „Hypersonic Defence Interceptor Study“. Ziel von „HYDIS²“ ist es, verschiedene Abfangkonzepte zu entwerfen und die damit verbundenen kritischen Technologien für einen endoatmosphärischen Flugkörper zur Reife zu bringen. Mit endoatmosphärischen Flugkörpern werden Ziele innerhalb der Erdatmosphäre bekämpft (für den Einsatz in der Erdatmosphäre und im Weltraum gibt es die exoatmosphärischen Abfangsysteme).

Der künftige Flugkörper soll gegen neue, hochentwickelte Hyperschall-Bedrohungen eingesetzt werden. Die Auswahlentscheidung wurde – dies geht aus einer Pressemitteilung von MBDA hervor – nach einer Ausschreibung im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds am 12. Juli getroffen.

Laut MBDA gehören 19 Partner und mehr als 20 Unterauftragnehmer aus 14 europäischen Ländern zum „HYDIS²“-Konsortium. Bei den Mitgliedern des Konsortiums handelt es sich um große und mittlere Verteidigungsunternehmen, verschiedene Institutionen sowie Universitäten. Das Konsortium vereine „europäische Kompetenz, Fachwissen und Expertise im Bereich der Flugkörperentwicklung“, so der Pressetext aus Schrobenhausen, dem Hauptsitz von MBDA Deutschland.

Die Konsortiumspartner sind ArianeGroup, AVIO, Avio Aero, Bayern-Chemie, CIRA., DLR, GKN Fokker, LYNRED, MBDA España, MBDA France, MBDA Germany, MBDA Italia, OHB System AG, ONERA, ROXEL France, TDW, THALES LAS France, THALES Netherlands und TNO.

Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande haben bereits eine Absichtserklärung unterzeichnet und gemeinsame Anforderungen definiert.

Abfanglösung im Rahmen des europäischen TWISTER-Programms

Gefunden und entwickelt werden soll die Abfanglösung, die die Bedürfnisse der vier Mitgliedsstaaten im Rahmen des europäischen TWISTER-Programms am besten erfüllt (TWISTER = Timely Warning and Interception with Space-based TheatER surveillance). Das Programm wurde im Rahmen von PESCO aufgelegt (PESCO = Permanent Structured Cooperation/Ständige Strukturierte Zusammenarbeit).

Das „HYDIS²“-Projekt soll maßgeblich zur Verteidigung der Bevölkerung und Streitkräfte insbesondere gegen Hyperschall-Bedrohungen beitragen. Hyperschall-Waffen stellen durch Agilität (Wendigkeit) und Geschwindigkeit eine völlig neue Art der Bedrohung aus der Luft dar.

HYDIS² leistet MBDA zufolge „einen unverzichtbaren Beitrag zum AQUILA-Lenkflugkörperprojekt zur Abwehr hypersonischer Bedrohungen“ (hypersonisch: den Hyperschallbereich betreffend; mit mehr als fünffacher Schallgeschwindigkeit). Weiter heißt es in der Pressemitteilung: „Das ,HYDIS²‘-Projekt ist eingebettet in ein umfassendes Luftverteidigungsportfolio des Unternehmens und seiner Partner.“


Hintergrund                           

Die neue Generation von Hyperschall-Waffen kombiniert die Hauptvorteile von ballistischen Flugkörpern und Marschflugkörpern: extreme Geschwindigkeit und herausragende Präzision. Hyperschall-Waffen fliegen mit einer Geschwindigkeit von mehr als Mach 5. Diese neuen Systeme zeichnen sich aber nicht nur durch hohe Geschwindigkeit aus. Im Gegensatz zu Interkontinentalraketen, die sich auf einer vorhersagbaren Flugbahn bewegen, bringen Hyperschall-Waffen ein Überraschungsmoment mit sich: Sie können in der Atmosphäre manövrieren und die Höhe ändern. Daher sind die Manövrierfähigkeit und die Flughöhe zwei weitere wichtige Unterscheidungen gegenüber konventioneller Raketentechnologie.

Hyperschall-Waffensysteme bergen deshalb auch völlig neue Gefahren für die strategische Stabilität. Der Hauptaspekt dabei ist die Geschwindigkeit: je höher die Geschwindigkeit, desto weniger Zeit bleibt der gegnerischen Seite für Entscheidungen. Bei anfliegenden Hyperschall-Waffen kann sich der OODA-Loop – (Zyklus von Beobachtung/observation), Orientierung/orientation, Entscheidung/decision), Handeln/act) – des angegriffenen Staates so stark verkürzen, dass nur wenige Minuten für die Reaktion, die Entscheidung in Bezug auf das mutmaßliche Ziel, die Identifizierung des Sprengkopftyps sowie die Bewertung des durch die gewählte Reaktion potenziell verursachten Schadens bleiben.

Bei Hyperschall-Waffen gibt es zwei Haupttypen: Hyperschall-Marschflugkörper (Hypersonic Cruise Missiles, HCM) und Hyperschall-Gleitflugkörper (Hypersonic Glide Vehicles, HGV).

Einige Institutionen, wie beispielsweise die NATO Science and Technology Organization, beziehen in ihre Überlegungen auch sogenannte „Post-Stealth“-Hyperschall-Kampf- und Aufklärungsflugzeuge mit ein, mit denen in den 2030er-Jahren zu rechnen ist.

HCM: Bei den HCM handelt es sich um schnellere Versionen bestehender Marschflugkörper, die sich auf 20 bis 30 Kilometern Höhe fortbewegen. Sie werden von luftatmenden Strahltriebwerken angetrieben, die als Scramjet (Supersonic Combustion Ramjet Engines) bezeichnet werden. Diese Scramjets komprimieren die einströmende Luft in einem kurzen Luftschacht vor der Verbrennungsphase. Dadurch kann der Motor bei hohen Geschwindigkeiten äußerst effizient funktionieren. Da sie den notwendigen Sauerstoff direkt aus der Atmosphäre beziehen, sind Scramjet-Flugkörper kleiner und lassen sich besser manövrieren.

HGV: Im Gegensatz dazu sind die HGV nicht angetrieben und funktionieren mit einer Gleitflugtechnologie mit Raketenantrieb, die sie in die obere Atmosphäre hebt. Nach der Freisetzung auf einer Höhe zwischen 40 und 100 Kilometern fliegen sie ohne Antrieb mit Hyperschall-Geschwindigkeit Richtung Erdoberfläche, um dort ihr Ziel zu treffen. Aufgrund ihrer Manövrierbarkeit und der Fähigkeit, auf unterschiedlichen Höhen freigesetzt zu werden, ist ihre Flugbahn schwierig zu berechnen.


Zu unserem Symbolbild „Hyperschall-Abwehr“: „HYDIS²“ leistet nach Aussage von MBDA „einen unverzichtbaren Beitrag zum europäischen AQUILA-Lenkflugkörperprojekt“, das einmal zur Abwehr hypersonischer Bedrohungen führen soll. Mit AQUILA sollen in naher Zukunft die besten Abfangjäger-Konzepte für die europäischen Nationen ermittelt und zur Umsetzung vorgeschlagen werden. Das zweite Bild zeigt den MBDA-Hauptsitz im oberbayerischen Schrobenhausen
(Bildmaterial: MBDA)


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