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Berlin. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will offenbar bis 2022 zusätzliche 25 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Dies berichtete die BILD-Zeitung am Freitagabend (15. Juni) in ihrem Onlineangebot BILDplus. Wie das Blatt unter Berufung auf ein 17 Seiten starkes vertrauliches Papier des Verteidigungsministeriums schreibt, fordere von der Leyen bis Ende der Legislaturperiode 2021 rund 15 Milliarden mehr als im Etat vorgesehen. Für das Folgejahr 2022 verlange sie von Bundesfinanzminister Olaf Scholz noch einmal zusätzlich zehn Milliarden Euro. In dem Ministeriumsbericht werde argumentiert, so zitiert BILD, dass ohne Erhöhung des Verteidigungsbudgets „mehr als 200 neue Vorhaben“ nicht zu realisieren seien, darunter multinationale Projekte wie die Eurodrohne. Auch müssten Bundeswehrsoldaten auf wichtige Ausstattung – wie neue Kampfschuhe und Helme – verzichten.

In dem 17-seitigen Bericht aus dem Wehrressort werden BILD zufolge steigende Kosten bei Rüstung, Personal und Betrieb verantwortlich gemacht für den dringenden finanziellen Mehrbedarf in Milliardenhöhe.

So würden beispielsweise das neue Sturmgewehr und eine bessere Bewaffnung des Eurofighter-Kampfflugzeugs die Rüstungsausgaben bis zum Jahr 2023 von momentan geplanten 8,5 Milliarden Euro auf 17 Milliarden Euro verdoppeln. Bei den Kosten für Personal und Betrieb rechnet das Verteidigungsministerium laut BILD bis 2023 mit einem Zuwachs um rund 3,4 Milliarden Euro auf insgesamt 34,4 Milliarden Euro. Verursacht würde diese Kostensteigerung durch den personellen Aufwuchs der Truppe und durch die Instandhaltung alter Technik.

Grüne bezeichnen Forderungen der Ministerin als „Wunschliste“

Der sicherheitspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Tobias Lindner, äußerte sich zu den aktuellen Etatforderungen der Verteidigungsministerin. Die Forderungen von der Leyens hätten eher etwas mit einer Wunschliste zu tun als mit seriöser Finanzplanung“, so der Bundestagsabgeordnete. „Wie die Ministerin die immensen Mehrforderungen mit der schwarzen Null in Einklang bringen will, bleibt ihr Geheimnis.“ Von der Leyen baue gegenüber SPD-Finanzminister Scholz „ein Drohszenario“ auf und versuche zu suggerieren, dass es zu ihrer Forderung nach zusätzlichen Finanzmitteln keine Alternative gebe. Lindner kritisierte: „Einfach mal alle möglichen Beschaffungsvorhaben aufzuschreiben, die der Ministerin in den Sinn kommen, ist nicht nur unbezahlbar, sondern hat auch mit vernünftigen Prioritäten für die Ausstattung der Bundeswehr nichts zu tun.“

Auch die SPD hat sich zu Wort gemeldet. So äußerte Rolf Mützenich, stellvertretender Vorsitzender seiner Fraktion und zuständig für Außen-, Verteidigungs- und Menschenrechtspolitik: „Was die Verteidigungsministerin weder beim damaligen CDU-Finanzminister noch bei den Koalitionsverhandlungen durchsetzen konnte, lastet sie jetzt anderen an. Im Fußball nennt man so etwas ,grobes Foul‘. Mehr noch: Seit vier Jahren hat sie es nicht vermocht, ihr Haus und das Beschaffungswesen in den Griff zu bekommen. Vorhandene Haushaltsmittel für Verteidigungszwecke wurden von ihr nicht ausgeschöpft.“

Über mehrere Jahre hinweg eine stetig steigende Finanzlinie

Der Verteidigungsetat ist der zweitgrößte Posten im Bundeshaushalt. Für das laufende Jahr sind bislang 38,49 Milliarden Euro vorgesehen (eine Steigerung um 1,49 Milliarden Euro), für das kommende Jahr dann 41,54 Milliarden Euro. Bis zum Ende der Legislaturperiode 2022 soll der Etat gar auf 42,68 Milliarden Euro steigen. Mit diesen Größenordnungen aus dem Eckwertebeschluss der Bundesregierung für die Jahre 2019 bis 2022 käme der Verteidigungsetat Wirtschaftsprognosen zufolge nicht einmal in die Nähe eines 1,5-Prozent-Ziels (1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung), so wie es von der Leyen mittelfristig anstrebt.

In der ersten Lesung des Bundestages zum Einzelplan 14 des Bundeshaushalts am 16. Mai erinnerte von der Leyen daran, dass Deutschland im Jahr 1990, dem Jahr der Wiedervereinigung, 2,4 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes in Verteidigung investiert habe. Nach Jahren der Schrumpfung und Kürzung – Stichwort „Friedensdividende“ – und einer zusätzlichen Sparauflage durch Wirtschafts- und Finanzkrise habe man im Jahr 2015 mit 1,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes den absoluten Tiefpunkt erreicht. Wörtlich sagte sie: „Wir investieren wieder mehr in die Bundeswehr. Die Beschaffungsaufträge haben sich im Volumen in der letzten Legislaturperiode verfünffacht, um die Lücken zu füllen. Die Finanzlinie steigt. Aber wir sind gerade mal am Anfang. Das heißt, wir brauchen über mehrere Jahre eine nachhaltig, stetig steigende Finanzlinie.“

Von der Leyen stimmte dem Haushaltsentwurf für 2019, über den der Bundestag im September beraten wird, ebenso wie CSU-Entwicklungshilfeminister Gerd Müller nur unter dem Vorbehalt zu, dass ihr Etatansatz deutlich erhöht wird. Sicherheit koste Geld, sagte die Politikerin im Parlament. „Allein mit Lippenbekenntnissen werden wir die Sicherheit für Europa nicht schaffen und werden wir auch Sicherheit und Stabilität in Afrika nicht herstellen können. Unsere Soldatinnen und Soldaten werden wir mit warmen Worten allein auch nicht bestmöglich und modern ausrüsten und ausstatten können.“

Personalausgaben, Versorgung, Beschaffungen und Betrieb

Im Etatentwurf der Bundesregierung entfallen auf den Ausgabenbereich „Personalausgaben“ 17,89 Milliarden Euro (2017: 17,82 Milliarden Euro), auf den Bereich „Militärische Beschaffungen, Anlagen und Ähnliches“ 12,29 Milliarden Euro (2017: 11,22 Milliarden Euro).

Allein für militärische Beschaffungen sind 4,89 Milliarden Euro eingestellt (2017: 4,74 Milliarden Euro). Die Verpflichtungsermächtigungen für die kommenden Haushaltsjahre bis 2031 summieren sich dabei auf 18,34 Milliarden Euro. 680 Millionen Euro sind für die Beschaffung des Großraumtransportflugzeugs A400M vorgesehen (2017: 825 Millionen Euro), 650 Millionen Euro für die Beschaffung des Schützenpanzers Puma (2017: 580 Millionen Euro) und 390 Millionen Euro für die Beschaffung des Waffensystems Eurofighter (2017: 500 Millionen Euro).

Für die Materialerhaltung in der Bundeswehr sieht der Etatentwurf 3,37 Milliarden Euro vor (2017: 2,96 Milliarden Euro), davon allein 2,01 Milliarden Euro für die Erhaltung von Flugzeugen, Flugkörpern, Flugrettungsgerät, Sicherheitsgerät und sonstigem flugtechnischen Gerät (2017: 1,79 Milliarden Euro). Der sonstige Betrieb der Bundeswehr schlägt mit 2,75 Milliarden Euro zu Buche (2017: 2,26 Milliarden Euro), darunter 741,39 Millionen Euro für Aufträge und Dienstleistungen im Bereich der Informationstechnik.

Für die Unterbringung der Soldaten sind 5,23 Milliarden Euro verplant (2017: 4,96 Milliarden Euro), darunter 2,58 Milliarden Euro für Mieten und Pachten (2017: 2,57 Milliarden Euro) und 1,04 Milliarden Euro für Baumaßnahmen (2017: 898,16 Millionen Euro).

Die internationalen Verpflichtungen der Bundeswehr – unter anderem für die NATO und für Auslandseinsätze – schlagen mit 1,51 Milliarden Euro zu Buche (2017: 1,32 Milliarden Euro).

Die Ausgaben für Kommandobehörden und die Truppe, für Sozialversicherungsbeiträge, Fürsorgemaßnahmen und die Versorgung der Soldaten summieren sich auf 13,84 Milliarden Euro (2017: 13,61 Milliarden Euro). Allein für die Versorgung der Soldaten sind 4,73 Milliarden Euro (2017: 4,7 Milliarden Euro) eingestellt.

Tiefe Spuren des jahrzehntelangen Sparkurses beseitigen

Am Mittwoch dieser Woche (13. Juni) fand im Haushaltsausschuss des Bundestages die Sitzung zum Einzelplan 14 des Haushaltsentwurfs 2018 statt. Eckhardt Rehberg, haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, kündigte an, man wolle am Regierungsentwurf „zum Wohle unserer Soldaten“ noch einmal nachbessern. Dies könne jedoch nur ein erster Schritt sein. „Die Verteidigungsausgaben müssen in dieser Legislaturperiode weiter steigen, um unsere Streitkräfte zu modernisieren und längst überfällige Zukunftsinvestitionen tätigen zu können“, sagte Rehberg.

Rehberg sieht ansonsten Beschaffungsvorhaben und bereits angestoßene Projekte mit europäischen Partnern, wie die Beschaffung eines Nachfolgers für die CH-53, die Uboot-Kooperation mit Norwegen, aber auch die Entwicklung der Eurodrohne und die Ausstattung mit modernen Funkgeräten in Gefahr.

Reinhard Brandl, Berichterstatter der Union im Haushaltsausschuss und Mitglied im Verteidigungsausschuss, argumentierte ähnlich. „Um die tiefen Spuren des jahrzehntelangen Sparkurses zu beseitigen, müssen wir wieder stärker in Material und Personal investieren.“ Dies sei man der Truppe schuldig, so der CSU-Politiker.

Deutschland wird das Zwei-Prozent-Ziel bis 2025 nicht erreichen

Einen Tag nach der Sitzung des Haushaltsausschusses besuchte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg Berlin. Dabei ging es nicht nur um die Vorbereitung des Bündnisgipfels der Staats- und Regierungschefs am 11. und 12. Juli in Brüssel. Auch das Thema „Deutschlands Verteidigungsausgaben“ spielte bei seinem Besuch einmal mehr eine zentrale Rolle.

Stoltenberg sprach am Donnerstag (14. Juni) unter anderem mit Bundesaußenminister Heiko Maas. Am Freitag nahm er dann an einer gemeinsamen Sitzung des Auswärtigen Ausschusses und des Verteidigungsausschusses teil, ehe er Bundeskanzlerin Angela Merkel traf.

Bei der abschließenden Pressekonferenz zusammen mit Stoltenberg räumte Merkel ein, dass Deutschland das NATO-Ziel, die Verteidigungsausgaben bis zum Jahr 2025 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, auch weiterhin verfehlen werde. Deutschland werde „realistischerweise – wenn ich es heute abschätzen muss – die zwei Prozent nicht erreichen“, so die Kanzlerin wörtlich. Weiter sagte sie: „Wir haben unsere Ausstattung der Bundeswehr und unsere Beiträge für die Verteidigung erhöht. Manchmal erscheint das noch zu langsam. Aber die Dinge gehen in die richtige Richtung. Wir haben jetzt für 2024 einen Anteil von 1,5 Prozent der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt gemeldet und damit auch ein starkes Versprechen abgegeben. Das Zweite ist: Wir werden ein anderes Ziel erreichen, das die NATO auch ausgegeben hat, dass nämlich 20 Prozent der Mittel in neue Ausrüstung gegeben werden sollen. Dieses 20-Prozent-Ziel werden wir erreichen.“

Generalsekretär Stoltenberg nahm in Berlin bei der Pressekonferenz ebenfalls noch einmal Stellung zum vereinbarten Ausgabenziel des Bündnisses. Er sagte: „Ich begrüße sehr, dass hier in Deutschland die Kürzungen beendet worden sind und dass man mit einem allmählichen Anstieg begonnen hat. Im vergangenen Jahr gab es einen realen Anstieg von sechs Prozent. Das ist ziemlich bedeutsam. Ich ermutige Deutschland natürlich, mehr zu tun, einfach deswegen, weil Deutschland die größte Wirtschaft in Europa ist. Das heißt also, es ist wirklich wichtig, was Deutschland tut, auch weil das Vorbildfunktion hat.“


Zu unserem Bildmaterial:
1. Sitzung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags im Berliner Paul-Löbe-Haus. Die Aufnahme wurde am 25. April 2018 gemacht.
(Foto: Simone M. Neumann/Deutscher Bundestag)

2. Gemeinsame Pressekonferenz von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und Bundeskanzlerin Angela Merkel am 15. Juni 2018 in Berlin.
(Foto: NATO)

Kleines Beitragsbild: Symboldarstellung „Finanzmittel“ aus dem Bildangebot von Pixabay.
(Bild: jojooff/CC0 Creative Commons; freie kommerzielle Nutzung; kein Bildnachweis erforderlich)


Kommentare

  1. Dr.-Ing. U. Hensgen | 19. Juni 2018 um 09:12 Uhr

    Dann hoffen wir einmal, dass die von der Ministerin vorgestellten Beschaffungsvorhaben in ihrer Priorität gut durchdacht sind, fachlich sinnvoll ausgesucht wurden und nicht der Selbstdarstellung dienen. In diesem Fall kann man nur an die Einsicht der Politiker appellieren, denn die Forderungen erscheinen mir in Anbetracht des Zustandes der Bundeswehr nicht überhöht.
    Selbstverständlich sollten die der Bundeswehr zur Verfügung gestellten Mittel dann auch optimal eingesetzt werden.

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