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Berlin/Glasgow (Schottland). Der Mythos, der mit dem Untergang des deutschen Ubootes „UB-85“ verbunden ist, ist langlebig und faszinierend. In der Nacht des 30. April 1918 soll das Boot in der Irischen See nahe der schottischen Küste aufgetaucht und kurze Zeit später von einem mächtigen Wesen, einem Seeungeheuer, angegriffen worden sein. So berichtete es zumindest Kapitänleutnant Günther Krech, der damals mit seiner Besatzung von den Briten gefangen genommen wurde. Denn „UB-85“ hatte nach dem Angriff des Ungeheuers, so schilderte es der Kommandant, nicht mehr abtauchen können und musste beschädigt aufgegeben werden. Die Geschichte von „UB-85“ und dem Monster aus der Tiefe inspirierte nicht nur Künstler, wie etwa den französischen Zeichner Luc Cornillon (er hat uns 1981 eine Illustration hinterlassen, die die nächtliche Attacke auf das deutsche Boot zeigt). Auch Politiker – wie Tobias Lindner von den Grünen – zeigen sich von den damaligen Ereignissen auch heute noch berührt.

Kapitänleutnant Krech soll nach der Gefangennahme erzählt haben, was in dieser Nacht wirklich geschehen war. „UB-85“ sei unmittelbar nach dem Auftauchen von diesem „merkwürdigen Tier“ angegriffen und manövrierunfähig gemacht worden. Das Seeungeheuer habe „Hörner, tief liegende Augen und glitzernde Zähne“ gehabt, so der deutsche Marineoffizier, der am 5. März 1919 in britischer Kriegsgefangenschaft starb.

Der Bundestagsabgeordnete Tobias Lindner von Bündnis 90/Die Grünen wollte vor Kurzem von der Bundesregierung wissen, „inwiefern [sie] Erkenntnisse über Angriffe von Seeungeheuern auf deutsche Uboote, die zu erheblichen Schäden an den Booten – wenn nicht gar zu deren Untergang – führten“, hat. Er erhielt eine erschöpfende Antwort …

Zufallsfund in der Irischen See beim Verlegen eines Seekabels

Der Politiker, unter anderem Mitglied des Verteidigungsausschusses des Bundestages, bezog sich bei seiner Anfrage auf eine Pressemitteilung des britischen Energieunternehmens Scottish Power vom 19. Oktober dieses Jahres. Unter der Überschrift „WW1 Submarine sunk by Sea Monster uncovered by Power Cable Engineers in Scotland“ berichtete die Firma, dass bei der Verlegung eines Seekabels ein gesunkenes Unterseeboot auf dem Meeresgrund entdeckt worden sei. Das Kabel soll erneuerbare Energie aus Schottland nach England und Wales leiten. Handelt es sich bei dem gut erhaltenen Wrack um „UB-85“? Auf Bildern einer Sonarkamera sind deutlich Umrisse und auch hervorstechende Details eines Ubootes zu sehen.

Historiker wie Wilhelm Knöß vom Deutschen Marinemuseum in Wilhelmshaven oder Innes McCartney von der Universität im englischen Bournemouth sind sich zumindest sicher, dass es sich bei dem Fund um ein Unterseeboot des Typs „UB III“ der Kaiserlichen Marine handelt. Knöß meint, das Wrack könne theoretisch „UB-85“ sein. Von einem Seeungeheuer jedoch weiß er nichts. Sein Kollege McCartney sagt: „In den Gewässern der Irischen See sind alles in allem zwölf britische und deutsche Uboote gesunken – ihre Untergangsstellen sind bekannt. Darüber hinaus gibt es weitere Boote, die in diesem Seegebiet verloren gingen, deren genaue Lage jedoch nicht geklärt ist. Der historische Fund vor der Küste der Grafschaft Wigtownshire im äußersten Südwesten Schottlands scheint ziemlich sicher ein UB-III-Boot aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zu sein. Zwei Einheiten gingen in diesem Gebiet unter – das berühmte ,UB-85‘ und ,UB-82‘, das Schwesternboot.“

Architheutis – immer noch das größte Mysterium der marinen Tierwelt

Gary Campbell, Vorsitzender des „Loch Ness Monster Fan Clubs“ und Betreiber des Blogs „Official Loch Ness Monster Sightings Register“ äußerte sich ebenfalls zu der Entdeckung: „Es ist durchaus denkbar, dass damals wirklich ein großes Seewesen das deutsche Unterseeboot attackiert hat. Es gab und gibt immer wieder glaubhafte Berichte über Seemonster – nicht nur in Süßwasserseen wie Loch Ness im schottischen Hochland, auch in den Weltmeeren.“

Der Schotte erinnert an den Riesenkalmar Architeuthis, das größte Mysterium der Unterwasserwelt. Die Tiere leben normalerweise in der Tiefsee und verfügen über acht Arme und zwei lange Tentakel sowie riesige Augen mit bis zu 40 Zentimetern Durchmessern. Von Architheutis sind bereits tote Exemplare mit mehr als zehn Meter langen Tentakeln untersucht worden. Campbell argumentiert: „Angesichts der Größe der Ozeane wäre es keine Überraschung, wenn wir im Laufe der Zeit weitere große Arten entdecken würden. Der Bereich der Irischen See jedenfalls, in dem es in der Nacht des 30. April 1918 den Seemonster-Angriff auf das deutsche Boot gegeben haben soll, hat schon viele Seeungeheuer gesehen. Die Meldungen über derartige Sichtungen reichen von der Liverpooler Bucht bis hin zur Nordküste von Wales. Was Kapitän Krech kurz nach seiner Gefangennahm berichtete, könnte demnach wahr sein.“

Das von der Werft AG Weser gebaute und am 24. November 1917 in Dienst gestellte Boot „UB-85“ befand sich zum Zeitpunkt seines Verlustes erst auf zweiter Feindfahrt.

Warum kam es zum Wassereinbruch durch das Turmluk?

Am 16. November beantwortete Ralf Brauksiepe, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, für die Bundesregierung die Anfrage von Tobias Lindner. In seinem Schreiben heißt es: „Nach den vorgenommenen Recherchen im Bundesarchiv-Militärarchiv war der Verlust des in der angegebenen Referenz der Fragestellung in Rede stehenden Uboots ,UB-85‘ auf einen Wassereinbruch durch die undichte Einstiegsluke am Turm – das sogenannte ,Turmluk‘ – zurückzuführen. Aufgrund der Manövrierunfähigkeit nach dem Wassereinbruch versenkte die Mannschaft das Boot selbst, um es nicht der herannahenden britischen Marine übergeben zu müssen.“

Weiter erklärt der Staatssekretär: „Die Bundesregierung verfügt darüber hinaus über keine belastbaren Erkenntnisse, die belegen könnten, dass es Verluste oder erhebliche Beschädigungen von Unterseebooten der deutschen Marinen gab, die auf Angriffe von sogenannten ,Seeungeheuern‘ zurückzuführen waren oder sind.“ Das ist beruhigend …


Zu unserem Bildmaterial:
1. Sonaraufnahme eines Ubootwracks in 104 Meter Tiefe vor der Küste Schottlands; es soll sich dabei um das am 30. April 1918 gesunkene „SM UB-85“ handeln. Die Aufnahme wurde während des Projektes „Western Link“ gemacht, das die Energiesysteme Schottlands mit denen in England und Wales verbinden soll. Auftragnehmer sind National Grid und Scottish Power.
(Aufnahme: Scottish Power Ltd.)

2. Die deutschen Unterseeboote der Baureihe „UB III“, zu denen auch „UB-85“ gehörte, wurden zwischen 1917 und 1919 in Bremen bei der AG Weser gebaut. Die historische Aufnahme zeigt „UB-148“.
(Foto: National Archives and Records Administration)

3. Nach britischer Darstellung dümpelte „UB-85“ tagsüber am 30. April 1918 auf offener See, als sich das Patrouillenboot „HMS Coreopsis“ näherte. „UB-85“ machte keine Anstalten abzutauchen. Die 34 Mann Besatzung des Kaiserlichen Marinebootes und Kommandant Günther Krech ergaben sich. Von einer Granate der britischen „Coreopsis“getroffen, sank „UB-85“. Der zweite Teil dieser Marinegeschichte ist Legende: An Bord des britischen Kriegsschiffes soll Kapitänleutnant Krech sofort verhört und gefragt worden sein, warum er nicht abzutauchen und zu fliehen versucht habe. Seine Antwort: Ein Seeungeheuer habe das Schiff angegriffen und dabei derart beschädigt, dass ein Tauchgang nicht mehr möglich gewesen sei. Seine Männer hätten mit ihren Handfeuerwaffen auf die Kreatur geschossen. Das Boot habe eine starke Schlagseite steuerbords erlitten. Nach weiterem Beschuss habe das Monster das Deckgeschütz losgelassen und sei verschwunden.
(Foto: Surgeon Parkes Collection of Ship Portraits – First Word War)

Kleines Beitragsbild: Illustration von Luc Cornillon über den Untergang von „UB-85“.
(Bildmontage: mediakompakt)


Kommentare

  1. Christoph | 3. Januar 2017 um 10:07 Uhr

    Architheutis und Uboote? Da gibt es belastbareres Material. Ein deutsches Uboot sucht den Riesenkalmar in der Tiefsee, mitten im Atlantik. Mehr dazu auf …

    • Redaktion | 5. Januar 2017 um 22:33 Uhr

      Lieber Leser,

      leider lässt unser Kommentarbereich keine Verlinkung auf das PR-Angebot von Unternehmen zu. Ich kenne (als PR-Fachwirt) zwar auch den Wahlspruch „Tu Gutes und rede darüber“ des früheren BASF-Kommunikationschefs Georg-Volkmar Graf Zedtwitz-Arnim, will aber ähnlich gelagerten Hinweisen bei uns nicht Tür und Tor öffnen. Dennoch herzlichen Dank für Ihren Tipp. Wer neugierig geworden ist, möge bitte googeln: „Stiftung Rebikoff-Niggeler“ und „Lula 1000“ …

      Bitte um Verständnis,
      Ihr Christian Dewitz

  2. Markus | 18. Januar 2017 um 22:30 Uhr

    Das Kriegstagebuch von UB-85 enthält in der Tat keinerlei Erwähnung dieser Seeungeheuer-Mär der zurückgekehrten Kriegsgefangenen, zu denen Kapitänleutnant Krech auch nicht zählte. Die erste sich stellende Frage ist also noch nicht einmal die nach einer Erklärung für die angebliche Entität, sondern die nach der originäre Quelle. Wann hat Kapitänleutnant Krech wem wo diesen angeblich überlieferten Bericht gegeben und wie wurde dieser bis in die heutige Zeit überliefert?

    Die erste bislang tatsächlich nachvollziehbare Erwähnung findet man in James B. Sweeney’s „Sea Monsters – A Collection of Eyewitness Accounts“ aus dem Jahr 1977, einem Jugendbuch zu dem es durchaus kritische Meinungen bzgl. der Authentizität zumindest einzelner darin enthaltenen Geschichten gibt (Quellenangaben von Sweeney – Fehlanzeige ). Wohl erst von hier aus fand dieser Mythos seinen Weg, übrigens wohl auch erst frühestens in den 1990er-Jahren, ins Internet und jetzt in die diversen Pressemeldungen.

    Zieht man Sweeney als erste Quelle heran, gab Krech den Bericht an Bord der britischen Valororus. Der originäre Bericht müsste sich also am wahrscheinlichsten in deren oder britischen Unterlagen finden lassen, denn Krech kehrte nicht aus der britischen Kriegsgefangenschaft zurück (er starb soweit ich dies herausfinden konnte am 19. März 1919). Ein Schiff dieses Namens aus dem Ersten Weltkrieg konnte ich bislang nicht finden und damit endet die Spur des originären Berichts also erst einmal tatsächlich 1977.

    Angesichts dessen und der nachvollziehbaren Kritik an seinem Buch, erscheint es durchaus wahrscheinlich, dass Sweeney hier ein wenig Seemansgarn gesponnen hat.

    Wie ersichtlich hat diese Geschichte im Gegensatz z.B. zu den Berichten von Kapitänleutnant Freiherr von Stein (U 28) oder dem 1. Wachoffizier Löwisch (U 108) also bereits ein Authentizitätsproblem, bevor man überhaupt über eine Erklärung bzgl. der angreifenden Entität spekulieren könnte.

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