menu +

Nachrichten


Berlin. Die Zahl der einsatzbedingt psychisch erkrankten Bundeswehrangehörigen, die „in einer psychiatrischen Abteilung eines Bundeswehrkrankenhauses oder einer psychiatrischen Fachärztlichen Untersuchungsstelle der Bundeswehr“ begutachtet oder behandelt werden, ist im Jahr 2021 erneut angestiegen. Insgesamt befanden sich 1191 betroffene Soldaten in psychischer Behandlung. Im Jahr 2020 waren es 1116 gewesen (2019 wurden 1006 und 2018 lediglich 867 Fälle registriert). Diese Zahlen teilte die Bundesregierung beziehungsweise das Verteidigungsministerium am 11. Februar auf eine Schriftliche Frage des AfD-Bundestagsabgeordneten René Springer mit. Springer ist seit Mai 2020 Sprecher seiner Fraktion „für Arbeit und Soziales“.

Der mit 845 Fällen größte Anteil der psychisch erkrankten Soldaten hat mit dem ISAF-Einsatz und der „Resolute Support Mission“ in Afghanistan zu tun (2020 > 794 Fälle; 2019 > 728; 2018 > 628). Für den KFOR-Einsatz im Kosovo liegen folgende Zahlen vor: 2021 > 131 Fälle von einsatzbedingten psychischen Erkrankungen, 2020 > 128, 2019 > 107, 2018 > 100.

Weitere 215 Fälle wurden im vergangenen Jahr unter „sonstige Einsätze der Bundeswehr“ verbucht, hierzu zählen unter anderem die Einsätze EUTM und MINUSMA im westafrikanischen Mali (2020 > 194, 2019 > 171, 2018 > 139).

Gefordert wird eine umfassende Strategie für die Behandlung und Versorgung

Aufschlussreich ist auch die Zahl der sogenannten Behandlungskontakte durch bundeswehreigene Psychiater und Psychotherapeuten im Zusammenhang mit einem Auslandseinsatz unserer Streitkräfte.

Wurden im Jahr 2018 noch 2220 Konsultationen aufgrund einer psychischen Erkrankung verzeichnet, so waren es im Jahr 2021 bereits 3215 Behandlungskontakte. Dies entspricht einem Anstieg von 44,8 Prozent (2019 waren es 2448 solcher Behandlungskontakte, 2020 insgesamt 3064).

Die Dunkelziffer der in Folge einer Auslandsmission psychisch erkrankten Soldaten dürfte allerdings weitaus höher liegen, vermutet der Bundestagsabgeordnete Springer. Er weist darauf hin: „Im Ergebnis der zwischen 2009 und 2013 durchgeführten Prävalenzstudie* der Bundeswehr wird der Anteil psychisch erkrankter […] Soldaten, die sich als Rückkehrer aus dem ISAF-Einsatz 2010 bis 2011 ein Jahr nach Einsatzende nicht in Behandlung begeben hatten, auf rund 80 bis 90 Prozent geschätzt. (* „Traumatische Ereignisse und posttraumatische Belastungsstörungen bei im Ausland eingesetzten Soldaten“ – Dunkelzifferstudie, Hans-Ulrich Wittchen, Sabine Schönfeld und andere.)

Der AfD-Politiker äußerte zum Schluss gegenüber dem bundeswehr-journal: „Die Zahl der einsatzbedingten Neuerkrankungen erreicht jährlich immer neue Höchststände. Unsere Soldaten verdienen die bestmögliche Versorgung. Dies erfordert vor allem eine umfassende Strategie für die Behandlung und Versorgung unserer einsatzgeschädigten Soldaten.“ Die fehle bis heute, meint Springer.

Wir berichteten übrigens in der Vergangenheit bereits ausführlich über das Thema „Einsatzbedingte psychische Erkrankung von Bundeswehrangehörigen“ – beispielsweise hier.


Hintergrund                           

Das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), ein wissenschaftliches Institut in gemeinsamer Trägerschaft von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung, hat im November vergangenen Jahres eine neue Kurzinformation zum Thema „Posttraumatische Belastungsstörung“ (kurz PTBS) für Praxen und Kliniken vorgestellt. Die Autoren erläutern darin die Ursachen und typische Anzeichen der PTBS.

„Etwa zwei bis drei von 100 Menschen sind in Deutschland jedes Jahr von einer PTBS betroffen. Anzeichen können direkt nach dem belastenden Ereignis, aber auch erst Wochen oder Monate danach auftreten. Die Beschwerden können lange andauern“, heißt es in der Information.

Interessierte erfahren auch, welche Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten Fachleute aufgrund aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse bei einer PTBS empfehlen. So schreiben die Autoren: „Psychopharmaka können bei seelischen Erkrankungen in Frage kommen. Bei einer PTBS sollen sie jedoch nicht als Erstbehandlung eingesetzt werden. Fachleute raten auch von einer alleinigen Behandlung mit Medikamenten bei einer PTBS ab, denn sie sind bei einer PTBS weniger wirksam als eine Psychotherapie.“

Bei einer PTBS sei eine traumafokussierte Psychotherapie am wirksamsten. „Sie lindert im Vergleich zu anderen Psychotherapie-Verfahren und zu Medikamenten die Beschwerden am besten. Dafür gibt es Belege aus aussagekräftigen Studien. Sie soll daher allen PTBS-Erkrankten angeboten werden“, erklärt die Informationsschrift weiter.

Das ÄZQ entwickelt die Kurzinformationen im Auftrag der Kassenärztlicher Bundesvereinigung und der Bundesärztekammer. Praxen und Kliniken können die Kurzinformation kostenlos ausdrucken und auslegen sowie an Betroffene oder Interessierte weitergeben. Siehe auch hier:
https://www.patienten-information.de/kurzinformationen/ptbs

Das Institut „Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin“ nahm am 1. Oktober 1995 in Köln seine Arbeit auf und hat seinen Sitz seit 2004 in Berlin.


Symbolfoto „Psychische Erkrankung“ aus dem Bildangebot von Pixabay.
(Bild: Layers/unter Pixabay License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich)


Kommentieren

Bitte beantworten Sie die Frage. Dies ist ein Schutz der Seite vor ungewollten Spam-Beiträgen. Vielen Dank *

OBEN