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Berlin. Um die „Erwerbstätigkeit von Angehörigen des Öffentlichen Dienstes nach dem Ende des aktiven Dienstverhältnisses“ geht es in einer aktuellen Unterrichtung durch das Parlamentarische Kontrollgremium. Dieses hat sich gleich in mehreren Sitzungen mit dem sensiblen Thema befasst. Hintergrund der Untersuchung ist nach Angaben des Gremiums, dass „in der jüngeren Vergangenheit Angehörige des Öffentlichen Dienstes mit besonderen sicherheitsrelevanten Kenntnissen beziehungsweise einer Leitungsfunktion in sicherheitsrelevanten Bereichen nach dem Ende des aktiven Dienstverhältnisses Erwerbstätigkeiten im sicherheitsrelevanten Bereich aufgenommen beziehungsweise angezeigt haben“. Das Parlamentarische Kontrollgremium ist für die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes zuständig und überwacht den Bundesnachrichtendienst (BND), den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).

Aus Sicht des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist es problematisch, dass Beamte mit vertieften sicherheitsrelevanten beziehungsweise nachrichtendienstlichen Kenntnissen ungeprüft privatwirtschaftliche Tätigkeiten aufnehmen, die im Zusammenhang mit ihrer vorherigen dienstlichen Verwendung stehen.

Ebenso werde die Aufnahme von Tätigkeiten durch ehemalige Bundeswehr- oder Polizeiangehörige sowie anderer Personen mit umfangreichen sicherheitsrelevanten beziehungsweise nachrichtendienstlichen Kenntnissen für private oder staatliche Unternehmen in fremden Staaten als besorgniserregend wahrgenommen, schreibt das Gremium in seiner Unterrichtung weiter. Es bestehe die Gefahr, dass dienstlich erworbene Fähigkeiten und Kenntnisse autoritären Regimen oder kriminellen Organisationen zur Verfügung gestellt würden. Hierbei könnten sich Interessenkollisionen ergeben, die die sicherheitspolitischen Belange Deutschlands relevant beeinträchtigen.

Tätigkeiten nach Ende des Beamtenverhältnisses langfristig im Blick behalten

Im Gegensatz zur Bundesregierung erachtet das Kontrollgremium die geltende Rechtslage als nicht ausreichend. Paragraf 105 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) sehe lediglich eine Anzeigepflicht, aber keine Genehmigungspflicht vor. Diese Anzeigepflicht bestehe zudem nur, wenn die angestrebte Tätigkeit mit der dienstlichen Tätigkeit in den letzten fünf Jahren im Zusammenhang steht und dienstliche Interessen beeinträchtigt werden können.

Aus Sicht des Gremiums wird der „vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit aus Artikel 12 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich mögliche Rahmen einer Anzeigepflicht in Paragraf 105 BBG aktuell nicht ausgeschöpft“. Das sei auch vor dem Hintergrund der veränderten Sicherheitslage in Europa durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine inakzeptabel. „Wünschenswert wäre ein Anzeigeverfahren ohne Fristen, um die sicherheitspolitische Relevanz von erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten nach Beendigung des Beamtenverhältnisses langfristig im Blick behalten zu können“, führt das Parlamentarische Kontrollgremium weiter aus. Jedenfalls müsse eine relevante Ausweitung der Fristen erfolgen.

Sicherheitspolitische Bedenken mit einem Stufenverfahren vertieft prüfen

Überdies schlägt das Gremium bei Ruhestandsbeamten mit vertieften sicherheitsrelevanten Kenntnissen ein „Stufenverfahren“ vor, das nicht nur eine Anzeigepflicht, sondern auch ein Genehmigungsverfahren vorsieht. Durch die Einführung eines solchen Verfahrens könnten sicherheitspolitische Bedenken je nach Gefährdung dienstlicher Belange vertieft geprüft und konsequenter berücksichtigt werden, so ein Argument. Darüber hinaus müsse der Dienstherr die Möglichkeit haben, Tätigkeiten zu untersagen, wenn er auf anderem Weg als durch eine Anzeige des Beamten von der Tätigkeit erfährt, diese aber „evident dienstliche Interessen beeinträchtigt“.

Ferner empfiehlt das Gremium der Bundesregierung, Unvereinbarkeitsgrundsätze konkreter zu normieren, um transparente und nachvollziehbare Kriterien zu schaffen. Zudem wird in der Unterrichtung betont, dass die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht auch nach Ablaufen der in Paragraf 105 BBG geregelten Zeiträume konsequent überprüft und dienstrechtlich geahndet werden müsse. Bestimmte Tätigkeiten – etwa für einen fremden Staat oder Organisierte Kriminalität beziehungsweise private Söldnertruppen – „sollten bei […] Beamten mit sicherheitsrelevanten Kenntnissen automatisch als Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gelten“.

Gremium drängt auf eine deutliche Verschärfung der geltenden Rechtslage

Wie aus der Unterrichtung schließlich hervorgeht, regt das Parlamentarische Kontrollgremium „nachdrücklich eine deutliche Verschärfung der geltenden Rechtslage“ an und gibt zu bedenken, dass sich „ähnliche Konstellationen auch im Bereich anderer sicherheitsrelevanter Behörden ergeben können“. Dies betreffe insbesondere die Bundeswehr und die entsprechenden Regelungen im Soldatengesetz. Auch daraus erwachse ein entsprechender Handlungsbedarf.

Redaktioneller NACHBRENNER

Mit einem interessanten Aspekt unseres Themas „Karriere nach der Karriere“ haben sich jetzt Christoph Koopmann und Ronen Steinke befasst. Ihr Beitrag für die Süddeutsche Zeitung (SZ): „Wenn Geheimdienst-Chefs zu Unternehmensberatern werden“.

Mehrere ehemalige Präsidenten des Bundesnachrichtendiensts und des Bundesamts für Verfassungsschutz seien inzwischen als Berater oder Lobbyisten tätig, schreiben die beiden Autoren. Das Duo Koopmann (Redakteur „Politik“) und Steinke (SZ-Korrespondent für rechtspolitische Themen) wörtlich: „Verhindern lässt sich so etwas bisher nicht. Doch Geheimdienst-Kontrolleure sehen darin ein zunehmendes Sicherheitsrisiko. (…) Bisher gibt es für das, was diese Männer im Ruhestand tun und lassen, kaum Regeln. Außer, dass sie wie alle sogenannten ,Geheimnisträger‘ auch nach Ende ihrer Dienstzeit dafür sorgen müssen, dass diese Geheimnisse geheim bleiben. Nur für maximal fünf Jahre nach ihrem Ausscheiden müssen sie die Bundesregierung noch darüber informieren, wo sie anheuern, so steht es im Bundesbeamtengesetz.“ Ein interessanter Beitrag der SZ (leider hinter einer Bezahlschranke) über brisantes Konfliktpotenzial …


Unser Symbolbild zeigt eine Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums von Bund und Länder am 19. Juni 2017. Die Sitzung im Paul-Löbe-Haus des Bundestages fand damals statt unter Vorsitz des Unionspolitikers Clemens Binninger.
(Foto: Achim Melde/Deutscher Bundestag)

Kleines Beitragsbild: Symbolaufnahme „Zusatzverdienst“ aus dem Bildangebot von Pixabay.
(Foto: Erdenebayar Bayansan/unter Pixabay License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich)


Kommentare

  1. Dr.-Ing. U. Hensgen | 15. Mai 2023 um 18:02 Uhr

    Mir erscheint der Vorschlag des Parlamentarischen Kontrollgremiums sinnvoll. Die Vorschläge für Ruhestandsbeamte sollten dann umso mehr auch für „Ruhestandpolitiker und -regierungsmitglieder“ gelten.

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