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Regensburg. Am 3. November 2020 haben die Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika ihren nächsten Präsidenten gewählt. Nach einem überraschend engen Rennen steht seit Samstag, 7. November, fest: Der Kandidat der Demokrat, Joe Biden, hat die Wahl gewonnen. Er wird das 46. Staatsoberhaupt der USA, seine Vereidigung findet am 20. Januar statt.

Nach vier Jahren Trump-Chaos, das die (einstige) Supermacht am Ende sogar auf die Qualitätsstufe einer Bananenrepublik herabgezogen hat, stehen die USA endlich an einem Wendepunkt. Doch Bidens Amtsantritt wird überschattet von den wahnhaften, verzweifelten Versuchen seines Vorgängers, an der Macht zu bleiben. Und von der Sorge um politische Mehrheiten im Kongress.

Auch die Partner der Vereinigten Staaten richten alle Augen auf den 20. Januar, wenn der neue Präsident mit seiner Vereidigung die üblen Geister der Vergangenheit – zumindest für eine Weile (Trumps nächste Rolle könnte auch die eines „Schattenpräsidenten“ mit gewaltiger Anhängerschaft sein) – vertreiben kann.

Die NATO hat Trump überlebt – allerdings nicht ganz unbeschadet

Auch für die NATO könnte es lebenswichtig sein, dass im Weißen Haus demnächst wieder ein verlässlicher Partner residiert. Dazu Paul Taylor vom Thinktank „Friends for Europe“ („Freunde für Europa“): „Am Ende muss man sagen: Die NATO hat Donald Trump überlebt – allerdings nicht ganz unbeschadet. Sie hat sich verändert.“

Mit den angeschlagenen Transatlantischen Beziehungen befasste sich am gestrigen Freitag (1. Januar) Washington-Korrespondent Thomas Spang. Er bringt es in seinem Kommentar für die Mittelbayerische Zeitung Regensburg auf den Punkt: „Weil Donald Trump viel Porzellan zerschlagen hat, darf der neue US-Präsident Joe Biden die Beziehung zu Europa wieder kitten.“


Thomas Spang, Mittelbayerische Zeitung: Die Katastrophe konnte so eben noch einmal abgewendet werden. Donald Trump schaffte es mit seiner „Amerika zuerst“-Politik nicht, die NATO zu zerstören, von Afghanistan über Deutschland bis Südkorea US-Truppen abzuziehen oder den freien Handel, den Klimaschutz und die universale Geltung der Menschenrechte zu unterminieren. Aber er hat es nach Kräften versucht.

Hätte dieser überforderte US-Präsident, Egozentriker und Selbstdarsteller nur etwas mehr politisches Talent bewiesen, stünden die Dinge nach vier Jahren an der Spitze der Supermacht heute vermutlich anders. Dass am 20. Januar Schlag zwölf Uhr Mittag die Amtszeit Trumps unweigerlich zu Ende geht, garantiert vor allem eines: Es kann nur besser werden.

Obwohl mit Joe Biden jetzt ein alter Freund Europas 46. Präsident der Vereinigten Staaten wird, kehrt mit ihm nicht automatisch transatlantische „Normalität“ zurück.

Der „Amerika First“-Nationalismus Trumps hat in den vergangenen vier Jahren die Sollbruchstellen der multilateralen Nachkriegsordnung offengelegt. Während die Europäer – allen voran die Deutschen – den militärischen Schutz der USA viel zu lange für selbstverständlich nahmen, behandelte sie der Geschäftsmann im Weißen Haus wie tributpflichtige Vasallen. Besonders schmerzhaft zutage trat dabei die Tatsache, dass die Europäische Union nicht einmal ihre eigenen Außengrenzen alleine verteidigen kann. Dass die USA über sieben Jahrzehnte seit Ende des Zweiten Weltkriegs diese Lasten durch die NATO geschultert haben, verschleierte das Defizit.

Trump hat durch sein Auftreten die Sensibilität für den Wert des Bündnisses geschärft. Statt Schadenfreude über den so gut wie gescheiterten Truppenabzug aus Deutschland zu empfinden, ist Demut geboten, gerade noch einmal mit dem Schrecken davongekommen zu sein. Es wäre ein großer Fehler, einfach wieder zur Tagesordnung übergehen zu wollen. An einer robusten Diskussion, wie Europa seine eigene Sicherheit unter dem Dach der NATO organisieren will, führt kein Weg vorbei. Das hat auch der überzeugte Trans-Atlantiker Biden bereits unmissverständlich klargemacht. Zumal die USA in anderen Teilen der Welt Kapazitäten brauchen, den strategischen Rivalen China einzudämmen.

Bidens designierter Außenminister Anthony Blinken brachte die veränderte Lage nach vier Jahren „Amerika zuerst“ mit einer oft zitierten Beobachtung gut auf den Punkt. Die Welt neige nicht dazu, sich selber zu organisieren. Mindestens nicht so, wie es im nationalen Interesse liegt.

Mit dem Rückzug der USA unter ihrem Anführer Trump füllten autoritäre Mächte wie China, Russland, die Türkei und Saudi-Arabien die entstandenen Vakuen, während die Europäische Union auf der anderen Seite nicht zuletzt auch wegen des Brexit mit ihrer Einheit rang.

Biden muss versuchen, verlorenen Boden wiedergutzumachen. Während die Rückkehr in das Weltklima-Abkommen und die Weltgesundheitsorganisation einfache Schritte zu sein scheinen, hängt das Wiederbeleben des Atomabkommens mit dem Iran von den politischen Entwicklungen dort ab. Der Handel bleibt ein schwieriges Thema, wie auch der Umgang mit Russland und China von Ambivalenz geprägt ist.

Der gemeinsame Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie bietet sich für die neue amerikanische Regierung als idealer Ausgangspunkt für das transatlantische Wiederbelebungs-Projekt an. Die Kooperation des deutschen Unternehmens Biontech mit dem amerikanischen Pharma-Konzern Pfizer hat gezeigt, was möglich ist, wenn beide Seiten ihre Stärken kombinieren. Das kann mit frischem Elan und klarem Blick nun auch auf politischer Ebene gelingen.


Randnotiz                                  

Die Mittelbayerische Zeitung ist eine regionale Tageszeitung mit Sitz in Regensburg, erstmals erschienen am 23. Oktober 1945. Sie gehört zur Unternehmensgruppe Mittelbayerischer Verlag KG.
Thomas Spang (Jahrgang 1965) ist ein Routinier unter den deutschen Washington-Korrespondenten. Für deutschsprachige Tageszeitungen hat der Journalist bereits vor Donald Trump über die Präsidenten Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama berichtet. Spang absolvierte seine Ausbildung am Institut für Journalistik der Technischen Universität Dortmund. Von 1988 bis 1999 arbeitete er als Redakteur bei der Deutschen Welle im Hörfunkbereich. Seine Themenschwerpunkte waren damals dort unter anderem: Nachrichten, Wirtschaft, Politischer Hintergrund und Kommentar. Seit 1999 ist Spang Gruppen-Korrespondent Washington D.C. für deutschsprachige Tageszeitungen.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Symbolbild „Presselandschaft“ aus dem Bildangebot von Pixabay.
(Foto: Michael Gaida/freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich)

2. Nach der US-Präsidentschaftswahl 2020 im November konnte selbst der sonst so um Neutralität bemühte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg seine heimliche Freude über den Wahlausgang nicht verhehlen. Er lud den gewählten US-Präsidenten Joe Biden bereits zur NATO ein und nannte ihn demonstrativ einen „starken Unterstützer der transatlantischen Beziehungen“. Das Verhältnis zwischen den Bündnismitgliedern und Vorgänger Trump hingegen war schwierig. Der 45. US-Präsident hatte in den vergangenen vier Jahren nur notdürftig verborgen, dass er die Allianz „für obsolet“ hält. Das Foto entstand am 3. Dezember 2019 beim NATO-Gipfel in London und zeigt Generalsekretär Stoltenberg (links) mit Trump.
(Foto: NATO)

Kleines Beitragsbild: Symboldarstellung „Zeitungen“ aus dem Bildangebot von Pixabay.
(Foto: kalhh/freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich; grafische Bearbeitung mediakompakt)


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