Berlin. Es gibt ihn also doch noch, den Gordischen Knoten, der sich urplötzlich lösen lässt. Nach jahrelangen fruchtlosen Diskussionen haben sich nun das Bundesministerium der Verteidigung, der Deutsche Bundeswehr-Verband und der Reservistenverband doch noch auf eine gemeinsame Definition des Veteranenbegriffs einigen können. Dies berichtete die BILD am SONNTAG in ihrer heutigen Ausgabe (18. November). Demzufolge gibt es jetzt in Deutschland mehr als zehn Millionen männliche und weibliche Veteranen.
Die Einigung ist BILD zufolge offenbar „die breitest mögliche Definition“. Demnach ist derjenige Veteran, der „entweder aktiver Soldat ist oder bei der Bundeswehr gedient hat und nicht unehrenhaft entlassen wurde“. Die Bezeichnung „Veteran“ ist laut der Boulevardzeitung nicht an Dienstzeitlänge oder Funktion innerhalb der Bundeswehr gebunden, auch ein Auslandseinsatz ist keine Bedingung.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte dem Blatt: „Alle Veteranen eint, ob sie in Auslandseinsätzen, im Kalten Krieg oder im Grundbetrieb gedient haben, dass sie sich in der Uniform der Bundeswehr für Frieden und Freiheit unseres Landes eingesetzt haben. Dafür gebührt ihnen ein Leben lang Respekt und Anerkennung.“
Nach der jetzigen Entscheidung gibt es nun wohl in unserem Land mehr als zehn Millionen Veteranen – unter ihnen der Autor dieses Beitrages, der im Grundbetrieb, im Kalten Krieg, in einem Auslandseinsatz und später in vielen Wehrübungen die Bundeswehruniform getragen hat.
Wie fest der Gordische Knoten vor dieser Lösung gewesen sein muss, wird noch einmal in einer Antwort der Bundesregierung vom 19. Oktober dieses Jahres deutlich, in der es um das Thema „Veteranenpolitik für die Bundeswehr“ geht. Die AfD-Bundestagsfraktion – namentlich Martin Hess, Jens Kestner, Christoph Neumann und René Springer – hatte in einer Kleinen Anfrage unter anderem wissen wollen, wie die Regierung den Begriff „Veteran“ definiert.
Die Antwort erinnert uns daran, wie undenkbar die Begriffsklärung noch vor einem Monat schien. Wir lesen: „Die Bundesregierung nutzt den Begriff ,Veteran‘ derzeit nicht. Denn es gibt zwar eine lebhafte Diskussion verschiedener Stellen, jedoch keine entsprechende Traditionslinie in der Bundeswehr.“ Bei ehemaligen Bundeswehrangehörigen werde vielmehr kein Unterschied zwischen verschiedenen Laufbahnen, Dienstzeiten und Verwendungen gemacht, denn sie alle hätten Deutschland gedient und Dank, Respekt und Anerkennung verdient.
Die Bundesregierung sei sich ihrer Verantwortung für ihre Ehemaligen sehr bewusst, heißt es in der Antwort vom Oktober weiter. Konkret führt der Text dazu aus: „Da die Fürsorge für einsatzgeschädigte Bundeswehrangehörige für die Bundesregierung von elementarer Bedeutung ist, hat sie in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Versorgung und Betreuung von Einsatzgeschädigten deutlich zu verbessern. Hierzu rechnen insbesondere das Einsatzversorgungsgesetz 2004, das Einsatz-Weiterverwendungsgesetz 2007 sowie das Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz 2011. Darüber hinaus hat das Bundesministerium der Verteidigung am 13. Juni 2017 dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages das am 6. Juni 2017 erlassene Konzept ,Betreuung von ehemaligen Angehörigen der Bundeswehr, die unter Einsatzfolgen leiden‘ übersandt. Darin wird die breite Palette an materiellen Leistungen, medizinischer Versorgung und psychosozialer Unterstützung für den entsprechenden Personenkreis aufgezeigt.“
Die Diskussion um den Veteranenbegriff war 2012 vom damaligen Verteidigungsminister Thomas de Maizière angestoßen worden. Die Bundesregierung hat seit dieser Zeit mit allen betroffenen Interessensvertretungen Gespräche geführt. Dazu gehörten der Beirat für Fragen der Inneren Führung, der Deutsche Bundeswehr-Verband, der Beirat „Reservistenarbeit“ beim Verband der Reservisten der Bundeswehr und der Reservistenverband selbst, die Vereinigungen „Bund Deutscher Einsatzveteranen“ und „Combat Veteran“, Mitglieder des Bundestages sowie der Wehrbeauftragte des Bundestages.
Am 1. Dezember 2015 fand zudem ein Runder Tisch mit Vertretern der genannten Institutionen und des Bundesministeriums der Verteidigung statt.
Aus der Regierungsantwort wird auch deutlich, wie weit die jeweiligen Positionen in der Begriffsfrage in der Vergangenheit auseinander lagen.
So empfahl der Beirat „Reservistenarbeit“ beim Reservistenverband: „Das Gremium der Vertreter im Beirat schlägt vor, entweder auf eine Definition zu verzichten oder stattdessen den Veteranen als nicht mehr beorderungsfähigen Reservisten zu beschreiben.“ Der Reservistenverband selbst vertrat folgende Ansicht: „Von einer Definition des Veteranenbegriffs ist grundsätzlich abzusehen. Der Begriff ,Veteran‘ ist nicht als Status zu verwenden, insbesondere nicht als rechtlicher Status. Innerhalb der Kameradschaften ist jeder herzlich willkommen, der sich als Veteran fühlt und auch so bezeichnet.“
Der Bund Deutscher Einsatzveteranen plädierte dafür: „Veteran […] der Bundeswehr ist, wer ehrenhaft aus dem aktiven Dienst in der Bundeswehr ausgeschieden ist und als Angehöriger der Bundeswehr an mindestens einem Einsatz oder einer besonderen Verwendung im Rahmen von humanitären, friedenserhaltenden oder friedensschaffenden Maßnahmen teilgenommen hat.“
Und schließlich riet der Deutsche Bundeswehr-Verband zu der Definition: „[…] Veteran der Bundeswehr sind alle früheren […] Soldaten der Bundeswehr, die seit Gründung der Bundeswehr ehrenhaft aus dem aktiven Dienst der Bundeswehr ausgeschieden sind. Der Veteranenstatus ist an keine Altersgrenze gebunden.“
Die Reaktionen der verteidigungspolitischen Experten auf die nun gefundene Kompromissformel fällt unterschiedlich aus. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Henning Otte, selbst Reserveoffizier in der Teilstreitkraft Heer, sagte dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel, die Veteranenfrage sei „viel zu lange ungeklärt“ gewesen. „Der Dienst der Bundeswehr für unser Land verdient mehr Anerkennung.“
Wehrbeauftragter Hans-Peter Bartels begrüßte, dass die Begrifflichkeit für den deutschen Gebrauch „jetzt mal geklärt ist“. Auch ein Veteranenabzeichen könne identitätsstiftend und nützlich für die aktive Bundeswehr sein. Bartels fügte aber auch hinzu: Natürlich sei dies „keins von den wirklich wichtigen Problemen unserer heutigen Mangel-Bundeswehr“. Ein wichtiges Thema beispielsweise wäre die weitere Verbesserung bei Therapien für Soldaten mit posttraumatischen Belastungsstörungen.
Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte: „Anscheinend hat Ursula von der Leyen sich für eine Definition entschieden, die den Begriff ,Reservist‘ durch ,Veteran‘ ersetzt.“ Der Bundestagsabgeordnete nannte es gegenüber dem Tagesspiegel „fraglich, ob die bloße Umbenennung von ehemaligen Angehörigen der Bundeswehr wirklich die Probleme der Soldaten löst, die teilweise auch Spätfolgen von Auslandseinsätzen bewältigen müssen“. Gerade, was Fürsorge für diese Personengruppe angehe, „hätte die Ministerin längst mehr tun können“.
Alexander Neu von den Linken beklagte: „Ganz offensichtlich sind einige Offiziere und Politiker von Selbstbewusstseinsdefiziten geplagt, die nun mit einem Veteranenbegriff und gegebenenfalls Symbolen kompensiert werden sollen. Derartige Maßnahmen fallen unter die Kategorie ,Verklärung‘. Der Parlamentarier erinnerte daran, dass nicht nur Soldaten „einen Dienst für Deutschland“ leisteten. Neu: „Der Dienst am Menschen – Seniorenpflege, Bildung, Gesundheit – erfährt viel zu wenig reputative und finanzielle Würdigung.“
Wie nun eine Würdigung von Veteranen konkret aussehen soll, ist noch unklar (siehe auch hier). Oberstleutnant André Wüstner, Bundesvorsitzender des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, meint: „Inwieweit es tatsächlich einen Bedarf an einem Veteranenabzeichen gibt, wird sich zeigen. Viel wichtiger sind eine bessere Fürsorge wie Familientherapien für Einsatzversehrte und mehr Wertschätzung.“
Er sei außerordentlich froh, so der Chef der Interessenvertretung am heutigen Sonntag in Berlin, dass es gelungen sei, sich auf das zu verständigen, was der Verband seit Jahren gefordert habe: „Eine Definition, die niemanden ausgrenzt. Das bedeutet, dass sich jeder, der ehrenhaft aus der Bundeswehr ausgeschieden ist, Veteran nennen kann.“ Grundsätzlich gehe es um Wertschätzung und Anerkennung für den besonderen Dienst von Soldaten – beispielsweise am Tag der Bundeswehr, aber auch am Volkstrauertag, an dem gemeinsam mit Hinterbliebenen der Gefallenen gedacht werde. Wüstner schlug vor: „Denkbar sei auch, künftig den ,Tag des Peacekeepers‘, an dem es um die Auszeichnung von Entwicklungshelfern, Diplomaten sowie Soldaten geht, aufzuwerten.“
Zum Schluss noch ein Wort in eigener Sache: Natürlich sind wir uns der Tatsache bewusst, dass mittlerweile Tausende von Frauen in der Bundeswehr gedient haben oder dienen. Wenn wir generell nicht von „Soldatinnen und Soldaten“ schreiben, sondern nur von „Soldaten“, dann meint dieser Begriff natürlich auch die weiblichen Kameraden in Bundeswehruniform. Gleiches gilt nun für den Veteranenbegriff. Auch hier wollen wir konsequent die Genderfalle meiden und es nicht den Sprachverhunzern mit ihrem zwanghaften „Veteran und Veteranin“ gleichtun.
Wolf Schneider, einer der bedeutendsten Sprachkritiker und Sprachstillehrer Deutschlands, zeigte einmal an einem kleinen Beispiel, was er von der ganzen Genderei hält. Er hatte eine Stellenbeschreibung des Norddeutschen Rundfunks gefunden. Dort war zu lesen: „Der Intendant/die Intendantin benennen seinen Stellvertreter/seine Stellvertreterin beziehungsweise ihren Stellvertreter/ihre Stellvertreterin.“ Schneider senkte erbost den Daumen: „Das ist ein Satz der deutschen Sprache, der Unsinn ist. Dieser Unsinn muss abgeschafft werden!“
Unser Symbolbild zum Thema „Bundeswehr-Veteranen“ zeigt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am 20. Juli 2018 beim Feierlichen Gelöbnis auf dem Paradeplatz des Ministeriums in Berlin. Gemeinsam mit General Eberhard Zorn, dem Generalinspekteur der Bundeswehr, schreitet sie die Gelöbnisaufstellung ab.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)
Mittlerweile sind viele Jahre seit meiner Dienstzeit als Wehrpflichtiger (während des Kalten Krieges) vergangen, aber trotzdem bin ich noch stolz darauf, etwas für mein Land getan zu haben – auch wenn es eine lange Zeit war, in der die eigene Familie und der Job zu kurz kamen.
Erst letztes Wochenende ist mir aufgefallen, dass an unserer Kranzniederlegung am Volkstrauertag (ich bin noch bei der Freiwilligen Feuerwehr) immer weniger Menschen teilnehmen. Die Zusammengehörigkeit schwindet. Ein symbolisches Zeichen der Zusammengehörigkeit für all die, die noch eine Uniform tragen, wäre sicherlich hilfreich.
Ich hoffe nur, dass jetzt nach dieser Entscheidung nicht wieder der behördliche Wahnsinn einsetzt und eine entsprechende symbolische Wertschätzung ewige Jahre dauert.
Man hat sich geeinigt. Endlich!
Es wurde eine Definition gefunden, die niemanden ausgrenzt. Diese Entscheidung ist meines Erachtens wichtig, da die Bundeswehr auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen ist und als Parlamentsarmee immer auf diese Unterstützung angewiesen sein wird. Diese Definition betont die Gemeinsamkeit von Wehrpflichtigen, Zeitsoldaten und Berufssoldaten. Die notwendige Differenzierung wird durch die Einsatzmedaillen sichergestellt.
Ich habe meinen Dienst in der Zeit von April 1973 bis März 1975 als SaZ 2 und in acht Reserveübungen (inkl. Unteroffizier-Lehrgang) geleistet. Dennoch fühle ich mich nicht als Veteran.
Dieser Status gebührt meiner Meinung nach nur den Kameraden, die wirklich an gefährlichen Einsätzen im Ausland oder an gefährlichen Katastropheneinsätzen – beispielsweise Überschwemmungen, Schneechaos, Waldbrände – teilgenommen haben.
Ich war in einer ruhigen Zeit Soldat und mir gebührt allenfalls Dank und Wertschätzung für den freiwilligen Dienst. Für die Veteranen empfinde ich Respekt und Hochachtung, für die getöteten Kameraden Trauer und für die physisch oder psychisch Verletzten Mitleid und Bedauern.