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Brüssel-Ixelles (Belgien). Die Europäische Verteidigungsagentur (European Defence Agency, EDA) hat ein neues Forschungsprojekt zur Entwicklung einer automatischen Luftbetankung – Automatic Air-to-Air Refueling (A3R) operation – für das Verfahren „Hose and Drogue“ gestartet. „Hose“ ist dabei der Betankungsschlauch, „Drogue“ der Fangtrichter oder -korb. Das Projekt findet unter der Leitung Spaniens und in Zusammenarbeit mit Deutschland statt. Für das auf zwei Jahre angelegte Vorhaben hat die EDA ein Budget von vier Millionen Euro verplant.

Das Luftbetankungsprojekt soll von einem Industriekonsortium realisiert werden, das von Airbus Defence and Space (Niederlassungen in Spanien und Deutschland) geleitet wird. Weitere Konsortiumsteilnehmer sind laut EDA außerdem das in der spanischen Hauptstadt Madrid beheimatete Unternehmen GMV Innovating Solutions S.L., die Bremer AES Aircraft Elektro/Elektronik System GmbH sowie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln.

Eine begrenzte Anzahl von Flugtests soll im Jahr 2024 mit einem Mehrzwecktank- und -transportflugzeug des Typs A330 MRTT (MRTT: Multi-Role Tanker Transport) sowie Tornado-Kampfjets durchgeführt werden. Spanien und Deutschland werden die Flugzeuge für die Erprobung abstellen

Betankungsvorgang ist seit rund 70 Jahren nicht wesentlich verbessert worden

Die Luftbetankung (Air-to-Air Refueling, AAR) ist einer der wichtigsten Vorgänge in der militärischen Luftfahrt. Die Operation verlangt von der Tankerbesatzung und den Piloten der zu betankenden Maschinen den Formationsflug auf engstem Raum bei Tag oder bei Nacht.

Während sich das Luftbetankungssystem „Hose and Drogue“ in den vergangenen Jahren durch technische Neuerungen, die dem Personal im Tankflugzeug bessere Informationen liefern, stets weiterentwickelt hat, ist der eigentliche Betankungsvorgang seit rund 70 Jahren im Prinzip gleichgeblieben. So gab es beispielsweise bislang kaum Verbesserungen bei der Unterstützung der beteiligten Flugzeuge in den verschiedenen Phasen des AAR-Vorganges.

Schon jetzt mit Blick auf die nächste Generation unbemannter Plattformen

Auch wenn die Erfolgsquote bei der Luftbetankung mit dem Fangtrichter („Drogue“) heutzutage hoch ist, hinterlassen Fehlversuche doch immer wieder ihre Spuren: Beschädigungen an den Tanksystemen und nachteilige Auswirkungen auf die operative Leistungsfähigkeit einzelner Flugzeuge. Vor diesem Hintergrund erhofft sich die EDA von ihrem „A3R“-Projekt: „Die Einführung innovativer Automatisierungsfunktionen in die AAR-Systeme bietet neue Möglichkeiten zur besseren Unterstützung der zu betankenden Luftfahrzeuge bei dieser Operation. Gleichzeitig soll sich so die Erfolgsquote von AAR-Einsätzen erhöhen, damit auch die Effizienz des Einsatzes insgesamt maximiert werden kann.“

Die Machbarkeit einer stärkeren AAR-Automatisierung hat der Airbus-Konzern bereits mit der Erreichung eines vollautomatischen Kontakts mit dem Auslegersystem im Jahr 2020 und der kürzlich erfolgten Zertifizierung eines vollautomatischen Auslegers im Jahr 2022 nachgewiesen. EDA über die Zielsetzung: „Die Aufnahme von Forschungsarbeiten zum ,Hose and Drogue‘-System wird Luftbetankungsflugzeuge wie den A330 MRTT, den A400M oder die C295 technisch darauf vorbereiten, anspruchsvollere Einsätze zu bewältigen und auch für die nächste Generation unbemannter Plattformen bereit zu sein.“

Technologische Kompromisse und Automatisierung des Betankungsvorgangs

Die erste Phase des EDA-Projekts „A3R“ wird sich auf die technologischen Kompromisse, die für die künftige Automatisierung des Betriebs erforderlich sind (wie beispielsweise die für bemannte und/oder unbemannte Plattformen zu implementierenden Automatisierungs- oder Unterstützungsgrade), konzentrieren.

Die Technologien werden in realen Szenarien – etwa Flugtests – erprobt und bewertet. Später soll so eine eindeutige Identifizierung und Kontrolle der zum jeweiligen Betankungssystem gehörenden Elemente des Tankers und der in der Nähe „der fliegenden Tankstelle“ wartenden Flugzeuge möglich sein. Sensoren, Rechnerdaten und Informationen über die aktuelle Wetterlage und Umweltbedingungen sollen beim automatischen Luftbetankungsvorgang die Unwägbarkeiten minimieren.

Grundlagenforschung zur Neugestaltung des Luftbetankungsbetriebes

Wie die europäische Rüstungsagentur in einem Pressebeitrag weiter darlegt, soll im Rahmen des Projekts auch eine Simulationsumgebung entwickelt werden, mit der die optimale Flugbahn des zu betankenden Flugzeugs zum Betankungsschlauch („Hose“) ermittelt und so die Wechselwirkung zwischen beiden analysiert werden kann. Die EDA erklärt dazu: „Es wurden bereits Technologie-Lücken in Bezug auf die erforderliche Daten- beziehungsweise Kommunikationsverbindung zwischen dem Tankflugzeug und dem Empfängerflugzeug identifiziert.“ Untersucht wurde der Agentur zufolge dabei auch, wie sich Faktoren wie Latenzzeit (Anm.: Zeitraum zwischen einem Ereignis und dem Eintreten einer sichtbaren Reaktion darauf), Integrität oder Genauigkeit der Daten auf das Gesamtsystem – sprich den automatisierten Luftbetankungsvorgang – auswirken könnten.

Im Rahmen des aktuellen Projektplans soll auch ein Konzept zur Verbesserung der Stabilisierung des Fangkorbes („Drogue“) entwickelt werden. Das Ganze soll dazu in einem Windkanal untersucht und getestet werden.

Übergeordnetes Projektziel ist nach Aussage der EDA, letztendlich die technologische Entwicklung mit den betrieblichen Erfordernissen des Militärs in Einklang zu bringen. Dabei sollen vor allem grundlegend neue Wege zur Durchführung des Luftbetankungsbetriebes erforscht werden, um auch neue Szenarien für die Zukunft betrachten und diskutieren zu können.


Unser Bild, entstanden am 27. April 2018 bei der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung/ILA auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld, zeigt eine Luftbetankungsvorführung der Deutschen Luftwaffe. Zwei Eurofighter und ein Tornado warten hinter einem Airbus A330 MRTT auf ihre Versorgung mit Treibstoff.
(Foto: Sönke Dwenger/für Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Tankflugzeug des Typs A330 MRTT mit zwei Systemen „Hose and Drogue“ im Bereich der Tragflächen.
(Foto: Airbus Defence and Space)


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