Osnabrück. Der Generalinspekteur der Bundeswehr sieht trotz des drohenden Aus für den INF-Vertrag zur Abrüstungskontrolle keine militärische Notwendigkeit zur Stationierung neuer Atomwaffen in Deutschland. „Aus militärischen Gründen ist es nicht nötig; angesichts der heutigen Technologien brauchen wir keine Stationierung von festen Systemen auf irgendwelchen Territorien“, sagte General Eberhard Zorn im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (gestrige Samstagsausgabe). Abwehr lasse „sich heute mobil aus der Luft oder zur See gestalten“, so der ranghöchste Soldat der Bundeswehr. Zorn sprach mit dem Blatt nicht nur über Rüstungskontrolle. Er äußerte sich auch über den Verteidigungshaushalt, die Bewerberlage der deutschen Streitkräfte und den Afghanistaneinsatz. Das Mandat für die Beteiligung der Bundeswehr an der „Resolute Support Mission“ in Afghanistan wurde ja vom Deutschen Bundestag am Donnerstag (21. März) verlängert.
Nachdem Russland wiederholt gegen den INF-Vertrag verstoßen haben soll, hatten die USA ihren Rückzug aus dem Abkommen angekündigt. Auch Moskau fühlt sich nun nicht länger an das Abkommen gebunden.
Dazu Zorn im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ): „Ich wünsche mir, dass wir wieder in einen Rüstungskontrollprozess hineinkommen – nicht nur unter Einbindung Russlands und der USA, sondern auch weiterer Staaten wie China.“ Zorn fügte hinzu: „Wir werden in der NATO gemeinsam eine ausgewogene und angemessene Antwort finden.“
Damit die Bundeswehr den international eingegangenen Verpflichtungen nachkommen könne, müsse nach Ansicht des Generalinspekteurs der Wehretat weiter erhöht werden. „Mein Wunsch ist es, dass die Verteidigungsausgaben weiter kontinuierlich ansteigen und nicht auf einer Zick-Zack-Linie“, kommentierte Zorn die aktuelle Debatte um den Verteidigungshaushalt für 2020. Er argumentierte zudem: „Kontinuität ist aus planerischer Sicht wichtig, auch weil es die Verlässlichkeit gegenüber unseren Partnern erhöht, mit denen wir multinational zusammenwirken müssen. Und auch für die heimische Industrie sind Kontinuität und Planungssicherheit wichtig.“
Nach Ansicht Zorns registrieren die NATO-Partner durchaus die in Deutschland immer wiederkehrende Debatte über die Höhe des Verteidigungshaushalts. Vor allem kleinere NATO-Staaten, die nicht die militärischen Fähigkeiten wie Deutschland hätten, „prüfen uns besonders auf Glaubwürdigkeit, weil wir gesagt haben wir sind eure Partner“, so Zorn im Gespräch mit der NOZ. Er versicherte: „Wir werden alles tun, um dem Vertrauen, das man uns entgegenbringt, gerecht zu werden. Und wir wollen uns als Führungsnation beweisen.“
Zum Thema „Personallage der Bundeswehr“ äußerte sich der Generalinspekteur verhalten optimistisch. Zorn sieht die Truppe beim Personalaufbau auf gutem Weg. „Trotz der Tatsache, dass demografiebedingt die Zahl der Schulabgänger sinkt, haben wir ein ansteigendes Bewerberaufkommen.“ Er erläuterte: „In den ersten drei Monaten dieses Jahres haben wir im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um sechs Prozent bei den Bewerbern. Das zeigt, dass wir ein ganz attraktives Angebot haben“. Schwierigkeiten gebe es allerdings weiterhin „in Spezialbereichen, die auch in der freien Wirtschaft nachgefragt“ seien. Dort sei es nach wie vor schwierig, Leute zu gewinnen. Zorn nannte die Bereiche „Informationstechnik“, „Logistik“, „Personalwesen“ und „Ärzte“. Dort müsse die Bundeswehr bei der Personalgewinnung „noch fleißig arbeiten“.
Insgesamt seien 13 bis 15 Prozent aller Stellen bei der Bundeswehr vakant, in Einzelbereichen liege die Quote höher. Vor dem „Hintergrund der Auftragslast“ bleibe es „für die Truppe also noch eine Weile anspruchsvoll – neben den Auslandseinsätzen hat die Landes- und Bündnisverteidigung ja wieder eine viel größere Bedeutung als in den vergangenen drei Jahrzehnten“, so der General im NOZ-Interview.
Zufrieden zeigte sich der Heeresoffizier mit dem Bildungslevel der Bewerber. „Wir sind in der glücklichen Situation, dass nahezu alle unserer eingeplanten Bewerber einen Schulabschluss haben. Mehr als drei Viertel haben die Mittlere Reife oder höher. Bei den Offizieren liegt der Anteil von Abiturienten oder Bewerbern mit abgeschlossenem Studium sogar bei 99 Prozent“, sagte Zorn der Zeitung.
Angesprochen auf die aktuelle Abstimmung des Deutschen Bundestages über den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr sagte der General, er begrüße die Verlängerung ausdrücklich. Zorn wörtlich: „Mit Blick auf das Erreichte und mit Respekt für das, was unsere Soldaten geschafft haben, wäre meine Empfehlung tatsächlich, das Erreichte in Afghanistan noch eine Weile zu sichern.“ Eine mögliche Aufstockung der Truppe sehe er „im Moment“ nicht, ergänzte Zorn. „Mit den Kräften, die wir für unseren Auftrag zu Training, Ausbildung und Beratung haben, sind wir gut aufgestellt.“
Allerdings gab der Generalinspekteur zu bedenken, dass die Bundeswehr nicht in Afghanistan bleiben könne, wenn die USA dort ihre Soldaten „komplett“ abzögen. „Das gilt auch für die vielen anderen Verbündeten. Was wir alle dringend von den Amerikanern brauchen, sind Luftnahunterstützung, Krankenversorgung, Aufklärung“, sagte Zorn. Gleichzeitig beruhigte er: „Das würden die Amerikaner auch kaum abziehen – ich habe zuletzt vor Ort von niemandem konkrete Abzugspläne gehört.“
Unser Bildmaterial zeigt General Eberhard Zorn bei seiner Amtseinführung am 19. April 2018. An diesem Donnerstag begrüßte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen den neuen Generalinspekteur der Bundeswehr mit militärischen Ehren.
(Foto: Jane Schmidt/Bundeswehr)