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Berlin. Über Aktivitäten des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) in „digitalen Medien und sozialen Plattformen“ erkundigte sich die AfD-Bundestagsfraktion vor Kurzem bei der Bundesregierung. Die Abgeordneten Hannes Gnauck, Rüdiger Lucassen und Gerold Otten bezogen sich bei ihrer Kleinen Anfrage dabei auf Hinweise des SPIEGEL-Journalisten Ronen Steinke, der über die Tätigkeit der deutschen Nachrichtendienste im Internet und in den sozialen Medien zur Informationsbeschaffung berichtet hatte. Die Fragesteller wollten wissen, inwieweit sich inzwischen auch der MAD auf „digitales Ausspähen“ spezialisiert habe.

Der MAD führt im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung offene, verdeckte oder legendierte Ermittlungen in digitalen und sozialen Medien durch. Dies tut er gemäß Paragraf 1 Absatz 1 des Gesetzes über den Militärischen Abschirmdienst, kurz MADG.

Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion am 9. Dezember vergangenen Jahres weiter mitteilte, nimmt der MAD im Rahmen von Sicherheitsüberprüfungen nach Maßgabe des Paragrafen 12 Absatz 3a des MDAG zudem Einsicht in öffentlich sichtbare Internetseiten sowie in den öffentlich sichtbaren Teil sozialer Netzwerke.

Nach Abwägung der Verhältnismäßigkeit der Mittel

Auf die Frage der Parlamentarier, ob verdeckte Ermittler oder V-Leute befugt seien, in digitalen Medien und sozialen Plattformen bis zu einem gewissen Grad beispielsweise zur Erlangung von Informationen auch Straftaten zu begehen, erklärte die Bundesregierung: „Soweit von Beschäftigten des MAD in digitalen Medien oder auf sozialen Plattformen verdeckte oder legendierte Maßnahmen durchgeführt werden, handelt es sich dabei um nachrichtendienstliche Mittel nach § 5 MADG in Verbindung mit § 9 Absatz 1, § 8 Absatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG).“

Nach Maßgabe dieser Normen könne im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsabwägung ein Eingriff in Universal- beziehungsweise Kollektivrechtsgüter gerechtfertigt sein, so die Regierungsantwort.

Datenübermittlung an die jeweils zuständigen Stellen ist erlaubt

Die Abgeordneten erkundigten sich auch danach, ob sich verdeckte Ermittler oder V-Leute untereinander abstimmen, „damit es nicht zu unnötigen Ermittlungen kommt“. Die Antwort der Bundesregierung dazu: „Im Rahmen der fachlichen Zusammenarbeit findet eine Abstimmung sowohl innerhalb des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) als auch mit den jeweils zuständigen Sicherheitsbehörden statt. Darüber hinaus unterrichten der MAD und die Verfassungsschutzbehörden einander gemäß § 3 Absatz 3 MADG über sämtliche Angelegenheiten, deren Kenntnis für die Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben erforderlich ist.“

Ausdrücklich wies die Bundesregierung am Schluss ihrer Antwort darauf hin, dass „die Aufdeckung von Straftaten in digitalen Medien und sozialen Plattformen als solche ebenso wie die Durchführung disziplinarer Maßnahmen keine Aufgabe des BAMAD“ sei. Und: „Soweit sich gelegentlich der Aufgabenerfüllung des BAMAD nach § 1 Absatz 1 MADG doch Hinweise auf ein straf- oder disziplinarrechtlich relevantes Verhalten ergeben, kann nach Maßgabe von § 11 MADG in Verbindung mit § 19 Absatz 1 bzw. § 20 Absatz 1 des BVerfSchG eine Datenübermittlung an die hierfür jeweils zuständigen Stellen erlaubt sein.“

Ernsthafte Bedrohung Deutschlands und deutscher Interessen

Schlussendlich nahm die Bundesregierung zur Thematik „Bedrohungslage durch Spionage und Sabotage“ Stellung. Die Fragesteller wollten wissen, wie sich die Lage insgesamt entwickelt habe und mit welchen personellen sowie organisatorischen Maßnahmen auf konkrete Bedrohungen reagiert worden sei.

Der Regierung zufolge hat die Bedrohung des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums der Verteidigung durch die komplexen Spionageaktivitäten fremder Mächte nach wie vor zugenommen. Sie wird – so die Antwort – „als eine ernsthafte Bedrohung Deutschlands und deutscher Interessen“ bewertet. Der MAD habe deshalb als Reaktion unter anderem im Oktober 2019 die Spionage- und Sabotageabwehr als eigenständige Abteilung aufgestellt und signifikant gestärkt.

Redaktioneller NACHBRENNER

In diesen Kontext passt auch eine Kleine Anfrage der Parlamentarier Gökay Akbulut, Nicole Gohlke und Martina Renner sowie weiterer Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE. Das Thema: „Agententätigkeit in Deutschland“.

Hierzu teilte die Bundesregierung am 28. Dezember vergangenen Jahres mit, dass „in den vergangenen fünf Jahren in verschiedenen Zusammenhängen ausschließlich Entsandte der Botschaft der Russischen Föderation sowie von Generalkonsulaten der Russischen Föderation im mittleren zweitstelligen Bereich zur Persona non grata erklärt“ worden seien.

Hintergründe dieser Entscheidungen seien unter anderem 2018 der Giftgasanschlag gegen Sergej Skripal und dessen Tochter im britischen Salisbury sowie im Jahr 2019 der Mord im Kleinen Tiergarten (nach der Urteilsverkündigung des Berliner Kammergerichts am 15. Dezember 2021 erklärte die Bundesregierung erneut zwei Diplomaten der Russischen Föderation zu „unerwünschten Personen“). Hinzu seien weitere Ausweisungen im Jahr 2022 auf Grund russische Menschenrechtsverletzungen im Krieg gegen die Ukraine – unter anderem in Butscha – gekommen, so die Bundesregierung. Die Ausweisungen 2018 und 2022 seien jeweils Teil einer gemeinsamen Aktion der Europäischen Union gewesen.

Ermittlungsverfahren gegen diesen Personenkreis aufgrund des Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit für einen fremden Nachrichtendienst seien von der Bundesanwaltschaft nicht eingeleitet worden, da die Betroffenen nach den Paragrafen 18 und 19 des Gerichtsverfassungsgesetzes von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit gewesen seien.

Wie viele Vertreter ausländischer Staaten derzeit in Deutschland diplomatische Immunität genießen, beantwortet die Regierung nicht. Aus Gründen des Staatswohls könne die Beantwortung nicht offen erfolgen, hieß es in der Antwort. Eine Offenlegung der angefragten, nach einzelnen Ländern aufgeschlüsselten Informationen würde sich negativ auf die außenpolitischen Belange Deutschlands auswirken.


Hintergrund                           

Zu den Fachbegriffen „legendieren“ sowie „Universalrechtsgut/Kollektivrechtsgut“, die in unserem Beitrag verwendet werden, konnten folgende Definitionen recherchiert werden:

Der Begriff „legendieren“ leitet sich ab von „Legende“, mit der vor allem in Bereich der Nachrichtendienste sowie der Polizei und Justiz eine Tarnung bezeichnet wird. Eine Legende zur Tarnung meint allgemein das Vortäuschen eines Sachverhaltes. Dies bezieht sich häufig auf die Biografie einer Person, aber auch auf Objekte (etwa konspirative Wohnungen), Organisationen und Tätigkeiten. Die Legende als Zweckerzählung dient dazu, die wahre Herkunft, den Auftrag und die damit verbundenen Absichten zu verschleiern. Das Verb „legendieren“ bezeichnet demzufolge einen Tarnvorgang, mit dem die wahre Intention geheim gehalten werden soll.

Bei der Behandlung des Themas „Rechtsgüter“ muss zunächst zwischen Individualrechtsgütern und Universalrechtsgütern/Kollektivrechtsgütern unterschieden werden. Individualrechtsgüter sind die Rechtsgüter, die einem Individuum zugeschrieben werden (beispielsweise Leib und Leben – also die körperliche und seelische Unversehrtheit, die Menschenwürde, Eigentum oder die sexuelle Selbstbestimmung). Universalrechtsgüter sind nicht einer einzelnen Person zuzuordnen, sondern in der Regel dem Staat (etwa die Öffentliche Sicherheit). Zu den Kollektivrechtsgütern zählen beispielsweise Umwelt und Natur, der Bereich des Straßenverkehrs oder Lebensmittelhygiene und Infektionsschutz. Kollektive Rechtsgüter dienen der Allgemeinheit.


Symbolbild „Menschen in sozialen Medien“ aus dem Bildangebot von Pixabay.
(Foto: Gerd Altmann/unter Pixabay License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich)


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