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Mainz/Berlin. Der Puma wird angepriesen als der modernste und leistungsfähigste Schützenpanzer der Welt. Doch die schlechten Nachrichten über das deutsche Vorzeigewaffensystem reißen nicht ab. So verschiebt sich beispielsweise die Herstellung der vollständigen Einsatzreife der 350 Puma-Panzer, die die Bundeswehr insgesamt erhalten soll, ständig. Auch die Aufrüstung von 41 der Fahrzeuge für Bündnisverpflichtungen im Rahmen der „superschnellen“ NATO-Eingreiftruppe VJTF (Very High Readiness Joint Task Force) im Jahr 2023 steht auf dem Spiel. Nach einem Bericht des Bundesrechnungshofes vom Juni 2019, der dem investigativen ZDF-Politmagazin „Frontal 21“ vorliegt, belaufen sich die Kosten für die erforderliche Aufrüstung dieser Exemplare inzwischen wohl auf 723,5 Millionen Euro. Nach den Planungen sollen die 41 VJTF-Fahrzeuge auch mit der modularen Kampfausstattung „Infanterist der Zukunft – Erweitertes System“ (IdZ-ES) ausgestattet werden. „Frontal 21“ berichtete am heutigen Dienstag (8. Oktober) unter der Titel „Bedingt einsatzbereit – der Pannenpanzer Puma“ ausführlich über das schwierige Rüstungsprojekt.

Die von „Frontal 21“ aus dem Bundesrechnungshof-Dokument wiedergegebenen Aufrüstungskosten in Höhe von mehr als 720 Millionen erstaunen. Denn am 3. April hatten Fabian Löhe und Georg Ismar vom Berliner Tagesspiegel noch berichtet, dass das Upgrade der 41 deutschen Puma-Fahrzeuge für die VJTF Kosten „von mindestens 228,1 Millionen Euro“ verursachen werde. Dies gehe aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums an den Bundestagsabgeordneten Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen) hervor, die der Tagesspiegel habe einsehen können, so im Frühjahr die beiden Redakteure in ihrem Beitrag „Pumas sind nicht NATO-tauglich“.

Mit Stand 1. Mai 2019 hat die Industrie 280 Schützenpanzer Puma, inklusive acht Fahrschulfahrzeuge, ausgeliefert. Gemäß aktuellem Vertrag hätten es zu diesem Zeitpunkt 305 Fahrzeuge sein müssen. Die Verzögerungen beim Serienzulauf begründen sich – so der „9. Bericht des Bundesministeriums der Verteidigung zu Rüstungsangelegenheiten“ vom Juni dieses Jahres – vor allem durch „Qualitätsmängel bei Baugruppen, die bei der Inbetriebnahme und Endmontage aufgefallen sind“. Dadurch habe sich der vertraglich vereinbarte Termin für das Ende der Auslieferung um insgesamt sechs Monate verschoben. Das Ende der Auslieferung sei weiterhin im Jahr 2020 geplant.

Chancen für einen Einsatz bei NATO-Eingreiftruppe eher gering

Lindner, unter anderem Obmann seiner Fraktion im Verteidigungsausschuss, hatte bereits im April heftig die permanenten Problemen mit dem Puma kritisiert. Zitat des Abgeordneten damals im Tagesspiegel: „Heute sind die gelieferten Fahrzeuge offensichtlich immer noch nicht für Einsätze geeignet. Anders lässt sich nicht erklären, dass Millioneninvestitionen notwendig sind, um gut 40 Panzer für die Teilnahme an der VJTF klarzumachen.“ Es mache keinen Sinn, einen noch nicht fertig entwickelten Panzer in Dienst zu stellen, so Lindner vor rund sieben Monaten.

Heute äußerte sich der Parlamentarier im „Frontal 21“-Interview sichtlich verärgert: „Ich fühle mich an der Stelle vom Verteidigungsministerium getäuscht, wenn man die wahren Kosten sieht, die ja dann auch der Rechnungshof aufgelistet hat. Dann sind da Bestandteile rausgerechnet worden, die eigentlich bei einer wahrheitsgemäßen und korrekten Antwort hätten aufgelistet werden müssen.“ Das Verteidigungsministerium wies auf Anfrage des Politmagazins einen Täuschungsvorwurf strikt zurück. Man habe „das Parlament vollständig informiert“, wurde versichert.

Wie „Frontal 21“ weiter berichtete, sollen nun auch dem Wehrressort Zweifel hinsichtlich der 41 Schützenpanzer Puma für die VJTF-Mission gekommen sein. Einem internen ministeriellen Rüstungsbericht zufolge liege die Wahrscheinlichkeit, dass die 41 Panzer im Jahr 2023 für die NATO einsatzbereit sein werden, „gerade mal bei 30 Prozent“. Das Verteidigungsministerium verweist darauf, dass der Puma nur eine Option für diese Bündnismission sei.

Gängige Bundeswehr-Praxis „aus zwei mach eins“

Ein weiteres großes Puma-Problem ist die Ersatzteilversorgung. Davon betroffen ist besonders der Betrieb der bisher in der Basisvariante ausgelieferten rund 280 Fahrzeuge. Laut dem bereits erwähnten Rüstungsbericht, aus dem „Frontal 21“ zitiert, schlachtet die Bundeswehr inzwischen Panzer aus, um Ersatzteile zu gewinnen. Auch sei aus dem Verteidigungsministerium zu hören, so das Magazin des ZDF, dass im Rahmen einer „qualifizierten Baugruppengewinnung“ Ersatzteile aus in Reparatur befindlichen Puma-Schützenpanzern gewonnen würden.

Christian Mölling, Stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), zeigt sich von dieser Praxis nicht überrascht: „Aus zwei mach eins ist gängige Praxis in der Bundeswehr – dann läuft wenigsten einer von zwei Panzern.“

Der Grünen-Politiker Lindner zürnt: „Es wird sicherlich noch zehn bis 20 Jahre dauern, bis der Puma vollumfänglich funktioniert, bis alle Ersatzteile da sind.“ Der Abgeordnete befürchtet, das auch deshalb „noch ein paar Milliarden“ in das Projekt fließen werden.

Kontinuierliche Fortschreibung des Fähigkeitsprofils der Bundeswehr

Mit den Finanzmitteln, die der von den beiden deutschen Rüstungskonzernen Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann produzierte Puma voraussichtlich verschlingen wird, hat sich auch schon Matthias Höhn befasst. Der Bundestagsabgeordnete der Linken, der wie Lindner Mitglied des Verteidigungsausschusses ist, hatte am 9. Juli dieses Jahres die Bundesregierung gefragt: „Mit welcher Gesamtsumme plant die Bundesregierung, um die vollständige Einsatzreife der 350 Schützenpanzer vom Typ Puma (Beschaffungskosten, Nachrüstungen, Leistungsänderungen und Systemverbesserungen inklusive Kosten für VJTF-Nachrüstung) herzustellen, und inwieweit weicht diese Gesamtsumme von der Summe ab, die bei der ersten parlamentarischen Befassung des Projekts anvisiert war?“

In seiner Antwort vom 17. Juli teilte der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung Thomas Silberhorn mit, dass für die Herstellung der vollständigen Einsatzreife der 350 Schützenpanzer Puma derzeit 5989 Millionen Euro (rund 5,9 Milliarden Euro) eingeplant seien. Diese Summe weiche um 2919 Millionen Euro (rund 2,9 Milliarden Euro) von der anfangs zu Grunde gelegten Summe ab. Der Staatssekretär erklärte dazu: „Dieser Kostenaufwuchs begründet sich aus der vertraglich vereinbarten Preiskalkulation sowie aus zusätzlichen zur Herstellung der vollständigen Einsatzbereitschaft erforderlichen Maßnahmen, welche sich in den letzten 17 Jahren aus der kontinuierlichen Fortschreibung des Fähigkeitsprofils der Bundeswehr und der technologischen Entwicklung als erforderlich ergeben haben.“

Ursprünglicher Puma-Stückpreis jetzt fast schon verdreifacht

In einer Antwort der Bundesregierung vom 24. Februar 2014 finden sich interessante Stückpreiszahlen für den Puma (angefragt zum Thema „Kostenentwicklung bei Großwaffensystemen“ hatten damals Christine Buchholz, Inge Höger, Alexander S. Neu und weitere Abgeordnete der Bundestagsfraktion Die Linke). So ergab sich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Beschaffungsvertrages ein rechnerischer Stückpreis von rund 6,5 Millionen Euro – Preisstand Dezember 2004 – für ein Puma-Serienfahrzeug (350 Serienfahrzeuge demnach 2275 Millionen Euro). Unter Berücksichtigung der vertraglich vereinbarten Preiseskalation und Umlegung der Zusatzleistungskosten in Höhe von etwa 651 Millionen Euro auf die 350 Serienfahrzeuge ergab sich später dann – im Februar 2014 – ein Preis von rund 9,9 Millionen Euro pro Fahrzeug (350 Serienfahrzeuge demnach zu diesem Zeitpunkt bereits insgesamt 3465 Millionen Euro).

Matthias Höhn erklärte gegenüber dem bundeswehr-journal: „Ursula von der Leyen ist jetzt in Brüssel, aber ihr politisches Erbe werden die Steuerzahler in Deutschland noch lange spüren. Der Puma bleibt eine der größten Fehlplanungen des Verteidigungsministeriums und steht exemplarisch für das ineffiziente Beschaffungswesen der Bundeswehr. Die Kosten für den ohnehin schon teuersten Schützenpanzer der Welt haben sich mittlerweile verdoppelt – von drei Milliarden auf gigantische sechs Milliarden Euro. Diese absurde Entwicklung ist weder sicherheitspolitisch noch haushälterisch zu rechtfertigen. Annegret Kramp-Karrenbauer wird sich daran messen lassen müssen, ob es ihr gelingt, die Steuerverschwendung und Skandale im Bundesministerium der Verteidigung nachhaltig abzustellen.“


Randnotiz                                  

ZDF-Magazin „Frontal 21“ berichtete am heutigen Dienstag, 8. Oktober 2019, in der Zeit von 21 bis 21:44 Uhr über den Schützenpanzer Puma und die vielen Ungereimtheiten dieses Rüstungsprojektes. Der Beitrag ist danach in der ZDF-Mediathek abrufbar. Alle Angaben ohne Gewähr.


Die beiden Aufnahmen zeigen:
1. Schützenpanzer Puma am 8. Juli 2014 auf dem Truppenübungsplatz in Bergen im Rahmen der taktischen Einsatzprüfung.
(Foto: Jane Hannemann/Bundeswehr)

2. Schützenpanzer Puma am 24. Juni 2015 während einer dynamischen Vorführung im Rheinmetall-Erprobungszentrum Unterlüß nahe Munster.
(Foto: Marco Dorow/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Studiobild der Magazinsendung „Frontal 21“.
(Foto: Svea Pietschmann/ZDF)


Kommentare

  1. Dr.- Ing. U. Hensgen | 9. Oktober 2019 um 18:48 Uhr

    Die Probleme bei der Beschaffung in der Bundeswehr sind hinlänglich bekannt und lassen sich an vielen Beispielen belegen. Aber diese Probleme in Bezug auf Termintreue und Kostensicherheit finden sich bei vielen Projekten der öffentlichen Hand (Elbphilharmonie, Berliner Flughafen etc.). Warum ist das so?

    Zum Vergleich werden Beschaffungsinvestitionen in der Industrie im Hinblick auf Kosten und Termintreue meist mit einer Treffsicherheit von 95 Prozent realisiert. Die Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst und also auch der Bundeswehr sind genauso qualifiziert wie die Leute in der Industrie. Warum funktioniert dann die Beschaffung in der Industrie reibungsloser?

    Plakativ und sehr vereinfacht dargestellt plant in der Industrie der zukünftige Betreiber einer Anlage diese und beschafft sich Budgetangebote. Diese werden von der Kaufmannschaft immer für total überzogen angesehen. Die juristische Abteilung wird selbstverständlich das viel zu hohe Risiko für die Firma bei den Vertragsentwürfen feststellen. Nach dem üblichen Hin und Her liegt ein mit allen Beteiligten abgestimmtes Papier vor, mit dem der Betreiber die notwendigen Mittel beantragt. Werden dies Mittel genehmigt, so startet das Realisierungsprojekt unter Federführung des zukünftigen Betreibers und wird in der Regel termingerecht umgesetzt ohne den Kostenrahmen zu sprengen.

    Im Öffentlichen Dienst beschafft in der Regel ein Amt oder eine Stabstelle beispielsweise neue Schiffe oder Panzer. Der zukünftige Nutzer wird zwar anfangs bei der Erstellung der Spezifikation eingebunden, er hat aber ansonsten mit der Beschaffung wenig zu tun. Im Laufe des Beschaffungsprozesses werden beispielsweise Spezifikationen geändert oder bisweilen Verträge durch Juristen sinnverändernd umformuliert, ohne dass der zukünftige Betreiber eingebunden wird. Man braucht sich also nicht zu wundern, wenn irgendwann etwas ausgeliefert wird, das niemand haben wollte. Dann aber laufen Zeit und Kosten davon. Erschwerend kommt bei der Bundeswehr noch hinzu, dass sich Politiker (und Berater) in den Beschaffungsprozess einmischen, obwohl sie über fast keine Sachkenntnis verfügen.

    Ich bin der festen Überzeugung, dass die Beschaffung bei der Bundeswehr schnell deutlich zu verbessern ist, wenn die Beschaffungsverantwortung beim zukünftigen Nutzer liegt, alle Fach- und Stabsabteilungen zuarbeiten und die Politik sich aus der Beschaffung raushält.

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