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Berlin. Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ist mit Abschluss der militärischen Evakuierungsoperation am Flughafen Kabul seit dem 27. August 2021 endgültig vorüber. Damit ging nach zwei Jahrzehnten eine Mission zu Ende, die nicht nur Afghanistan selbst, sondern auch das Selbstverständnis deutscher Streitkräfte sowie die Rolle des politischen Westens als globaler Ordnungsfaktor geprägt und wohl auch nachhaltig verändert hat. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer will einen ersten Beitrag zur Bilanzdebatte über das deutsche Engagement am Hindukusch leisten. Am kommenden Mittwoch (6. Oktober) soll deshalb in Berlin eine Fachkonferenz den Auftakt für eine intensive Nachbetrachtung und Aufarbeitung des deutschen Afghanistaneinsatzes markieren. Allerdings gibt es ein großes Problem: Wie das ARD-Hauptstadtstudio am heutigen Sonntag (3. Oktober) berichtete, haben die geladenen Fraktionen von Union, SPD, Grünen und FDP ihre Teilnahme an der Veranstaltung des Ministeriums abgesagt. Über die Hintergründe später …

Den Beitrag des Wehrressorts zur Bilanzdebatte begründet Kramp-Karrenbauer in einer Pressemitteilung folgendermaßen: „Ein historisches Kapitel ist zu Ende gegangen. Der Einsatz in Afghanistan hat die Bundeswehr gefordert und geprägt, die Bundeswehr hat sich im Kampf bewährt. Angehörige der Bundeswehr sind an Leib und Seele verletzt worden, Menschen haben ihr Leben verloren, wir hatten Gefallene zu beklagen. In einer kritischen Bilanz müssen wir darüber reden, was gut war, was nicht gut war und was wir gelernt haben. Zu dieser ehrlichen und kritischen Bilanz machen wir im Verteidigungsministerium am 6. Oktober den Auftakt, bevor am 13. Oktober die Angehörigen aller Kontingente des 20-jährigen Einsatzes durch Bundesregierung, Bundestag und Bundespräsidenten noch einmal eine besondere Würdigung erfahren.“

Der Auftakt der Bilanzierung war ursprünglich für Ende August geplant, musste aber aufgrund der militärischen Evakuierungsoperation aus Kabul verschoben werden. Die Veranstaltung soll nunmehr am kommenden Mittwoch in der Zeit von 11 Uhr bis 17:30 Uhr stattfinden.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit einer Videobotschaft

Es werden neben Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer auch Außenminister Heiko Maas sowie NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg (per Videoschaltung) in die Veranstaltung einführen und so die ressortübergreifende sowie multinationale Dimension des Einsatzes unterstreichen.

Besondere Bedeutung wird – so der Veranstalter – „der Perspektive der Soldatinnen und Soldaten im Einsatz“ zukommen. Ein weiterer inhaltlicher Konferenzschwerpunkt soll sich mit den Folgen und Auswirkungen des Einsatzes auf das Leben von Einsatzgeschädigten und deren Familien befassen.

Für den Mittwochnachmittag war laut Programm auch eine Diskussion mit Bundestagsabgeordneten zum Fragenkomplex „Der Afghanistaneinsatz und die Parlamentsarmee: Wie bilanziert der Deutsche Bundestag? Was sind die Lehren?“ vorgesehen. Angefragt hatte das Ministerium dazu bei Henning Otte (CDU/CSU), Gabriela Heinrich (SPD), Peter Felser (AfD), Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Heike Hänsel (Die Linke) und Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen). Nur der Vertreter der AfD sagte bislang zu.

Verhältnis zwischen Verteidigungspolitikern und Ministerin angespannt?

Wie nun das ARD-Hauptstadtstudio „aus Parlamentskreisen“ erfahren haben will, haben „die Fraktionen von Union, SPD, Grünen und FDP […] ihre Teilnahme an der Auftaktveranstaltung des Verteidigungsministeriums für die Aufarbeitung des Afghanistaneinsatzes am Mittwoch abgesagt“.

In der am heutigen Sonntagnachmittag verbreiteten Eilmeldung aus Berlin berichtet das ARD-Team weiter: „Der Zeitpunkt der Veranstaltung sei ,völlig unpassend‘, heißt es übereinstimmend aus den Fraktionen. Ein so wichtiges Thema wie die Aufarbeitung von 20 Jahren Engagement in Afghanistan so kurz nach der Wahl und mitten in der Sondierungsphase für eine neue Regierung zu beginnen, sei deplatziert, verlautet aus den Parteien weiter. Ihre Entscheidung haben die Fraktionen nach ARD-Informationen untereinander abgesprochen.“

Zum Hintergrund schreiben die Verantwortlichen des ARD-Hauptstadtstudios: „Das Verhältnis zwischen dem Verteidigungspolitikern im Parlament und Annegret Kramp-Karrenbauer gilt seit Monaten als angespannt. Kritik am geplanten Zeitpunkt der Afghanistan-Aufarbeitung war schon vor Wochen lautgeworden. Dass die Ministerin daran festhielt, stößt bei nicht wenigen Abgeordneten auf Unverständnis.“


Zu unserem Bildmaterial:
1. Die letzten Wochen auf afghanischem Boden – Bundeswehrsoldaten am 19. Mai 2021 im Camp Marmal bei Mazar-e Sharif. Die deutschen Kräfte bereiten sich zu diesem Zeitpunkt darauf vor, das Feldlager an die afghanischen Sicherheitskräfte zu übergeben und abzuziehen.
(Foto: Torsten Kraatz/Bundeswehr)

2. 28. Mai 2021 – das Ende der „Resolute Support Mission“ rückt näher. Blick über die Einrichtungen von Camp Marmal.
(Foto: Torsten Kraatz/Bundeswehr)

3. Die letzten Bundeswehrsoldaten verlassen Camp Marmal und werden mit einem Airbus A400M aus Afghanistan ausgeflogen. Unter ihnen ist auch der Befehlshaber des letzten deutschen Afghanistan-Kontingents, Brigadegeneral Ansgar Meyer.
(Foto: Torsten Kraatz/Bundeswehr)

4. 30. Juni 2021 – Antreten der letzten aus Afghanistan ausgeflogenen deutschen Soldaten der NATO-Mission „Resolute Support“ nach einem Zwischenstopp in der georgischen Hauptstadt Tiflis. Brigadegeneral Meyer wird hier von seinem Afghanistan-Kommando entbunden und mit der Einsatzmedaille ausgezeichnet. Später fliegen die Bundeswehrangehörigen weiter in die Heimat nach Wunstorf bei Hannover.
(Foto: Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Symbolfoto „Abzug aus Nordafghanistan“ – ein letztes Mal startet von Mazar-e Sharif aus eine deutsche Transportmaschine mit Bundeswehrsoldaten an Bord. Mit der letzten Gruppe verlässt auch Befehlshaber Ansgar Meyer das Land am Hindukusch. In den vergangenen 20 Jahren waren etwa 150.000 Männer und Frauen der Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz, viele von ihnen mehrfach. 59 deutsche Soldaten kamen hier ums Leben, 35 von ihnen fielen durch Fremdeinwirkung im Gefecht oder durch Anschläge.
(Torsten Kraatz/Bundeswehr)


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