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New York/Kiel. „Wie kommuniziert man unter Wasser kabellos in einem Netzwerk?“ – so lautet die Aufgabenstellung, mit der sich momentan Wissenschaftler und Techniker verschiedener Behörden, Institute und Unternehmen in Kiel befassen. Dort, auf dem auf dem Gelände der Wehrtechnischen Dienststelle (WTD) 71 der Bundeswehr, will das internationale Team mit einem „Hightech-Hafenexperiment“ ausloten, wie sich ein Netzwerk – ähnlich dem Internet – auch in der Unterwasserwelt aufbauen und nutzen lässt.

Deutschland, Finnland, die Niederlande, Norwegen und Schweden testen gemeinsam im Projekt SALSA (Smart Adaptive Long- and Short-range Acoustic network) der Europäischen Verteidigungsagentur (European Defence Agency, EDA) Möglichkeiten der digitalen Unterwasserkommunikation.

Über ein spezialisiertes Netzwerkprotokoll – GUWMANET = Gossiping UnderWater Mobile Ad hoc NETwork – werden 20 bemannte und unbemannte Plattformen adaptiv und kabellos miteinander verknüpft. Das Netzwerkprotokoll ist von der Bundeswehr entwickelt worden. Zum Einsatz kommen autarke Systeme: Tauchfahrzeuge, Stationen auf dem Meeresboden, Schiffe und Boote. Sogenannte „Gateway-Bojen“ binden die Netzwerkteilnehmer, die sich unter Wasser befinden, an die Funkkommunikation über Wasser an.

Erste Versuche im Jahr 2013 durch die New Yorker University at Buffalo

Eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung eines „drahtlosen Netzwerks unter Wasser“ spielt die University at Buffalo, auch State University of New York at Buffalo genannt. Im Dezember 2013 berichtete die Technology Review, ein Fachmagazin des Massachusetts Institute of Technology (Cambridge, US-Bundesstaat Massachusetts) darüber, dass Forscher der New Yorker Universität Sensoren im Meer über das Internet-Protokoll TCP/IP (Transmission Control Protocol/Internet Protocol) miteinander vernetzen wollen.

Die Technology Review zitierte damals Projektleiter Tommaso Melodia: „Wir wollen ein Unterwassernetzwerk entwickeln, auf das man per Internet zugreifen kann. Mit der Technik könnten dann beispielsweise Erdbeben- oder Tsunami-Sensoren vernetzt oder Meeresbiologen und Geologen bei ihrer Unterwasserforschung geholfen werden.“ Basis für das „Deep Sea Internet“ sei eine Anpassung des grundlegenden Netzwerkprotokolls TCP/IP, auf dem das Internet seit den Siebzigerjahren aufbaut, so der Juniorprofessor für Elektrotechnik an der University at Buffalo. Das Protokoll sei so angepasst worden, dass es auch auf kommerziellen Unterwassermodems des Herstellers Teledyne Benthos funktionieren könne.

Teledyne Benthos ist eine Unternehmensgruppe in den USA, die sich seit rund 50 Jahren auf die Herstellung von Produkten unter anderem für die akustische Kommunikation im Bereich vernetzter Unterwassersysteme spezialisiert hat. Teledyne-Benthos-Geräte arbeiten mit proprietärer, geschlossener Netzwerktechnik, die mit TCP/IP nicht kompatibel ist. Projektleiter Melodia: „Mit TCP/IP wären dagegen gebräuchliche Internet-Dienste auch unter Wasser möglich.“ Und: „Die Vernetzung unter Wasser mit akustischen Verfahren ist noch ganz am Anfang und sie entwickelt sich rasch weiter. Viele von den Dingen, an denen wir aktuell forschen, haben damit zu tun, eine Basis für schnellere, verlässlichere und sicherere Netzwerke zu schaffen.“ Das war vor sieben Jahren …

Ein weiterer technologischer Baustein für eine Kommunikation unter Wasser

Inzwischen hat das „Liquid-Internet“ weitere entscheidende Fortschritte gemacht. Ivor Nissen von der WTD 71, Koordinator der Dienststelle für das „Hightech-Hafenexperiment“, sagte zu Beginn des Tests: „Wir freuen uns, unsere Projektpartner hier zu begrüßen und ihnen eine ideale Infrastruktur in der Kieler Förde bieten zu können. Damit wird ein weiterer technologischer Baustein für eine Kommunikation unter Wasser geschaffen. Dies wird ein breites Spektrum von neuen Fähigkeiten eröffnen.“

Eine große Herausforderung bei dem Vorhaben „Unterwasser-Netzwerk“ besteht laut Nissen in den sich schnell verändernden Unterwasserschall-Bedingungen, an die sich die akustischen Kommunikationssignale anpassen müssen. Solche Fähigkeiten, die sich etwa Meeressäuger wie beispielsweise Wale im Laufe der Evolution in einer langen Evolutionsphase angeeignet haben, müssen für die Unterwasserkommunikation erst entwickelt und getestet werden.

Nissen nennt ein Beispiel: „Telefone könnten unter Wasser lernen ,mitzudenken‘, und von sich aus die geeignete Frequenz, die Lautstärke und die Empfangsverstärkung auswählen, damit die Nachricht korrekt beim Empfänger eintrifft.“

Über die „menschengemachte Kakofonie in den Ozeanen“

Sollte in naher Zukunft tatsächlich mit Hilfe von Schallwellen eine schnelle Verbindung ins Internet möglich sein, wird sich bald schon eine zentrale Frage stellen: Wie wird die Tierwelt darauf reagieren? Schon jetzt verursachen der Lärm von Schiffsschrauben, Echolots der Schiffe, Baggerarbeiten, Rammstöße beim Bau von Windparks oder die Schallquellen, die Geologen bei ihrer Suche nach Bodenschätzen am Meeresgrund einsetzen, für eine ständige Abfolge von unangenehmen Lauten. „Menschengemachte Kakofonie in den Ozeanen“ schrieb der Journalist Lutz Debus im Dezember 2013 für die Tageszeitung (taz).

Debus hatte für seinen Beitrag auch mit Christian Wild vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie in Bremen (seit Januar 2017 Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung) gesprochen und erfahren, dass es zum damaligen Zeitpunkt „noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen bezüglich der Auswirkungen von akustisch übermittelten Internetverbindungen auf Meeresorganismen“ gab.

Biologe Wild, heute Professor an der Universität Bremen, vertrat in dem Gespräch mit dem taz-Autor allerdings die Auffassung, dass es sehr wohl „zu Störungen bei der Kommunikation zwischen Meeressäugetieren und auch Fischen kommen [könnte], denn diese kommunizieren in einem breiten Frequenzbereich zwischen etwa 50 Hertz bis zu mehreren Tausend Hertz“.

Ein Zusammenhang zwischen der Strandung von Walen und Delfinen und der Zunahme von künstlich erzeugtem Schall unter Wasser wird in der Fachwelt diskutiert. Der Verein Naturschutzbund Deutschland, kurz NABU, hat eine klare Meinung. In einer Presseerklärung des Umweltverbandes heißt es: „In unseren Meeren ist es zu laut. Darunter leiden Schweinswale, Dorsche und viele andere Meeresbewohner. Im schlimmsten Fall ist der Lärm tödlich.“

Solange noch Unklarheit herrscht, muss es in den Meeren leiser werden

Kim Cornelius Detloff, bei NABU Leiter „Meeresschutz“, erläutert in dem Pressetext Zusammenhänge. „Da Wasser den Schall gut leitet, spielt er für viele Meeresbewohner eine große, oft überlebenswichtige Rolle. Schweinswale beispielsweise verfügen über ein hochentwickeltes Biosonar. Sie senden Ultraschall-Klicks aus, um sich zu orientieren. Lärm stört ihre Verständigung mit Artgenossen sowie das Paarungsverhalten und erschwert die Nahrungssuche. Aber auch Fischarten wie der Dorsch nutzen Schall zur Kommunikation und Orientierung. Für viele Fische ist die Schallwahrnehmung zudem wichtig, um Fressfeinden zu entgehen.“

Welche Auswirkungen Unterwasserschall auf die Meeresbewohner habe, hänge vom Schallpegel sowie von der Entfernung zur Schallquelle ab, erklärt Detloff. Im schlimmsten Fall könne Unterwasserschall zum Tod der Meeresbewohner führen oder Verletzungen hervorrufen.

Der Meeresbiologe: „Schweinswale etwa sind auf ihr gutes Gehör angewiesen. Verschlechtert es sich zeitweise oder gar dauerhafte, hat das schwerwiegende Folgen für die Tiere. Bei geringeren Schallpegeln oder in größerer Entfernung zur Schallquelle treten sogenannte Maskierungseffekte auf. Ebenso wie wir uns an einer stark befahrenen Straße schlecht unterhalten können, ist für Meeresbewohner die Wahrnehmung überlebenswichtiger Schallsignale gestört. Schweinswale meiden daher solche Bereiche. Durch Lärm geht den Tieren damit Lebensraum verloren.“

Der NABU sieht noch reichlich Forschungsbedarf. Besonders bei Dauerschall werde bislang noch nicht ausreichend verstanden, ab welchem Schallpegel mit Störungen und Schäden zu rechnen sei und welche Dimensionen die Effekte annehmen könnten, gibt der Verband zu bedenken. Deshalb fehlten entsprechende Grenzwerte für den Unterwasserlärm. „In dem Meeren muss es leiser werden, solange hier noch Unklarheit herrscht“, fordert der älteste und mit mehr als 770.000 Mitgliedern und Fördernden mitgliederstärkste Umweltverband Deutschlands.


Zu unserem Foto: Das autonome Tauchfahrzeug „SeaCat“ der WTD 71 wurde beim „Hightech-Hafenexperiment“ in Kiel in den Kommunikationsverbund aus unterschiedlichen Bodenknoten, Fahrzeugen, Bojen und Tauchern eingebunden.
(Foto: Detlef Müller-Struck/Presse- und Informationszentrum BAIN)

 


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