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Berlin/Elsfleth. Das Segelschulschiff „Gorch Fock“ kann nun doch wohl erst „frühestens im April 2020“ an die deutsche Marine übergeben werden. Dies meldet jetzt das ARD-Hauptstadtstudio unter Berufung auf das Verteidigungsministerium. Mitarbeiter des Ministeriums hätten entsprechende Recherchen der Kollegen des NDR und der ARD bestätigt. Die Reparatur der Dreimastbark wird demnach deutlich länger dauern, als bislang geplant und von der Führung auch immer wieder kommuniziert. Eigentlich sollte das Schiff bereits im April 2019 der Teilstreitkraft wieder für Ausbildung und Repräsentation zur Verfügung stehen.

Wie die Berliner Redaktion heute berichtet, konnten die Masten der „Gorch Fock“ bis jetzt noch nicht gesetzt werden. Außerdem gebe es Probleme mit dem Motor. Dieser sei ausgebaut und überholt worden, im Maschinenraum seien jedoch Halterungen und Zuleitungen entfernt worden, was jetzt die Arbeiten verzögere.

Ferner erfuhr das ARD-Hauptstadtstudio: „Zu weiteren Kostensteigerungen soll es nicht kommen. Mit der Werft ist ein Festpreis vereinbart. Die Instandsetzung des Schiffes kostet demnach 135 Millionen Euro.“

Auf dem Großsegler illegal geschlagenes Holz aus Myanmar verbaut?

Die „Gorch Fock“ hatte letztmalig Ende September für Negativschlagzeilen gesorgt. Gemeinsam mit der Schweizer Stiftung „World Wide Fund For Nature“ (WWF) hatte das Team der ARD-Politiksendung „Report Mainz“ herausgefunden, dass bei der laufenden Sanierung des Segelschulschiffs wahrscheinlich illegal geschlagenes Holz aus Myanmar verbaut worden war. Wie es ausgerechnet bei dem Paradeschiff der deutschen Marine dazu kommen konnte, ist schwer nachvollziehbar. Seit 2007 gilt ein für Bundesbehörden bindender Erlass für die Beschaffung von Holzprodukten. Dieser fordert eindeutig die Beschaffung von Holz aus zertifizierter nachhaltiger Waldwirtschaft.

Dazu am 26. September Uwe Sayer, Geschäftsführer des deutschen Ablegers der gemeinnützigen Organisation FSC (Forest Stewardship Council): „Die Beschaffungsregeln der Bundesregierung für Holz sind klar und wurden aus gutem Grund verabschiedet.“ Sollten sich die Vorwürfe von WWF Deutschland und ARD als richtig herausstellen, sei der Vorgang schlichtweg skandalös, so der Geschäftsführer des FSC Deutschland.

Der Fall zeugt aus Sicht des promovierten Ökologen Sayer von „Ignoranz gegenüber dem Wert intakter und bedrohter Wälder“. Er zürnte: „Offensichtlich messen die Aufsichtsbehörden hier mit zweierlei Maß. Jeder kleine Holzhändler oder Bootsbauer würde von den Behörden in so einem Fall – völlig zu Recht – mit Sanktionen und Strafen konfrontiert. Das betroffene Holz wäre bis zur endgültigen Klärung beschlagnahmt.“

Der WWF spricht von „Versagen zweier staatlicher Behörden“

Auf Anfrage von „Report Mainz“ im September hatte das Verteidigungsministerium zunächst angegeben, bei den importierten Hölzern würde es sich um „nachhaltig erzeugtes Plantagenholz aus Myanmar“ handeln. Nach Angaben des Importeurs sei die Einfuhr des Teakholzes für die „Gorch Fock“ überprüft worden.

Später hatte das Wehrressort jedoch einräumen müssen, dass es sich bei gelieferten Hölzern um „möglicherweise illegal geschlagenes Tropenholz“ handele. „Report Mainz“ zitierte aus der ministeriellen Auskunft: „Die Überprüfung der rechtlich verantwortlichen Marktteilnehmer hat ergeben, dass sie zwar im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht umfangreiche Maßnahmen ergriffen haben, diese aber nicht ausreichen, um das Risiko, dass das Holz aus illegalem Einschlag kommt, wie vorgeschrieben als vernachlässigbar einstufen zu können.“

WWF-Experte Johannes Zahnen, der die Arbeit der ARD unterstützt hatte, zeigt sich im September von den Untersuchungsergebnissen ebenfalls geschockt: „Im Fall der ,Gorch Fock‘ haben gleich zwei staatliche Behörden versagt. Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr ist entweder überfordert oder schert sich nicht um geltendes Recht. Nach geltendem Erlass für die Beschaffung des Bundes hätte hier nur Holz mit Zertifikat beschafft werden dürfen.“ Und: „Dieses Tropenholz hätte nie eingeführt werden dürfen, die für Importkontrollen zuständige Bundesanstalt für Landwirtschaft hätte dies spätestens stoppen müssen. In Myanmar werden die letzten natürlichen Tropenwälder von einem kriminellen Regime geplündert und deutsche Behörden drücken beide Augen zu.“

Eine schnelle Indienststellung wird mehr und mehr zur Illusion

Steuerzahlerbund und Opposition im Bundestag kritisierten in der Vergangenheit mehrfach die lange Werftliegezeit und die gestiegenen Kosten. Ihre Argumentation: Ein Schiffsneubau wäre preiswerter gewesen. Die „Gorch Fock“ ist seit Anfang 2016 im Dock der Elsflether Werft (siehe auch hier). Der Bundesrechnungshof untersucht den Fall bereits.

Das Verteidigungsministerium steht inzwischen wegen des Segelschulschiffs massiv in der Kritik. Dort hat man mehrere Optionen durchgerechnet: den Ankauf eines vorhandenen Großseglers, einen kompletten Neubau, die Nutzung eines Schiffes gemeinsam mit einer anderen Marine sowie die Komplettsanierung. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion geht hervor, dass das Ministerium durch die Instandsetzung sicherstellen wollte, dass die deutsche Marine das Schiff schnell wieder in Dienst stellen kann. Dazu wird es erst einmal nicht kommen. Warten auf „Gorch Fock“ …


Zu unserem Bild: Das Segelschulschiff „Gorch Fock“ bei Sonnenaufgang vor der US-Küste.
(Foto: Ricarda Schönbrodt/Deutsche Marine)


Kommentare

  1. Dr.-Ing. U. Hensgen | 14. November 2018 um 11:52 Uhr

    Vielleicht sollte außer dem Bundesrechnungshof auch die Staatsanwaltschaft die Vorgänge um die „Gorch Fock“ untersuchen!?

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