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Berlin/Donauwörth. Die deutsche Marine wird in naher Zukunft insgesamt 18 Hubschrauber NH90 Sea Lion erhalten. Dies hat das Parlament am 4. März entschieden beziehungsweise sein Haushaltsausschuss an diesem Mittwoch so gebilligt. Die 18 Marinehelikopter werden den Steuerzahler knapp 1,4 Milliarden Euro kosten. Die Bundestagsabgeordnete Katrin Kunert (die Linke) wollte vor Kurzem von der Bundesregierung wissen, wie viele Transporthubschrauber NH90 der Variante „Sea Lion“ nach den Planungen des Verteidigungsministeriums denn nun in den kommenden Jahren genau an die Teilstreitkraft ausgeliefert werden.

Nach Auskunft von Markus Grübel, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, soll die Auslieferung der Sea Lion im Jahr 2019 beginnen und im Laufe des Jahres 2022 abgeschlossen sein. Dabei sollen die ersten drei Maschinen im Jahr 2019 an die deutsche Marine ausgeliefert werden, jeweils sechs in den Jahren 2020 und 2021 sowie die letzten drei im Jahr 2022.

Der Marinehubschrauber NH90 NTH Sea Lion soll die mehr als 30 Jahre alten Sea King Mk.41 ablösen (NTH: Naval Transport Helicopter). Er kann unter anderem als Bordhubschrauber für den Einsatzgruppenversorger, als Mittel für den Such- und Rettungsdienst und zusätzlich zur Unterstützung für maritime Spezialkräfte genutzt werden.

Nachträgliche technische Ausstattungsanforderungen wohl nicht erforderlich

Kunert, die Mitglied des Verteidigungsausschusses des Bundestages ist, interessierte sich auch für mögliche „nachträgliche technische Ausstattungsanforderungen“ durch den Auftraggeber, damit „die Transporthubschrauber bei den vorgesehenen Einsatzszenarien in vollem Umfang den Vorschriften der europäischen Flugsicherheitsbehörde EASA“ entsprechen (EASA: European Aviation Safety Agency). Offensichtlich bezog sich die Abgeordnete der Linken mit diesem Teil ihrer Anfrage auch auf Presseberichte vom Februar dieses Jahres, in denen von eingeschränkten Flugleistungen des Sea Lion die Rede war. Dazu noch später.

In seiner Antwort vom 25. August erklärt Staatssekretär Grübel: „Bei der für die Zulassung des NH90 NTH Sea Lion notwendigen Musterprüfung werden militärische Zulassungsanforderungen zur Anwendung kommen. Diese können mit den zivilen Zulassungsanforderungen der EASA übereinstimmen, müssen dies jedoch nicht. Nachträgliche technische Ausstattungsanforderungen, um den Vorschriften der EASA zu entsprechen, sind absehbar nicht erforderlich.“

Derzeit lägen keine Erkenntnisse vor, dass der Zulassungsprozess zu Verzögerungen, Preissteigerungen oder operationellen Einschränkungen führen werde, versicherte Grübel der Fragestellerin. „Wir gehen davon aus, dass das vorgesehene Aufgabenspektrum – so wie auch bei anderen NH90-Nationen, die den Hubschrauber in einer an das maritime Einsatzumfeld angepassten Form nutzen – mit dem NH90 NTH Sea Lion abgedeckt werden kann.“

168 Transport- und Kampfhubschrauber für insgesamt 8,7 Milliarden Euro

Der Kauf der 18 Sea Lion ist ein Resultat der Grundsatzvereinbarung und der danach verhandelten Vertragsdetails zum „Rahmenabkommen Hubschrauber“ zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und Airbus Helicopters (vormals Eurocopter). Die Grundsatzvereinbarung – Memorandum of Understanding, MoU – war am 15. März 2013 getroffen worden.

Der Haushaltsausschuss – und damit der Bundestag – gab nun am 4. März dieses Jahres grünes Licht für die endverhandelten Vertragsentwürfe zwischen Ministerium und Industrie. Unter Tagesordnungspunkt 5 dieses Sitzungstages im Berliner Paul-Löbe-Haus heißt es: „Vertragsanpassungen bei den Vorhaben Beschaffung des Waffensystems Unterstützungshubschrauber Tiger und Beschaffung des NATO-Hubschaubers 90.“

Worum geht es bei diesem „Hubschrauber-Deal“ (auch als „German Deal“ bekannt)? Im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr hatte der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière im Oktober 2011 entschieden, die Hauptwaffensysteme der Bundeswehr an den aktuellen Bedarf der Truppe anzupassen. Den betroffenen Unternehmen aus dem Bereich der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie wurden damals entsprechende Vertragsverhandlungen angekündigt.

In dem jetzt im Juni unterzeichneten „Rahmenabkommen Hubschrauber“ haben sich beide Seiten auf eine Hubschrauber-Stückzahlreduzierung der 122 unter Vertrag stehenden Transporthubschrauber NH90 auf 82 Stück und der 80 Kampfhubschrauber Tiger auf nunmehr 68 Stück verständigt. Durch die Umsteuerung des Programms erhält die Bundeswehr – nach gut dreieinhalbjähriger Verhandlungsphase – zudem die 18 Marinehubschrauber, die aus dem NH90-Programm abgeleitet sind.

Weitere Details hatte bereits im März Claas Belling, Leiter der externen Kommunikation bei Airbus Helicopters Deutschland, gegenüber der Presse erläutert. So sollen von den letztendlich verbleibenden 82 Transporthubschraubern NH90 insgesamt 80 aktiv im Dienst und zwei zu Trainingszwecken genutzt werden. Von den 68 übernommenen Tiger-Maschinen sollen elf, die bereits seit mehreren Jahren bei der Bundeswehr im Einsatz sind, außer Dienst gestellt und als „Ersatzteilspender“ genutzt werden. 57 Tiger wird die Bundeswehr bekommen, davon 40 in der Truppe aktiv halten (17 Maschinen sind für Ausbildungszwecke und Umlaufreserve eingeplant).

Alles in allem regelt der neu verhandelte und von den Haushältern mehrheitlich abgesegnete Rahmenvertrag mit Airbus Helicopters die Anschaffung von 168 Kampf- und Transporthubschraubern für rund 8,7 Milliarden Euro.

Ein Helikopter für die unterschiedlichsten Marineaufgaben

Der Sea Lion ist nach Darstellung von Airbus Helicopters von Anfang an als Marinehubschrauber konzipiert worden. Er biete durch seine Multi-Rollen-Auslegung „eine für seine Klasse einzigartige Einsatzvielfalt“, lobt der Hersteller. In der Systembeschreibung des Unternehmens lesen wir: „Ob Search & Rescue, Boarding-Operationen, Unterstützung von Spezialkräften, taktischer Transport oder maritime Aufklärung – der Sea Lion verfügt über die erforderliche Ausrüstung.“

Ausdrücklich verweist Airbus auf die elektronische Fly-By-Wire-Flugsteuerung, die die Arbeitsbelastung der Crew des Sea Lion entscheidend reduziere. Ein weiteres großes Plus sei die Struktur des Marinehubschraubers. Der Hersteller: „Die Struktur des Sea Lion ist aus modernen, hochbelastbaren Faserverbundwerkstoffen gefertigt. Sie bietet nicht nur optimalen Schutz durch höchste Crashworthiness, sondern ist auch unanfällig gegen Korrosion in einem salzhaltigen maritimen Umfeld.“

Der Sea Lion ist kompatibel zu den Fregatten des Typs F124 („Sachsen“-Klasse) und F125 („Baden-Württemberg“-Klasse) sowie zu den Einsatzgruppenversorgern. Auch vom geplanten Mehrzweckkampfschiff 180 wird der Helikopter aus betrieben werden können.

Bundesrechnungshof und Luftfahrtamt der Bundeswehr formulieren Bedenken

Der NH90 NTH der deutschen Marine produzierte in diesem Jahr einige Negativschlagzeilen, merkwürdigerweise ausgerechnet im Vormonat der Parlamentsentscheidung über die Rahmenvereinbarung zwischen Militär und Rüstungsbranche.

Am 19. Februar beispielsweise befasste sich die in der Hauptstadt erscheinende Tageszeitung neues deutschland mit einer Gesamtanalyse des Bundesrechnungshofes zum NH90-Hubschrauberprojekt. Das Blatt zitierte die Bonner Behörde: „Die Marine kann nicht sicher sein, dass der ,Sea Lion‘ alle an ihn gestellten Aufgaben voll erfüllen kann.“ In der Analyse sollen außerdem vier zentrale Probleme thematisiert sein, so neues deutschland: „Der Lieferplan ist nicht realistisch. Durch den bislang hohen Wartungsaufwand und die Anfälligkeit der Marinehubschrauber aus dem NH90-Programm für Korrosion ergeben sich finanzielle und operative Risiken, insbesondere beim Einsatz als Bordhubschrauber. Die Folgen eines Betriebes auf Basis einer militärischen Zulassung ohne Erfüllen aller zivilen Standards sind nicht abschließend geklärt. Der Vertragsentwurf ist nicht geeignet, die Risiken für den Auftraggeber zu minimieren.“

Nur zwei Tage später veröffentlichte das Nachrichtenmagazin Spiegel Kernaussagen aus einem „internen Gutachten des Luftfahrtamtes der Bundeswehr“. Darin werde darauf hingewiesen, so der Spiegel, dass der Sea Lion lediglich die „Flugleistungsklasse 3“ erreiche. Lege man international gültige Bestimmungen zugrunde, dann dürfe nach Meinung der Experten in Köln-Wahn der Marinehubschrauber nicht unter schwierigen Bedingungen über Nord- und Ostsee eingesetzt werden.

Verteidigungsministerium und Airbus widersprechen den Kritikern

In einem Schreiben an den Haushaltsausschuss des Bundestages (vor dessen Beratungen zu den Hubschrauber-Vertragsanpassungen) versicherte Katrin Suder, der „NH90 Sea Lion wird nach derzeitigem Erkenntnisstand seine vorgesehenen Aufträge erfüllen können“. Dazu gehöre auch die Wahrnehmung des hoheitlichen SAR-Auftrages über Nord- und Ostsee. Die Erfahrungen der Partnernationen Frankreich, Italien, Niederlande und Norwegen mit der jeweiligen Marinevariante bewiesen das Leistungsvermögen des Helikopters auch in dieser Aufgabe, erklärte die Staatssekretärin im Bundesministerium der Verteidigung in ihrem Papier vom 27. Februar, das der Redaktion bundeswehr-journal vorliegt.

Suder zufolge soll der Sea Lion der deutschen Marine „gemäß den vorliegenden Nachweisen […] analog eines zivil zugelassenen ,Category B‘-Hubschraubers zertifiziert“ werden. Nach den international geltenden „Betriebsvorschriften für den gewerblichen Verkehr mit Helikoptern“ (Joint Aviation Requirements Operations 3/JAR-OPS 3) müssen für zivile SAR-Einsätze allerdings Hubschrauber der „Category A“ eingesetzt werden. Der Geltungsbereich der JAR-OPS 3 umfasst jedoch nicht den militärischen Hubschrauberflugbetrieb, diesen führt die Bundeswehr nach eigenen Betriebsvorschriften durch. In der dazu erlassenen Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-271/1 – zuvor ZDv 19/2 „Flugbetriebsordnung für die Bundeswehr“ – verpflichten sich die Streitkräfte aber, zivile Bestimmungen zu beachten.

Auch das Unternehmen Airbus Helicopters weist den Vorwurf der See-Untauglichkeit entschieden zurück. Der Hubschrauber werde selbstverständlich über der Nord- und Ostsee bei Such- und Rettungsmissionen eingesetzt werden können. In anderen Ländern verwende man den Hubschrauber bereits für diese Aufgaben, heißt es aus der Firmenzentrale in Donauwörth.


Computergrafik eines NH90 NTH Sea Lion der deutschen Marine.
(Bild: Airbus Helicopters)

Kleines Beitragsbild: NH90 NFH der Königlich Niederländischen Marine (NFH: NATO Frigate Helicopter).
(Foto: Airbus Helicopters)


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