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Bonn/Koblenz. Nach zwei Jahren Pause, bedingt durch die Coronavirus-Pandemie, fand am 30. August in der Koblenzer Rhein-Mosel-Halle erstmals wieder die gemeinsame IT-Tagung des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) und des Anwenderforums AFCEA Bonn e.V. statt. Das Thema dieser 14. IT-Tagung: „(Künstliche) Intelligenz (KI) und Innovation – Chancen für Mensch und Technik“. Die Organisatoren zählten rund 400 Veranstaltungsteilnehmer. Die Leitung hatten Brigadegeneral Michael Hauschild (Abteilungsleiter „Informationstechnik“ im BAAINBw) und Oberst a.D. Henry-Günter Neumann (Stellvertretender Vorsitzender des Bonner Vereins). Schirmherr der IT-Tagung war der Koblenzer Oberbürgermeister David Langner.

Brigadegeneral Hauschild und Oberst a.D. Neumann begrüßten die Gäste der Veranstaltung und führten mit kurzen Statements in das Generalthema ein.

So erinnerte Neumann daran, dass die Begriffe „Künstliche Intelligenz“ und „KI“ Vokabeln geworden seien, die von Vielen wie selbstverständlich genutzt würden. „Ein Schlagwort, bei dem allerdings Definition und Verständnis weit auseinandergehen“, so der AFCEA-Vertreter. Er führte weiter aus: „Innovation wird dabei häufig im Sinne von ,neuen Ideen und Erfindungen‘ verwendet, die mit einem vernünftigen Aufwand umgesetzt werden können. Erst mit ihrer Implementierung wird aus einer Invention eine Innovation.“ KI und Innovation bedingten einander, ergänzten einander und förderten einander, erklärte Neumann. Unter dem Einfluss von KI und Innovation seien demnach die Rolle und die Nutzung der IT im Kontext der inneren und äußeren Sicherheit wohl neu zu gestalten. Auch hätten KI und Innovation nicht nur eine technische, sondern auch eine ethische Dimension.

IT-Abteilungsleiter Hauschild wies darauf hin, dass die Bundeswehr sowie Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben – kurz BOS – sich ständig den wechselnden Bedrohungen der inneren und äußeren Sicherheit anpassen und auf neue Gefahren reagieren müssten. Der Bereich „KI und Innovation“ würde dabei als ein Mittel betrachtet, mit dem dieser Anpassungsprozess gestaltet werden könne. Als Beispiel führte der Brigadegeneral die historische Flugzeugentwicklung an. Hauschild: „Ohne Flugzeuge hätte es nicht die Notwendigkeit für Luftstreitkräfte gegeben – jetzt geht es darum, die Notwendigkeiten zu erkennen, die sich aus der Entwicklung von KI ergeben.“

Über die 14. IT-Tagung seines Amtes und des Partners AFCEA sagte der Vertreter des BAAINBw: „Besonderheit und Zielsetzung der Veranstaltung ist es, alle Verantwortliche aus Bundeswehr, Industrie und Forschung zusammenzubringen, den Bedarf zu definieren und schließlich zu diskutieren, wie all dies realisiert werden kann.“

Militär erhofft sich Informationshoheit und Informationsüberlegenheit

Mit einem Blick auf Definitionen und Regularien steckte später Dr. Germar Schröder von der Münchener PwC Strategy& (Germany) GmbH den Rahmen für den weiteren Veranstaltungsverlauf ab. (Anm.: Das Unternehmen Strategy& ist eine internationale Strategieberatung, die 1914 als Booz Allen Hamilton gegründet wurde und seit dem Zusammenschluss am 3. April 2014 eigenständiger Teil des PricewaterhouseCoopers-Firmennetzwerks ist.) Schröder, bei Strategy& zuständig für den Bereich „Öffentlicher Sektor“ und dort unter anderem für „IT im Verteidigungsbereich, erklärte, KI sei längst keine Science-Fiction mehr, vielmehr habe längst quasi „ein Wettrennen der Staaten“ eingesetzt. Er warnte: „Defizite, die jetzt entstehen, werden zweifelsohne zu neuen Abhängigkeiten führen.“

Nach Schröder sprach Prof. Dr. Wolfgang Koch vom Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie. Das FKIE hat Standorte in Wachtberg und Bonn-Bad Godesberg. (Anm.: Der Physiker und Informatiker lehrt „Angewandte Informatik“ an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und ist Chief Scientist and Head „Sensor Data & Information Fusion“ des FKIE.) Die militärische Community habe ein besonderes Interesse am Einsatz von Künstlicher Intelligenz, weil man sich dadurch Informationshoheit und Informationsüberlegenheit erhoffe, sagte Koch. Bei allen Entwicklungen müsse allerdings der Mensch nach wie vor im Mittelpunkt stehen. Nach Ansicht des Wissenschaftlers liegt deshalb auch die Zukunft erfolgreicher KI-Lösungen in der Kombination aus „Mensch mit KI“ – und „nicht entweder oder“.

Harald Mannheim teilte diese Sichtweise. Der Airbus-Manager (er ist Vice President Head of Defense Solutions bei der Konzerndivision „Airbus Defence and Space“) empfahl dringend „digitales und gemeinsames Denken outside the box.“

Digitalisierte Kräfte werden ein immer wichtigerer Faktor in Konflikten

Für Dr. Gundbert Scherf, Präsident von Helsing AI, würden digitalisierte Kräfte neben der reinen Masse ein immer wichtigerer Faktor in Konflikten. Dies zeige auch der Krieg in der Ukraine. Insbesondere mit Künstlicher Intelligenz könnten Sensor-Entscheider-Effektor-Ketten schneller und intelligenter gestaltet werden, meinte Scherf bei der Tagung. Fähigkeiten müssten zudem anpassungsfähig und updatefähig werden. (Anm.: Das Anfang 2021 gegründete Münchener Start-up Helsing AI ist ein Unternehmen für Software und Künstliche Intelligenz. Helsing AI – das „AI“ steht für „Artificial Intelligence“/„Künstliche Intelligenz“ – ist schwerpunktmäßig im Bereich „Verteidigung und nationale Sicherheit“ tätig und bietet nach eigenen Angaben „weltweit führende Technologien“ an. Das Unternehmen hat Niederlassungen in Deutschland, Großbritannien und Frankreich.)

Professor Dr. Beatrix Palt, Gründerin und Inhaberin des INP Institut für Nachhaltiges Projektmanagement, hielt anschließend einen Vortrag zum Thema „Innovation“. Sie betrachtete diese dabei aus der Perspektive der Expertiseforschung. (Anm.: Expertiseforschung befasst sich mit dem Experten, einer Person, die auf einem bestimmten Gebiet dauerhaft Leistungsexzellenz zeigt. Die untersuchten Gebiete sind recht vielfältig und umfassen beispielsweise akademische Aktivitäten wie etwa Mathematik, berufliche Aktivitäten wie das Fliegen eines Flugzeugs oder künstlerische Aktivitäten wie das Musizieren. Die Expertiseforschung existiert bereits seit vielen Jahren und erwies sich auf zahlreichen Gebieten als erfolgreiches Werkzeug zur Erklärung von Höchstleistungen. Generell geht es in diesem Forschungsfeld auch um die empirisch zu beobachtende Grenzziehung zwischen Politik und Wissenschaft, Experten und Laien, zwischen relevantem und irrelevantem Wissen.) Nach Meinung von INP-Chefin Palt entstehen Entwicklungen demnach entweder durch intensives Üben und Perfektionieren oder durch regelmäßiges Problemlösen. (Anm.: INP ist eine Unternehmensberatung für Organisations- und Personalentwicklung, Projektmanagement & Turnaround Management mit Sitz in Hamburg.)

Am Nachmittag lebhafte Panel-Runden zu den Themen „KI“ und „Innovation“

Die Veranstaltung in der Rhein-Mosel-Halle wurde nach der Mittagspause fortgesetzt mit zwei Panel-Runden zu „Künstlicher Intelligenz“ und „Innovation“.

Unter der Leitung von Prof. Dr. Koch diskutierten im Panel 1 Prof. Dr. Peter Martini (FKIE; Bonn), Jörg Eschweiler (Head of Intelligence & Cybersecurity des Unternehmens Atos Public Sector & Defence Germany; München), Reiner Louis (Sprecher der Geschäftsführung der Firma Computacenter; Kerpen) sowie Dr. Alexander Wille (Unternehmensgruppe ESG, Team Lead Data Analytics zur KI; Fürstenfeldbruck).

Am Panel 2 beteiligten sich unter Leitung von Prof. Dr. Palt für die Bundeswehr Generalleutnant Dr. Ansgar Rieks (Stellvertretender Inspekteur Luftwaffe) und Generalmajor Wolfgang Gäbelein (Amtschef des Planungsamtes der Bundeswehr). Die Runde wurde komplettiert von Airbus-Repräsentant Harald Mannheim, Marc Akkermann (Director Sales & Head of Berlin Office der Firma INFODAS; Berlin) und von der Ingenieurin Kenza Ait Si Abbou (aktuell bei IBM als Director Client Engineering DACH; Berlin).

Blick in eine andere kleine Welt und Vorschau auf das kommende Jahr

Der Tag endete mit einem Blick über den Tellerrand der Digitalisierung der Bundeswehr hinaus. Mete Boz, Mitbegründer des Chaos Computer Clubs Düsseldorf, stellte den Hackerspace „Chaosdorf“ vor, an dem Menschen durch Ausprobieren und eigene Projekte an die IT herangeführt werden sollen (das „Chaosdorf“ bezeichnet sich selbst als „Haufen technikaffiner Menschen, die sich gerne regelmäßig treffen, Spaß mit – oder auch mal ohne – Computer haben und an diversen Projekten arbeiten“).

In ihren Schlussworten luden die beiden Co-Moderatoren der 14. IT-Tagung von BAAINBw und AFCEA, Michael Hauschild und Henry-Günter Neumann, auch schon für die 15. Koblenzer IT-Tagung ein. Diese soll am 14. September 2023 – ebenfalls wieder in der Rhein-Mosel-Halle – stattfinden.


Die Aufnahme entstand bei der Diskussionsrunde im Panel 2, Thema: „Innovation“. Am Pult Marc Akkermann, Director Sales & Head of Berlin Office des Software- und Beratungsunternehmens INFODAS.
(Bild: INFODAS GmbH)

Kleines Beitragsbild: Die 14. IT-Tagung des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in Kooperation mit dem Anwenderforum AFCEA Bonn e.V. war nach Angaben der Veranstalter ein voller Erfolg. Die Aufnahme zeigt im Bildvordergrund Referenten und Teilnehmer der beiden Panel-Runden „Künstliche Intelligenz“ und „Innovation“.
(Foto: AFCEA)


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