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Berlin/Munster/Neustadt am Rübenberge. Es sind immer wieder nur Wenige, die die ganze Truppe in Verruf bringen. Am heutigen Freitag (27. November) machte die Meldung die Runde, dass die Bundeswehr interne Ermittlungen gegen eine Soldaten-Chatgruppe eingeleitet habe. Es gehe dabei, so hieß es, unter anderem um gewaltverherrlichende, rechtsextremistische und antisemitische Äußerungen. Die Ermittlungen gründeten sich auf den „Verdacht des politischen und extremistisch motivierten Fehlverhaltens“ von Angehörigen der Munsteraner Panzerlehrbrigade 9.

Am Spätnachmittag berichtete beispielsweise das ARD-Hauptstadtstudio in einer Eilmeldung: „Bei der Bundeswehr ist eine Chatgruppe aufgeflogen, in der auch rechtsextreme Inhalte geteilt wurden.“ Dies habe man aus Fraktionskreisen des Bundestages erfahren. Es handele sich, so führte die ARD weiter aus, um eine Chatgruppe, der 26 Soldaten angehört haben sollen – 16 Unteroffiziere und 10 Mannschaftsdienstgrade.

Drei Soldaten bereits suspendiert und mit Uniformtrageverbot belegt

Weiter heißt es in der Pressemitteilung aus Berlin: „In einem Schreiben vom heutigen Tag an die Obleute des Verteidigungsausschusses informiert das Verteidigungsministerium darüber, dass es in dem Chat um pornographische, gewaltverherrlichende, antisemitische und rechtsextremistische Inhalte gegangen sei. Viele der Soldaten kämen aus dem Versorgungsbataillon 141 in Neustadt am Rübenberge.“ Das Bataillon gehört zur Panzerlehrbrigade 9, die ihren Sitz in Munster hat.

Wie das ARD-Hauptstadtstudio ferner in Erfahrung bringen konnte, hätten die Vorgesetzten der Soldaten „unmittelbar nach Bekanntwerden entsprechende Ermittlungen eingeleitet sowie die Wehrdisziplinaranwaltschaft, die Staatsanwaltschaft und den Militärischen Abschirmdienst eingeschaltet“. Drei Soldaten seien bereits suspendiert worden und dürften keine Uniform mehr tragen.

Der SPIEGEL zitierte kurz darauf „Bundeswehrkreise“, die die sichergestellten pornografischen Bilder als gewaltverherrlichende Darstellungen gegen Frauen beschrieben. „Noch schlimmer aber seien Bilder, Texte und anderes Propagandamaterial, die eine eindeutige Nähe zum Rechtsextremismus, tief sitzenden Ausländerhass und auch Antisemitismus unter den Soldaten illustrierten“, schrieb das Magazin. Unter anderem hätten Ermittler in dem Chat Hitler-Bilder oder Fotos von den Soldaten beim Zeigen des Hitlergrußes gefunden.

Versorgungsbataillon 141 an drei Standorten zuhause

Das Versorgungsbataillon 141 ist im niedersächsischen Neustadt am Rübenberge stationiert. Es verfügt über alle logistischen Fähigkeiten, um den Nachschub, die Instandsetzung, die Materialerhaltung und den Transport für die Panzerlehrbrigade 9 zu sichern. Die Soldaten des Bataillons beliefern Gefechtsverbände mit Munition, Betriebsstoffen, Ersatzteilen, Verpflegung und anderen Verbrauchsgütern.

Das Versorgungsbataillon141 war nach einer Umgliederung im Jahr 2015 aus dem Logistikbataillon 141 hervorgegangen. Es verteilt sich heute auf die Standorte Munster, Neustadt am Rübenberge und Rotenburg an der Wümme. Seit September 2020 ist Oberstleutnant Mathias Franke Kommandeur des Versorgungsbataillons 141.

Naziverherrlichende, antisemitische und ausländerfeindliche Nachrichten

Zuletzt hatten immer wieder rechtsextreme Umtriebe von Bundeswehrangehörigen in der Öffentlichkeit für verstörende Schlagzeilen gesorgt. Die in den zurückliegenden Monaten publik gewordenen Fälle von rechtsextremistischen Chatgruppen haben zwar hauptsächlich mit Polizeikräften zu tun. Doch wie die jetzt enttarnte Bundeswehr-Chatgruppe zeigt, hat das neofaschistische Gift inzwischen wohl auch die Streitkräfte erreicht.

Werfen wir bei heutiger Gelegenheit auch einen kritischen Blick auf die Polizei unseres Landes. Vor gut zwei Jahren, Ende 2018, war in Frankfurt am Main ein Netzwerk rechtsextremer Beamter entdeckt worden. Im Juli dieses Jahres wurde in Bayern ein Polizist enttarnt, der zwölf Drohbriefe verschickt hatte (dabei hatte der Beamte auf Polizeicomputer zugegriffen und vertrauliche Daten genutzt). Im September wurde bekannt, dass zwei Polizisten in Mecklenburg-Vorpommern über ihre Privathandys naziverherrlichende, antisemitische und ausländerfeindliche Nachrichten verschickt hatten. In Sachsen ermittelte etwa zu diesem Zeitpunkt die Leipziger Polizei gegen einen Kollegen, der sich in einem Chat rechtsextremistisch und rassistisch geäußert hatte.

Im September flogen rechte Chatgruppen bei der nordrhein-westfälischen Polizei auf. Die Ermittlungen gegen die „braunen Staatsdiener“ förderten danach eine weitere Chatgruppe zutage. Herbert Reul, Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, teilte am 24. November nach großangelegten Durchsuchungen in mehreren Städten des Bundeslandes mit, dass in einer Kegel-Chatgruppe von Polizisten, der 15 Teilnehmer angehörten, rechtsextreme und mutmaßlich strafrechtlich relevante Inhalte gepostet worden seien. Die Inhalte seien „hochgradig fremdenfeindlich und menschenverachtend“, so Reul. Der Innenminister informierte auch darüber, dass sich die Zahl der Mitarbeiter in nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden, bei denen es entsprechende Hinweise auf rechtsextreme Einstellungen gebe, mittlerweile auf insgesamt 191 erhöht habe.

Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung

Brauner Unrat in den Reihen der Polizei auch in Berlin: Hier teilte Polizeipräsidentin Barbara Slowik Anfang November mit, dass es derzeit rund 40 Disziplinarverfahren gegen Polizisten „wegen des Verdachts rechtsextremistischer Vorfälle“ gebe. In etwa 20 dieser Fälle gehe es darum, die Polizeibeamten zu entlassen, sagte sie der Tageszeitung DIE WELT. „Wir haben Kolleginnen und Kollegen mit rechtsextremistischem Gedankengut in unseren Reihen. Das ist leider so.“ Die Polizei gehe strikt dagegen vor. Von den 26.000 Beschäftigten der Polizei Berlin würden aber „99,9 Prozent fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen“.

Erst im Oktober war an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR), wo Anwärter für den gehobenen Polizeidienst ausgebildet werden, eine Chatgruppe aufgedeckt worden. Zu der Gruppe gehörten 26 Personen. Gegen sieben hat die Staatsanwaltschaft bereits ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingeleitet. In der Chatgruppe waren unter anderem der Holocaust geleugnet und Hakenkreuze gepostet worden.

Ebenfalls im Oktober hatte auch das ARD-Magazin „Monitor“ aufdecken können, dass mehr als drei Jahre lang auf einer Berliner Polizeiwache die rechte Gesinnung einiger Polizisten offen in den täglichen Chats zu verfolgen war. Der Chat war „Monitor“ von Berliner Polizisten zugespielt worden, die aus Furcht vor dienstlichen Konsequenzen anonym bleiben wollten. Im Interview beklagten diese, dass unter ihren Kollegen Rassismus weit verbreitet sei. Auch ein Vorgesetzter sei über die rassistischen Inhalte informiert gewesen, unternommen habe er jedoch nichts.

Wenn Rassisten sich innerhalb der Polizeistrukturen sicher fühlen können

Aktuelle Zahlen zu rechtsextremen Verdachtsfällen bei der Polizei und Bundeswehr verdanken wir dem SPIEGEL, der intensiv für seine am 7. August 2020 erschienene Titelstory „Rechtsextreme bei Polizei und Bundeswehr – die dunkle Seite der Staatsmacht“ recherchiert hatte. Demnach sind in den vergangenen Jahren mindestens 400 Verdachtsfälle von rechtsextremen Umtrieben bei der Polizei bekanntgeworden. Die Fälle bezögen sich – so das Magazin – auf rechtsextreme, rassistische oder antisemitische Aktivitäten von Polizisten und Polizeianwärtern.

Seit 2014 zählten die Bundesländer laut SPIEGEL rund 340 Fälle von Rechtsextremismus in der Polizei, bei der Bundespolizei waren es dem Bundesinnenministerium zufolge 36 rechtsextreme und 25 rassistische Verdachtsfälle seit 2012.

Die Rassismus-Expertin, Autorin und Journalistin Alice Hasters sieht in den zunehmenden Chatgruppen-Skandalen eine alarmierende Entwicklung. Es handele sich dabei um ein strukturelles Problem, das dringend angegangen werden müsse. Hasters, die unter anderem für die ARD-Nachrichtensendung „Tagesschau“ und den Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) arbeitet, ist sich sicher: „Die Inhalte in [diesen Gruppen] geben ziemlich deutliche Hinweise darauf, dass Menschen, die rassistisch sind, sich innerhalb der Polizeistrukturen sicher fühlen können.“ Das müsse sich grundlegend ändern. Deshalb reiche es auch nicht, schwarze Schafe zu entfernen und zu denken, damit hätte sich das Problem erledigt, warnte sie. Es wird immer offensichtlicher, dass dies auch für die Bundeswehr gilt …


Unser Bild zeigt das Verbandswappen des Versorgungsbataillons 141 auf einem Uniformärmel.
(Bild: nr)

Kleines Beitragsbild: Symboldarstellung „Online-Chat“ aus dem Bildangebot von Pixabay.
(Foto: Thomas Ulrich/LoboStudioHamburg/unter Pixabay License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich; Bildbearbeitung: mediakompakt)


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