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Berlin. Der Bundestagsfraktion der CDU/CSU verdanken wir einen umfangreichen Überblick und aktuellen Sachstand zum Thema „Zivilschutz und Zivile Verteidigung in Deutschland“. Insgesamt stellten die Unionspolitiker der Bundesregierung 54 Einzelfragen, deren Beantwortung durch das Bundesinnenministerium am 23. Dezember 2022 schließlich 28 Seiten ergaben. Wir nehmen die ausführliche Antwort der Bundesregierung zum Anlass, uns mit der Materie in mehreren Teilen einmal näher zu befassen. Die Parlamentarier von CDU und CSU fordern in ihrer Vorbemerkung dazu auf: „Angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und die unverhohlenen Drohungen Russlands an die NATO und insbesondere auch in Richtung Deutschland gilt es aus Sicht der Fragesteller jetzt, den Zivilschutz und die Zivile Verteidigung Deutschlands neu aufzustellen und notwendige Strukturen und Fähigkeiten aufzubauen.“

Zum Auftakt ihres Fragenkataloges wollten die Unionspolitiker wissen, „welche konkreten Schlussfolgerungen für den Zivilschutz und die Zivile Verteidigung die Bundesregierung aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie der damit einhergehenden nuklearen Bedrohung seitens der Russischen Föderation“ zieht. Gefragt wurde in diesem Zusammenhang auch, wie die Bundesregierung den Grad der Vorbereitung des Zivilschutzes und der Zivilen Verteidigung in unserem Land generell einschätzt?

Die Regierungsantwort dazu lautet: „ Seit dem am 24. Februar 2022 begonnenen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine arbeitet die Bundesregierung mit großem Nachdruck an einer Verbesserung des Zivilschutzes in Deutschland.“

So habe man am 13. Juli vergangenen Jahres im Kabinett die sogenannte „Deutsche Strategie zur Stärkung der Resilienz gegenüber Katastrophen“ – kurz „Resilienzstrategie“ – beschlossen, die mit ihrem Allgefahrenansatz bewusst auch menschengemachte Krisen, etwa eine militärische Auseinandersetzung, in Betracht zieht. (Anm.: Nach der Definition der Bundesregierung beschreibt der Resilienz-Begriff „die Fähigkeit eines Systems, einer Gemeinschaft oder einer Gesellschaft, sich rechtzeitig und effizient den Auswirkungen einer Gefährdung zu widersetzen, diese absorbieren, sich an sie anpassen, sie umwandeln und sich von ihr erholen zu können“.)

Zu der Verbesserung des Zivilschutzes gehöre außerdem das vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) initiierte Programm „Neustart im Bevölkerungsschutz“, mit dem im Bevölkerungsschutz erkannte Defizite konsequent abgebaut werden sollen. Dazu erklärt die Bundesregierung: „Im Vordergrund stehen der Ausbau der Warnung, der Aufbau eines Gemeinsamen Kompetenzzentrums Bevölkerungsschutz (GeKoB), die Stärkung der ergänzenden Ausstattung, die Beschaffung von Betreuungs- und Versorgungskapazitäten, die Stärkung des Selbstschutzes, der verstärkte Schutz von Kritischen Infrastrukturen, der Ausbau der Aus- und Weiterbildungen im Bereich des Bevölkerungsschutzes sowie die Stärkung des ehrenamtlichen Engagements.“

Bundesregierung setzt Konzeption „Zivile Verteidigung“ konsequent um

Mit Blick auf die Forderungen des Weißbuches von 2016 erkundigten sich die Abgeordneten auch nach „der Strategie und den Maßnahmen“ bei der Umsetzung dieser Forderungen in den Bereichen „Resilienz“ sowie „Zivilschutz beziehungsweise Zivile Verteidigung“. Aus der Antwort geht hervor, dass die Bundesregierung die Konzeption „Zivile Verteidigung“ (KZV) als Basisdokument für die Zivile Verteidigung und Zivile Notfallvorsorge des Bundes konsequent umsetzt. Die KZV sei Grundlage für weitere länder- und ressortübergreifende Arbeiten und Planungen.

Konzepte zur Betreuung, zum Massenanfall von Verletzten sowie Krankenhausalarm und Einsatzplanung seien bereits erarbeitet worden, heißt es weiter. Ein Konzept zur Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktion, die Richtlinie für das „Zivile Melde- und Lagewesen in einer Krise und im Verteidigungsfall“ sowie die Richtlinie „Zivile Alarmplanung“ seien bereits erlassen beziehungsweise würden mit Nachdruck erarbeitet.

Das BMI habe überdies aus aktuellem Anlass den Ausbau der Zivilschutzfähigkeiten in die Wege geleitet, berichtet die Regierung weiter: „Dies betrifft insbesondere den Bereich der Warnung der Bevölkerung (zu nennen sind hier insbesondere die Einführung von Cell Broadcast als neuem Kanal für Warnungen als Textnachrichten auf Mobiltelefone), die gemeinsam mit den Ländern vorgesehene und vom Arbeitskreis V der Innenministerkonferenz begleitete Einführung eines georeferenzierten Warnmittelkatasters (in dem die Warnmittel von Bund, Ländern und Kommunen dargestellt sind) sowie schließlich die Umsetzung des Sirenen-Förderprogramms des Bundes, um den Sirenenbestand in Deutschland zu erhöhen.“ Zudem werde derzeit eine Bestandsaufnahme der noch bestehenden Schutzräume durchgeführt (siehe auch hier). Ziel sei eine konzeptionelle Weiterentwicklung zum Aufbau eines geeigneten und umsetzbaren Programms zum physischen Schutz der Bevölkerung. Zusätzlich sei im Juli 2022 vom Bundeskabinett die „Resilienzstrategie“ beschlossen worden; sie werde momentan umgesetzt.

Laut Bundesregierung erhalten die Haushalte des Bundesamtes für den Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) für das Jahr 2023 zur Umsetzung der Maßnahmen im Zivilschutz „einen deutlichen [finanziellen] Zuwachs im Vergleich zu den regulären Haushaltsansätzen des Jahres 2019“. Aus der Regierungsantwort geht im Einzelnen hervor: Während beispielsweise dem BBK im Jahr 2019 (dem letzten regulären Haushaltsjahr ohne Sondermittel aus dem Konjunkturprogramm) insgesamt 144 Millionen Euro zur Verfügung standen, werden es im Jahr 2023 bereits mehr als 200 Millionen Euro sein. Die für den Zivilschutz vorgesehenen Haushaltsmittelansätze für die Jahre 2024 und 2025 befinden sich aktuell noch in Abstimmung.

Die Ankündigung der Zeitenwende soll nicht nur für die Bundeswehr gelten

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte in seiner Regierungserklärung in der Sondersitzung zum Krieg in der Ukraine vor dem Deutschen Bundestag am 27. Februar 2022 in Berlin von einer „Zeitenwende“ gesprochen und in diesem Zusammenhang ein Sondervermögen „Bundeswehr“ in Höhe von 100 Milliarden Euro angekündigt. Die Unionspolitiker wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob die Bundesregierung diese „Zeitenwende“ als Antwort auf Russlands Aggression „ausschließlich auf den Aufbau neuer Fähigkeiten der Bundeswehr“ sieht, oder ob diese Ankündigung auch die Zivile Verteidigung einschließlich des Zivilschutzes beinhalte.

Dazu die Antwort der Regierung: „Angesichts der vielfältigen Krisen und Herausforderungen in der jüngeren Vergangenheit – wie der Coronavirus-Pandemie und der Starkregen-Ereignisse im Jahr 2021 sowie dem Krieg in der Ukraine – muss auch im Bevölkerungsschutz von einer Zeitenwende gesprochen werden. Zivile und militärische Verteidigung sind beide Teil der Gesamtverteidigung.“

Muss bisherige Gefahren- und Risikobewertung jetzt überarbeitet werden?

Etliche der folgenden Fragen der Abgeordneten befassten sich dann mit den Bereichen „Gefahren- und Risikobewertung“ sowie „Risiko- und Krisenmanagement“.

So wollten die Fragesteller in Erfahrung bringen, ob es aus Sicht der Bundesregierung Gründe dafür gebe, die bisherige Gefahren- und Risikobewertung in Deutschland zu reformieren. Gefragt wurde in diesem Zusammenhang auch nach eventuellen Maßnahmen, mit denen bundesweit eine vergleichbare Gefahren- und Risikobewertung sichergestellt werden könne.

Die Bundesregierung beantwortete den ersten Teil der Frage mit einem Hinweis auf die Lecks bei den Nord-Stream-Pipelines. Diese Lecks hätten gezeigt, dass die Gefährdung Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) zunehme. Daher hätten sich auch die Bundesressorts im Rahmen des Gemeinsamen Koordinierungsstabes „Kritische Infrastruktur“ (GEKKIS) auf einen Prozess verständigt, um neben dem GeKoB-Lagebild eine gemeinsame Risikobewertung zur Betrachtung von Auswirkungen auf KRITIS und Kritische Dienstleistungen zu erarbeiten.

Weiter erklärte die Regierung: „Neben den bereits bestehenden Gefahren- und Risikoanalysen in den Ressorts verständigten sich die Ressorts auf Staatssekretär-Ebene im Rahmen von GEKKIS auf einen gemeinsamen Prozess der Risikobewertung. Dieser Risikobewertungsprozess sieht vor, dass anhand von Szenarien insbesondere die Auswirkungen auf die Kritischen Infrastrukturen sowie auf die Erbringung der Kritischen Dienstleistungen betrachtet werden.“ Dazu sei geplant, dass jedes Ressort „anhand von identischen Leitfragen ausgewählte Parameter im eigenen Geschäfts- und Zuständigkeitsbereich“ beleuchte. Diese von den Ressorts erstellten Risikobewertungen würden gesammelt und zusammengeführt. Federführend für GEKKIS sei das Bundesinnenministerium.

Übergreifendes Verständnis von Risiko- und Krisenmanagement

Eine weitere Frage galt schließlich der „Stabsarbeit von interministeriellen Krisen- und Verwaltungsstäben auf Bundesebene“ und – damit einhergehend – einem „übergreifenden Verständnis für Risiko- und Krisenmanagement im Zivil- und Katastrophenschutz“. Die Antwort der Bundesregierung zu diesem Punkt fiel ausführlich aus – wir fassen sie stark gekürzt zusammen:
Der unter Federführung des BMI eingerichtete Ressortkreis „Nationales Krisenmanagement“, der regelmäßig tagt, ist die Plattform der Bundesregierung zur Abstimmung von konzeptionellen, organisatorischen und verfahrensmäßigen Fragen des Krisenmanagements.
Hier erfolgt die Koordination mit dem Ziel eines übergreifenden Verständnisses des interministeriellen Zusammenwirkens. Dabei geht es auch um den Informationsaustausch und die Abstimmung zu aktuellen Fachplanungen, die gemeinsame Erstellung von Grundsatzdokumenten sowie eine anlassbezogene übergreifende Lage-Koordinierung.
Auf Bundesebene bereitet sich jedes Ressort in eigener Zuständigkeit für die Bewältigung von Krisenlagen vor. Je nach Art und Umfang der Gefahrenlage kann ein ressortinterner oder ein ressortübergreifender Krisenstab gebildet werden (alle anderen Ressorts entsenden gegebenenfalls Verbindungspersonen in den Krisenstab des federführend koordinierenden Ressorts).
Für das übergreifende Verständnis des Risiko- und Krisenmanagements im Zivil- und Katastrophenschutz wurde die Interministerielle Koordinierungsgruppe des Bundes und der Länder (IntMinKoGr) eingerichtet. Sie hat eine wichtige Ergänzungsfunktion für das bestehende System des Krisenmanagements in Bund und Ländern bei Gefahren- oder Schadenslagen (beispielsweise bei Unfällen in Kernkraftwerken im In- und Ausland, bei Pandemien oder bei Naturkatastrophen erheblichen Ausmaßes).

Fortlaufende Bewertung hybrider Bedrohungen durch spezielle Arbeitsgruppe

Kommen wir zum Schluss des ersten Teils unseres Beitrages über den Zivilschutz und die Zivile Verteidigung in Deutschland zu zwei Fragen der CDU/CSU-Abgeordneten, die mit Bedrohungslagen – ausgelöst aktuell durch Putins revisionistische Außenpolitik und Waffengewalt – zu tun haben.

So lautete eine Frage: „Nimmt die Bundesregierung in regelmäßigen Abständen eine Bewertung der hybriden Bedrohungen für Deutschland vor, und wenn ja, [wer ist hierfür] zuständig?“ Die Bundesregierung erklärte: „Für das Thema ,hybride Bedrohungen‘ ist innerhalb [des Kabinetts] das BMI federführend zuständig. Das BMI koordiniert entsprechend auch den ressort- und behördenübergreifenden Austausch [dazu].“ Eine fortlaufende Bewertung hybrider Bedrohungen für Deutschland erfolge durch die Arbeitsgruppe „Hybrid“ unter BMI-Federführung. An der AG seien grundsätzlich alle Ressorts der Bundesregierung beteiligt, da hybride Bedrohungen die Zuständigkeit aller Ressorts und deren Geschäftsbereiche betreffen könnten. Auch Bund und Länder tauschten sich regelmäßig zu der Thematik aus.

Weiter fragten die Christdemokraten, welche konkreten Maßnahmen die Bundesregierung ergriffen habe und welche Maßnahmen geplant seien, um die Resilienz der Bevölkerung gegen Desinformation und Propaganda zu stärken? Dazu die Regierungsantwort: „Aufbauend auf dem [zuvor] beschriebenen fortlaufenden Austausch zu hybriden Bedrohungen besteht ebenfalls unter Federführung des BMI ein intensiver ressort- und behördenübergreifender Austausch zu Desinformation und Propaganda sowie angemessenen Gegenmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine.“ Darüber hinaus befasse sich bereits seit einigen Jahren die aus Experten bestehende Arbeitsgruppe „Medien- und Informationsarbeit zu Desinformation in hybriden Bedrohungslagen“ unter Leitung des Auswärtigen Amtes und des Bundespresseamtes mit generellen Fragen der Kommunikation im Kontext von Desinformation. Die Bundesregierung wirbt an dieser Stelle dafür: „Neben angemessenen reaktiven Maßnahmen – insbesondere der Richtigstellung von Falschinformationen – sind Prävention und der Aufbau von gesamtstaatlicher und gesellschaftlicher Resilienz gegenüber Desinformation von Bedeutung. Nachrichten- und Medienkompetenz müssen gezielt in allen Altersgruppen gefördert und ausgebaut werden.“


Unser Symbolbild „Gefahrenabwehr“ aus dem Bildangebot von Pixabay zeigt einen Feuerwehrmann mit Atemschutz.
(Foto: Benjamin/unter Pixabay License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich)

Kleines Beitragsbild: Symbolaufnahme „Nationales Warnsystem Dachsirene“.
(Bild: nr)


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