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Berlin/Rostock/Neubrandenburg. Bei einem 40 Jahre alten Soldaten der Bundeswehr sind am heutigen Montag (14. September) in Sponholz nahe Neubrandenburg Wohn- und Büroräume durchsucht worden. Neubrandenburg ist die Kreisstadt des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte in Mecklenburg-Vorpommern. Über die Durchsuchung berichtete zunächst die regionale Tageszeitung Nordkurier. Mittlerweile befasste sich auch das ARD-Politikmagazin „Kontraste“ mit dem Fall. Die Staatsanwaltschaft Rostock bestätigte der „Kontraste“-Redaktion auf Anfrage, dass sie gegen den Mann „wegen Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a Strafgesetzbuch“ ermittele.

Wie der Rostocker Oberstaatsanwalt und Behördensprecher Harald Nowack später der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sagte, seien „seit den frühen Morgenstunden etwa 70 Beamte im Einsatz“ gewesen. Als Auslöser der Durchsuchungsaktion gelte „ein Hinweis auf verdächtige Äußerungen des Deutschen“, so Nowack. Der Mann stamme aus der Region und sei bislang keiner Gruppierung zuzuordnen. Der 40-Jährige arbeite auch als Selbstständiger im Sicherheitsbereich.

„Kontraste“-Recherchen legen „gute Kontakte in rechtsextreme Kreise“ nahe

Laut ARD wurde die Durchsuchung von Kräften des Landeskriminalamtes und der Bereitschaftspolizei Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft gegenüber der dpa sollen auch „vorsorglich Angehörige des Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Landespolizei“ beteiligt gewesen sein. Bei dem Einsatz sei es vornehmlich um die Sicherstellung elektronischer Medien gegangen, erklärte Oberstaatsanwalt Nowack weiter. Informationen über Waffen oder Sprengstoff habe es nicht gegeben.

Nach ARD-Informationen handelt es sich bei dem 40-jährigen Verdächtigen um einen aktiven Bundeswehrsoldaten, der in der Tollense-Kaserne in Neubrandenburg stationiert ist. Der Mann pflegt nach Recherchen des Politmagazins „gute Kontakte in rechtsextreme Kreise“. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Rostock sagte gegenüber der ARD, gegen den Beschuldigten gelte weiterhin die Unschuldsvermutung. Dieser zeige sich „den durchsuchenden Beamten gegenüber sehr kooperativ“.

Umfangreiche Ermittlungen des MAD und des Verfassungsschutzes

Wie eine Sprecherin des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (MAD) gegenüber Medienvertretern sagte, seien der Durchsuchung in Sponholz „umfangreiche Ermittlungen des MAD und des Verfassungsschutzes vorausgegangen“. Ein Sprecher des Bundesministeriums der Verteidigung räumte gegenüber der dpa ein, man habe „Kenntnis von dem Vorfall“.

Die überregionale taz zitierte in ihrem Bericht „Soldat unter Terrorverdacht“ einen Sprecher der Neubrandenburger Tollense-Kaserne. Man werde die Ermittlungen zunächst abwarten, bevor man über drastische disziplinarrechtliche Schritte – etwa ein Uniformtrageverbot – entscheide; der Betroffene werde seinen Dienst aber vorerst nicht weiter ausführen, so das Statement.

Soldaten keinesfalls unter Generalverdacht auf Rechtsextremismus stellen

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer äußerte sich wenige Stunden nach Bekanntwerden der Ermittlungen in Mecklenburg-Vorpommern gegen den Soldaten. Bei einer Diskussionsrunde am heutigen Montag im BMVg mit Trägern des „Netzwerks Politische Bildung“ zum Thema „Prävention gegen Rechtsextremismus“ bekräftigte sie ihre Null-Toleranz-Linie bei Fällen von politischem Extremismus in den Streitkräften. „Für Extremisten ist in der Bundeswehr kein Platz. Gleichzeitig frage ich mich, wie wir extremistischem Gedankengut vorbeugen und eine Radikalisierung in der Truppe verhindern können“, erklärte die CDU-Politikerin.

Kramp-Karrenbauer forderte bei der Veranstaltung eine breite Debatte über „eine zeitgemäße politische Bildung“ für Bundeswehrangehörige. Gleichzeitig betonte sie einmal mehr, dass es gegen Soldaten keinen Generalverdacht auf Rechtsextremismus geben könne. Die Verteidigungsministerin wörtlich: „Die ganz überwiegende Mehrheit der Frauen und Männer in der Bundeswehr steht fest auf dem Boden des Grundgesetzes, unsere Bundeswehr ist dem Recht und der Freiheit verpflichtet.“

FDP-Innenpolitiker sorgt sich um „starke regionale Präsenz“ rechter Kräfte

In den vergangenen Jahren hatte es in Mecklenburg-Vorpommern immer wieder Hinweise auf Kontakte von Sicherheitskräften aus Polizei und Bundeswehr in die rechte Szene gegeben (wir berichteten mehrfach – beispielsweise hier oder hier) . Im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen gegen die Prepper-Gruppe „Nordkreuz“ beispielsweise war bekannt geworden, dass führende Köpfe der Gruppe dem Reservistenverband in Mecklenburg-Vorpommern angehörten. Zwei Männer der „Nordkreuz“-Gruppe, ein Anwalt und ein Kriminalpolizist, sollen geplant haben, an einem „Tag X“ politische Gegner zu töten und dafür Listen angelegt haben. Der Generalbundesanwalt ermittelt wegen „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“.

Kurz nach der Durchsuchung bei Neubrandenburg wies der FDP-Bundestagsabgeordnete Benjamin Strasser auf die starke regionale Präsenz nicht nur der Prepper-Gruppe „Nordkreuz“, sondern auch des inzwischen vom Verfassungsschutz beobachteten privaten Vereins „Uniter“ hin, in dem vor allem Angehörige von Sicherheitsbehörden sowie Soldaten organisiert sind. Es müsse geklärt werden, ob „Querverbindungen“ zu den aktuellen Ermittlungen bestünden, forderte der Innenexperte der FDP-Fraktion.

Grüne kritisieren Informationspolitik des Verteidigungsministeriums

Die Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Agnieszka Brugger und Konstantin von Notz, äußerten sich am heutigen Montagnachmittag in einer gemeinsamen Presseerklärung. Dort heißt es: „Die erneute Durchsuchung bei einem offenbar aktiven Soldaten belegt, dass das Problem von Rechtsextremisten in der Bundeswehr weiterhin sehr akut ist. Die letzten Monate haben gezeigt, wie brandgefährlich diese Entwicklungen für unsere Demokratie und innere Sicherheit sind. Dem muss nun endlich mit aller Entschlossenheit und allem Nachdruck begegnet werden.“

Auch müsse nun schnell und lückenlos aufgeklärt werden, ob und gegebenenfalls welche Verbindungen es zwischen dem Soldaten und weiteren, ähnlichen Vorfällen in der Bundeswehr und anderen Kontexten gebe und ob erneut Waffen, Munition oder Sprengstoff aus Bundeswehrbeständen entwendet worden seien. Von Notz und Brugger an die Adresse der Verteidigungsministerin: „[Sie] muss das Parlament so schnell wie möglich darüber unterrichten, welche konkreten Hintergründe in diesem Fall zu der Durchsuchung geführt haben. Warum das Parlament einmal mehr von so schwerwiegenden Vorfällen nur über Pressemeldungen erfährt, wird die Bundesregierung ebenfalls beantworten müssen. Die Informationspraxis von Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer gegenüber dem Bundestag in solch wichtigen Fragen muss dringend besser werden.“

Redaktioneller NACHBRENNER

Der wegen Planung eines möglichen Terroranschlags verdächtige Neubrandenburger Bundeswehrsoldat bleibt auf freiem Fuß. Dies berichtete Mirko Hertrich am Dienstag (15. September) im Nordkurier. Hertrich zitierte dabei den Rostocker Oberstaatsanwalt Harald Nowack, der „wiederholt die Unschuldsvermutung betonte“. Der 40-jährige Deutsche verhalte sich kooperativ, schweige aber bislang zu dem Vorwurf der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, so die Information der Behörde.

Wie es im Nordkurier weiter heißt, sei der Verdächtige nach der Durchsuchung in Sponholz zunächst vom Dienst freigestellt worden. Vor Einleitung disziplinarischer Maßnahmen wolle man zunächst das Ergebnis der Ermittlungen abwarten, so am Dienstag ein Sprecher der Panzergrenadierbrigade 41 „Vorpommern”, welche in der Tollense-Kaserne in Neubrandenburg ihren Stab hat. Der betroffene 40-Jährige ist in der Kaserne stationiert.

Der Nordkurier-Beitrag befasst sich auch mit der Gefährderlage. Laut der Informationen der Staatsanwaltschaft Rostock hätten sich die Drohungen des Mannes „offenbar gegen Einzelpersonen aus Sicherheitsbehörden“ gerichtet. Eine Gefahr für die breite Bevölkerung könne die Staatsanwaltschaft trotz des Großeinsatzes am Montag ausschließen. Es sei nun Gegenstand der Ermittlungen, ob es sich um „vollmundige Geschichten“ gehandelt habe oder ob die Androhungen auch „mit Inhalt gefüllt“ seien.

Eigentlich sollten hier die Sicherheitsbehörden – vor allem der MAD – bereits wasserdichte Erkenntnisse vorlegen können …


Die Aufnahme zeigt einen Eingangsbereich der Tollense-Kaserne in Neubrandenburg, hier ist die Panzergrenadierbrigade 41 zuhause. Der verdächtige 40 Jahre alte Bundeswehrsoldat soll Medienberichten zufolge hier stationiert sein.
(Foto: SBL Rostock)


Kommentare

  1. Dr.-Ing. U. Hensgen | 20. September 2020 um 19:30 Uhr

    Zum redaktionellen Nachbrenner „Eigentlich sollten hier die Sicherheitsbehörden – vor allem der MAD – bereits wasserdichte Erkenntnisse vorlegen können …“ kann ich nur zustimmen. Dass „die Politik“ oft nicht zwischen radikalen und extremistischen Äußerungen unterscheiden kann, ist hinlänglich bekannt. Von Nachrichtendiensten erwarte ich allerdings, dass sie dies können. Aber: Wenn sie es können, warum gibt es dann vor Gericht so viele Niederlagen?

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