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Calw/Hamburg/Potsdam. Der sich abzeichnende Skandal hätte zu keinem ungünstigeren Moment publik werden können. Während Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am heutigen Donnerstag (17. August) an der Führungsakademie in Hamburg den ersten Workshop „Tradition der Bundeswehr“ eröffnete und dort von „geistiger Orientierung“ und „Wertmaßstäben“ sprach, kündigte eine Pressemitteilung des Norddeutschen Rundfunks für den Abend eine „Panorama“-Sendung an, in der es um Ermittlungen beim Kommando Spezialkräfte (KSK) gehen soll. Im Mittelpunkt des NDR-Beitrages: eine geschmacklose Abschiedsfeier, angebliche rechtsradikale Ausfälle und eine offenbar im Escort-Gewerbe tätige Zeugin.

Wie der NDR in seinem heutigen Pressetext behauptet, soll am 27. April bei der Abschiedsfeier für einen Kompaniechef des Kommandos, das zur Division Schnelle Kräfte gehört, unter anderem ein Schweinskopfwerfen veranstaltet worden sein. Außerdem sollen mehrere KSK-Soldaten den Hitlergruß gezeigt sowie Rechtsrock gehört haben. Recherchiert worden seien die Vorfälle von „Y-Kollektiv“, dem Reportageformat von funk, Radio Bremen und NDR-Magazin „Panorama“.

Die Bundeswehr habe aufgrund von Ermittlungen inzwischen die bizarren Ereignisse wie das Schweinskopfwerfen bestätigt, so die Pressemitteilung. Die rechtsradikalen Vorfälle seien allerdings bislang unbestätigt, es werde jedoch weiter ermittelt.

Der Sender hält seine Augenzeugin „für glaubhaft“

Ausgangspunkt der Recherchen sind die Darstellungen einer Zeugin, deren Informationen nach NDR-Angaben vom Reporterteam fast vier Monate lang überprüft worden sind. Wie Johannes Jolmes von „Panorama“ sagt, halte man die Zeugin „für glaubhaft“.

Die Frau schildert in dem „Panorama“-Beitrag anonymisiert, dass sie „von einem befreundeten Soldaten“ zu der Abschiedsfeier auf einer Schießanlage in der Nähe von Stuttgart „als Hauptpreis für den Kompaniechef“ (nach Recherchen von Spiegel online ein Oberstleutnant) eingeladen worden sei. Sie sollte am Ende eines „römisch-mittelalterlichen Spieleparcours“ – bestehend aus Bogenschießen, dem Zerteilen von Früchten mit einem Schwert, dem Zerlegen eines Holzstammes mit einer Axt, dem Schweinekopfwurf und einer Hinderniswand – auf den Kompaniechef „zur Belohnung“ in einem Zelt warten. Zu Intimitäten sei es allerdings nicht gekommen, so die Zeugin, da der Offizier „zu betrunken“ gewesen sei.

Einige ihrer Angaben, etwa die Planung der Veranstaltung durch KSK-Soldaten, könne die Augenzeugin belegen, versichert Jolmes. An der Abschiedsparty nahmen etwa 60 KSK-Soldaten teil.

Auch Musik von der Rechtsrock-Band „Sturmwehr“?

Bisher nicht bestätigt sind weitere Aussagen der Frau. So sei am späteren Abend ein Song der Gelsenkirchener Rechtsrock-Band „Sturmwehr“ gespielt worden. Rechtsextremismus-Experten wie Matthias Quent vom Jenaer Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft ist diese Band nur allzu geläufig. Dem NDR erklärte er: „Die Band ,Sturmwehr‘ ist quasi ein Evergreen der Szene, bekannt für ihre Liveauftritte bei rechtsradikalen Veranstaltungen.“

Weiter schildert die Zeugin nach Angaben des Senders: „Zum Refrain wurde mehrfach der Hitlergruß gezeigt. Das lief ganz euphorisch ab. Der Text war ja bekannt, die Soldaten haben mitgegrölt.“

Soldaten wollen sich spaßeshalber nur mit „Ave Cäsar“-Gesten gegrüßt haben

Die Bundeswehr, die laut NDR mittlerweile ein internes Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, nahm bisher zu den behaupteten rechtsextremen Ausrastern wie folgt Stellung: „Nach dem bisherigen Ermittlungsstand haben sich [die] Vorwürfe auf verfassungsfeindliche Äußerungen in Wort, Bild oder Tat nicht bestätigt.“ Der Spiegel schreibt in seinem heutigen Beitrag „Ermittlungen nach abstoßender Feier von Elitesoldaten“: „In entscheidenden Details stellen die Soldaten die Feier anders dar. So sei zu keinem Zeitpunkt der Hitlergruß gezeigt worden, vielmehr habe man sich entsprechend dem Motto der Party mit ,Ave Cäsar‘-Gesten begrüßt und dazu den rechten Arm gehoben. Die Anwesenheit der Escort-Dame bestätigten die befragten Soldaten.“

Rechtsrock und Hitlergruß auf einer Verabschiedungsfeier für den KSK-Kompaniechef? Neben der Bundeswehr soll auch die Staatsanwaltschaft Tübingen Ermittlungen wegen möglicher rechtsradikaler Vorfälle aufgenommen haben – mehr dazu im neunminütigen „Panorama“-Beitrag von Jochen Grabler, Dennis Leiffels und Johannes Jolmes am heutigen Donnerstag im Ersten ab 21:45 Uhr (danach auch abrufbar in „DasErste Mediathek“).

Heer bestätigt „umfangreiche Ermittlungen“ auch durch Wehrdisziplinaranwälte

Das deutsche Heer hat heute am späten Nachmittag auf die „durch die Sendung ,Panorama‘ gemachten Vorwürfen im Zusammenhang mit einer Verabschiedungsfeier bei einem Truppenteil der Division Schnelle Kräfte“ reagiert.

In einem vom Presse- und Informationszentrum der Teilstreitkraft herausgegebenen Statement ist unter anderem zu lesen: „Nach mehreren Dutzend Vernehmungen haben sich die Vorwürfe auf verfassungsfeindliche Äußerungen in Wort und Tat bis heute nicht bestätigt. Die Ermittlungen zum Sachverhalt dauern jedoch noch an.“ An den „umfangreichen Ermittlungen“ sind laut Heer die zuständigen Wehrdisziplinaranwälte beteiligt.

Über den von „Panorama“ geschilderten Parcours „römisch-mittelalterliche Spiele“ und die Anwesenheit der vermutlich zu einem Escort-Service gehörenden Frau heißt es in dem Statement: „Eine Veranstaltung in dieser Form sprengt die Grenzen des guten Geschmacks.“ Die Erklärung endet mit dem Hinweis: „Inwiefern Dienstvergehen oder strafrelevantes Verhalten vorliegen, werden die weiteren Ermittlungen ergeben. Nach Abschluss der Ermittlungen wird die Bundeswehr etwaige dienstliche Verfehlungen mit der gebotenen Entschiedenheit ahnden.“

Wie sagte Verteidigungsministerin von der Leyen heute bei der Workshop-Eröffnung in Hamburg: „Nur wenn die Gesellschaft versteht, wie wir denken, fühlen, welche Vorbilder wir uns setzen, kann sie aus tiefem Herzen stolz auf ihre Bundeswehr sein.“ Es bleibt zu hoffen, dass der „Panorama“-Beitrag sich zumindest in Teilen als das entpuppt, was anfangs sogar das NDR-Reporterteam vermutet hatte: eine Räuberpistole. Aber bei der Bundeswehr weiß man ja leider nie …


Unser Bildschirmfoto zeigt die Anmoderation zur Vorankündigung des „Panorama“-Beitrages in der ARD.
(Videostandbild: Quelle ARD)

Kleines Beitragsbild: Soldaten vom Kommando Spezialkräfte des Heeres auf dem Standortübungsplatz Bodelsberg im Allgäu. Die Aufnahme vom 31. Mai 2017 entstand bei der Lehrvorführung „Resolute Solution“, einem Konzept zur Sicherung und Neutralisierung von Massenvernichtungswaffen.
(Foto: Jana Neumann/Bundeswehr)


Kommentare

  1. Edgar Licha | 4. Juli 2018 um 17:27 Uhr

    Denkt daran, die haben mit ihrem Leben für euch alle gedient!
    2./Fernmeldebataillon 12

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