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Berlin. Die Organisation Transparency International, die sich die Bekämpfung und Eindämmung von Korruption auf ihre Fahnen geschrieben hat, hat am heutigen Dienstag (16. November) ihren neuesten Korruptionsindex – den Government Defence Integrity Index (GDI) für das Jahr 2020 – vorgestellt. Transparency International schreibt dazu in einer Pressemitteilung: „Der GDI ist die einzige globale Bewertung der Korruptionsrisiken in staatlichen Institutionen des Verteidigungssektors, insbesondere Verteidigungsministerien.“ Der aktuelle GDI umfasst 86 Länder und bewertet das Vorhandensein, die Wirksamkeit und die Durchsetzung institutioneller Kontrollen in fünf zentralen Korruptionsrisikobereichen: Finanzen, militärischer Einsatz, Personal, Politik und Beschaffung. Deutschland steht im internationalen Vergleich gut da, Gefahren lauern aber bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr.

Die globalen Ergebnisse weisen – so die Bewertung von Transparency International – länderübergreifend auf ein hohes bis kritisches Korruptionsrisiko im Verteidigungssektor hin. 62 Prozent der untersuchten Länder erreichen eine Gesamtbewertung von weniger als der Hälfte der möglichen Punkte.

Positiver Spitzenreiter ist Neuseeland mit einer Gesamtbewertung von 85/100. Schlusslicht ist der kürzlich von einem Militärputsch betroffene Sudan mit einer Gesamtbewertung von 5/100. Die Organisation zieht folgendes Fazit: „Beinahe alle Länder schneiden bei der Korruptionsbekämpfung bei internationalen militärischen Einsätzen schlecht ab. In diesem Bereich liegt die Durchschnittsbewertung bei 16/100, da die meisten Länder Korruptionsbekämpfung in der Planung ihrer Auslandseinsätze nicht oder kaum berücksichtigen. Besonders besorgniserregend ist, dass gerade Länder, die wie die USA (18/100) oder Frankreich (10/100) internationale militärische Interventionen leiten, in diesem Bereich schlecht dastehen.“

Keine Schulung zur Korruptionsprävention vor dem Einsatz

Deutschland schneidet mit einer Gesamtbewertung von 70/100 im internationalen und europäischen Vergleich gut ab und steht zusammen mit Taiwan auf Platz 6. Dazu Peter Conze, bei Transparency International Deutschland e.V. als Senior Advisor on Defence and Security Policy tätig: „Deutschlands Governance-Standards zur Verringerung des Korruptionsrisikos im Verteidigungssektor sind weitgehend effektiv, weisen aber einige Lücken auf. Das Korruptionsrisiko in den Bereichen ,Finanzen‘ und ,Personal‘ ist dank hoher Transparenz gering und die Aufsichtsinstitutionen – einschließlich Parlament und Rechnungsprüfungsorganen – sind mit wenigen Ausnahmen wirksam. Die Achillesferse des deutschen Verteidigungssektors sind allerdings unzureichende Vorkehrungen zur Korruptionsbekämpfung bei Auslandseinsätzen. Zahlreiche Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit haben gezeigt, dass gerade die grassierende Korruption zum Scheitern von internationalen militärischen Einsätzen beitragen kann und damit verheerende Konsequenzen auf Frieden und Stabilität hat.“

Deutschland hat sich in den letzten Jahren an zahlreichen Missionen der Vereinten Nationen, Europäischen Union und NATO beteiligt. Diese Missionen finden oft in Ländern statt, in denen Korruption gedeiht. Transparency International kritisiert: „Trotzdem bleiben Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung in der deutschen Planung und Durchführung von Militäroperationen weiterhin lückenhaft. Auf strategischer Ebene fehlt Deutschland eine Verteidigungsdoktrin, die Korruption bei militärischen Einsätzen thematisiert, insbesondere wie deren Gefahren und Auswirkungen eingedämmt werden sollen. Zudem werden keine Schulungen zur Korruptionsprävention vor dem Einsatz durchgeführt. Schließlich sind Berichte über das Korruptionsgeschehen bei Auslandseinsätzen nicht frei verfügbar, wodurch nicht festgestellt werden kann, in welchem Umfang dessen Überwachung und die Analyse der Korruptionsrisiken in der Praxis geschieht.“

Whistleblower-Richtlinie der EU sollte endlich in gesetzliche Regelung einfließen

Das Grundgesetz gewährleiste zwar eine starke parlamentarische Aufsicht der Streitkräfte, insbesondere durch den Verteidigungsausschuss, so die Organisation in ihrer Presseerklärung weiter. Jedoch sei die Wirksamkeit und Unabhängigkeit der parlamentarischen Aufsicht aufgrund unzureichender Regulierung von Lobbyismus und Interessenkonflikten gefährdet. Selbst nach Inkrafttreten des Lobbyregistergesetzes am 1. Januar 2022 werde in Deutschland auch weiterhin „der exekutive und legislative Fußabdruck“ fehlen, der konkrete Einflüsse auf die Gesetzgebung offenlegen könnte. Transparency International warnt: „Das ermöglicht, weiterhin nahezu unreglementiert Einfluss auf die Politikgestaltung und die Beschaffung zu nehmen.“ Außerdem müssten, so eine weitere Forderung der Antikorruptionskämpfer, die Regelungen zu Nebentätigkeiten und möglichen Interessenkonflikten von Bundestagsabgeordneten weiter verschärft werden.

Die Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung würden auch durch die fehlende Gesetzgebung zum Hinweisgeberschutz untergraben. Hinweisgeber seien oft die einzigen Personen, die illegale und illegitime Machenschaften aufdecken können – oft unter Inkaufnahme erheblicher persönlicher Risiken. Aus diesem Grund sei eine zeitnahe Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie in einer über EU-Recht hinausgehenden gesetzlichen Regelung dringend erforderlich.


Kompakt                                  

Transparency International Deutschland e.V. (kurz: Transparency Deutschland) ist eine 1993 gegründete deutsche Nichtregierungsorganisation (NGO) mit Sitz in Berlin. Als deutsches Chapter des Dachverbands Transparency International hat der gemeinnützig tätige Verein den Zweck der Bekämpfung und Eindämmung von Korruption. Der Verein hat rund 1250 Mitgliedern, die in elf Regional- und 16 Arbeitsgruppen deutschlandweit tätig sind. Transparency International hat sich den Grundprinzipien Integrität, Verantwortlichkeit, Transparenz und Partizipation der Zivilgesellschaft verschrieben. Ziel ist es, das öffentliche Bewusstsein über die schädlichen Folgen der Korruption zu schärfen und Integritätssysteme zu stärken. Die Organisation verfolgt dabei keine Einzelfälle, sondern ist auf politischer Ebene tätig und versucht, mit anderen Akteuren Koalitionen zu bilden.

Der Government Defence Integrity Index (GDI) ist die einzige globale Bewertung der Governance und der Korruptionsrisiken im Verteidigungssektor. Der GDI war zuvor als „Government Defence Anti-Corruption Index“ (GI) bekannt. Den Informationen von Transparency International zufolge wurde für die Version 2020 der Index umfassend aktualisiert. An der Methodik und der dem Projekt zugrundeliegenden Bewertung habe man Änderungen vorgenommen. Deshalb könnten auch die Gesamtergebnisse der Länder für das Jahr 2020 nicht genau mit den Ergebnissen früherer Jahre verglichen werden.


Zu unserem Bild:
Ausriss aus dem Government Defence Integrity Index 2020 von Transparency International – hier rangiert Deutschland gemeinsam mit Taiwan auf dem sechsten Rang. Achillesferse des deutschen Verteidigungssektors ist die unzureichende Korruptionsbekämpfung bei Auslandseinsätzen. Das Hintergrundfoto, entstanden am 29. Januar 2017 auf dem Flugplatz in Bamako in Mali, zeigt ein Großraumtransportflugzeug des Typs Antonow AN-124. Die Frachtmaschine brachte an jenem Tag von Leipzig aus einen Bundeswehr-Hubschrauber NH90 ins Einsatzland zu MINUSMA, der Mission der Vereinten Nationen.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr;
Infografik mit Lokalisierung © Christian Dewitz/mediakompakt 11.21)

Kleines Beitragsbild: Symbolbild „Auslandseinsatz“. Die Aufnahme vom 10. Dezember 2015 entstand an Bord eines Großraumtransportflugzeugs A400M vom Lufttransportgeschwader 62. Die Maschine flog an diesem Tag von Jagel aus Soldaten des Taktischen Luftwaffengeschwaders 51 „Immelmann“ in die Türkei. Von dort aus startete die Deutsche Luftwaffe später ihren Syrien-Einsatz. Die erwähnten Verbände beziehungsweise fotografierten Personen haben selbst nichts mit der Thematik „Korruption im Auslandseinsatz“ zu tun!
(Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr)


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