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Düsseldorf/Berlin. Die Anzahl der Bundeswehrangehörigen, die sich wegen einer einsatzbedingten psychischen Erkrankung erstmals in fachärztliche Behandlung begeben haben, bewegt sich weiterhin auf einem hohen Niveau. Darüber berichtete jetzt auch in ihrer gestrigen Ausgabe (18. Februar) die in Düsseldorf erscheinende Rheinische Post. Die Zeitung zitierte dabei aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten René Springer. Auch der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, widmet dem Thema der einsatzbedingten psychischen Erkrankungen – vor allem der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) – in seinen Jahresberichten immer wieder breiten Raum.

Die Bundesregierung machte in ihrer Antwort an den AfD-Politiker über die Anzahl des einsatzbedingt psychisch erkrankten Militärpersonals für die Jahre 2016 bis 2019 folgende Angaben, die sich jeweils auf Neuerkrankungen beziehen:
im Jahr 2016 insgesamt 318 Fälle >
(Afghanistaneinsatz 217, Kosovoeinsatz 41, sonstige Auslandseinsätze der Bundeswehr 60);
im Jahr 2017 insgesamt 274 Fälle >
(Afghanistaneinsatz 148, Kosovoeinsatz 39, sonstige Auslandseinsätze der Bundeswehr 87);
im Jahr 2018 insgesamt 279 Fälle >
(Afghanistaneinsatz 177, Kosovoeinsatz 27, sonstige Auslandseinsätze der Bundeswehr 75);
im Jahr 2019 insgesamt 290 Fälle >
(Afghanistaneinsatz 165, Kosovoeinsatz 33, sonstige Auslandseinsätze der Bundeswehr 92).

Die Regierung weist darauf hin, dass die Bundeswehr grundsätzlich nicht einzelne Behandlungskontakte, sondern vielmehr die Gesamtzahl der zu behandelnden Soldaten in Bundeswehreinrichtungen erfasst (die Patienten aber – wie bereits ausgeführt – „unterteilt“ in Einsatzgebiete). Eine Aussage über eine Gesamtzahl der Behandlungskontakte mit zivilen Ärzten, Psychiatern oder Psychotherapeuten sei somit nicht möglich.

Auch sei eine Erfassung der absoluten Zahl einsatzbedingt psychisch Erkrankter nicht sinnvoll, da der Personalkörper der Bundeswehr einer ständigen Fluktuation unterliege. Dies mache die Erhebung einer „Gesamtzahl“ unmöglich. Schwankungen, die die Aussagekraft der Statistik stark einschränkten, entstünden vor allem durch Entlassungen, die nicht von Genesungen differenziert werden könnten.

Eine Behandlung zieht sich in der Regel über Jahre hin

In einem Onlinebeitrag der Bundeswehr mit dem Titel „Posttraumatische Belastungsstörung und psychischen Erkrankungen“ zeigt uns eine Statistik auch die Zahl der PTBS-Erkrankungen als Teil der Neuerkrankungen. So waren von den im Jahr 2016 registrierten 318 einsatzbedingten psychischen Neuerkrankungen 175 PTBS-Erkrankungen. 2017 waren unter den 274 Neuerkrankungen 170 PTBS-Fälle. 2018 waren von den 279 registrierten Neuerkrankungen 182 PTBS-Fälle. Im Jahr 2019 schließlich gab es 290 Neuerkrankungen, darunter 183 PTBS-Fälle.

All diese Zahlen zeigten, dass sich einsatzbedingte psychische Erkrankungen nicht kurzfristig therapieren ließen, so der Wehrbeauftragte in seinem aktuellen Jahresbericht. Vielmehr ziehe sich eine Behandlung in der Regel über mehrere Jahre hin. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass Traumatisierte oft erst mit mehrjähriger Verzögerung in die Behandlung kämen. Bartels gab auch zu bedenken: „Das Verteidigungsministerium geht davon aus, dass zum Beispiel aus dem Kreis der Soldatinnen und Soldaten, die an den Kampfhandlungen in Afghanistan 2009 bis 2012 beteiligt waren, weitere psychische Krankheitsfälle hinzukommen können.“

Begutachten, beraten und behandeln

Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort weiter ausführt, kann „als sinnvolles Maß der Erkrankungsaktivität“ die Anzahl „aller in einer psychiatrischen Abteilung eines Bundeswehrkrankenhauses oder einer psychiatrischen Fachärztlichen Untersuchungsstelle der Bundeswehr begutachteten oder behandelten Soldaten“ herangezogen werden. Die Bundeswehr spricht auch von „Behandlungskontakten“. Unter diesem Begriff verzeichnet die Statistik sowohl eine stationäre Behandlung als auch ein mit einem Betroffenen geführtes Beratungsgespräch.

Laut Regierung liegt für den Jahreszeitraum 2016 bis 2018 folgendes Zahlenbild vor:
im Jahr 2016 insgesamt 751 Behandlungskontakte >
(Afghanistaneinsatz 559, Kosovoeinsatz 88, sonstige Auslandseinsätze der Bundeswehr 104);
im Jahr 2017 insgesamt 784 Behandlungskontakte >
(Afghanistaneinsatz 560, Kosovoeinsatz 87, sonstige Auslandseinsätze der Bundeswehr 137);
im Jahr 2018 insgesamt 867 Behandlungskontakte >
(Afghanistaneinsatz 615, Kosovoeinsatz 100, sonstige Auslandseinsätze der Bundeswehr 152);
im Jahr 2019 insgesamt 982 Behandlungskontakte >
(Afghanistaneinsatz 695, Kosovoeinsatz 106, sonstige Auslandseinsätze der Bundeswehr 181).

Über die Gesamtzahl der Behandlungskontakte in Bundeswehreinrichtungen, die mit dem Krankheitsbild der Posttraumatischen Belastungsstörung zu tun haben, sagt die bereits erwähnte Statistik des Bundeswehr-Onlinebeitrages aus: Die 2019 begutachteten oder behandelten PTBS-Fälle haben die bisherige Gesamtzahl der Behandlungskontakte in Bundeswehreinrichtungen beträchtlich erhöht. Waren es 2018 noch insgesamt 1734 registrierte PTBS-Behandlungskontakte gewesen, so verzeichnet die Statistik jetzt für das vergangene Jahr alles in allem 1964 PTBS-Behandlungskontakte. Weitere Zahlen: 1750 Gesamtkontakte („gesamt“ meint alle Auslandseinsätze der Bundeswehr; keine Unterteilung nach Einsatzgebiet) im Jahr 2015, 1615 Gesamtkontakte im Jahr 2016 und 1903 Gesamtkontakte im Jahr 2017. Tendenz steigend …

Zwischen zwei Auslandseinsätzen ausreichend Zeit für Erholung

Wehrbeauftragter Bartels fordert vor dem Hintergrund all dieser Zahlen, dass in den Sanitätseinrichtungen und Krankenhäusern der Bundeswehr ausreichend Therapiekapazitäten vorhanden sind. Ebenso wichtig sei es aber auch, Maßnahmen zu treffen, um dem Auftreten psychischer Erkrankungen bei Einsatzsoldaten entgegenzuwirken oder zumindest eine Verschlimmerung einer solchen Erkrankung zu verhindern.

Der „Anwalt der Soldaten“ pocht darauf: „Neben der Durchführung von Präventivkuren muss die Bundeswehr sicherstellen, dass für alle Soldaten zwischen zwei Auslandseinsätzen im Sinne der 1/5-Regelung pro geleistetem Einsatzmonat eine einsatzfreie Zeit von fünf Monaten liegt, um sich wieder vollständig ins ,normale‘ Leben integrieren zu können.“ Bartels gibt auch zu bedenken: „Da es von bestimmten Spezialisten zu wenige in der Bundeswehr gibt, kommt es immer wieder zur Umgehung dieser Regel. Das schafft möglicherweise zusätzliche Probleme.“


Unsere Symboldarstellung „Depression“ stammt aus dem Bildangebot von Pixabay und wurde von dem Fotografen am 27. Juli 2017 gemacht.
(Bild: photosforyou/unter Lizenz CC0 Creative Commons = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich)


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