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Berlin. Das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages hat am Montag dieser Woche (29. Juni) zum vierten Mal in seiner Geschichte die Spitzen der Nachrichtendienste des Bundes in einer öffentlichen Anhörung befragt. Auskunft über die Arbeit ihres Dienstes und über aktuelle nachrichtendienstliche Schwerpunkte gaben Bruno Kahl (Präsident des Bundesnachrichtendienstes, BND), Thomas Haldenwang (Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, BfV) und Christof Gramm (Präsident des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst, MAD). Das Fazit dieser Anhörung: In allen Bereichen des Extremismus haben die Dienste eine gestiegene Gewaltbereitschaft ausgemacht.

BfV-Präsident Haldenwang benannte in der Sitzung, auf die wir im Vorfeld hingewiesen hatten (siehe hier), den Rechtsextremismus und den Rechtsterrorismus als „größte Bedrohung für die Sicherheit und die Demokratie in Deutschland“. Eine hohe Gewaltbereitschaft, regelmäßige Waffenfunde und Tötungsdelikte seien Belege für die hohe Gefährdungsbewertung.

Haldenwang sprach von einem Gefährderpotenzial, das im vergangenen Jahr um 33 Prozent auf rund 32.000 Personen gestiegen sei. „Neben dem Anstieg der gewaltorientierten Personen auf 13.000 beobachten wir auch einen auffälligen Anstieg antisemitisch motivierter Gewalt und Straftaten von Rechtsextremisten von jeweils etwa 17 Prozent.“

Massive Zunahme sicherheitsgefährdender Aktivitäten fremder Mächte

Auch im Linksextremismus, so Haldenwang in der Anhörung weiter, sei eine deutliche Steigerung der Militanz und eine neue Qualität bei Gewaltdelikten gegen Personen festzustellen. 4,7 Prozent betrage der Anstieg des Personenpotenzials, der nun bei 33.500 liege. Davon bewerte das Bundesamt für Verfassungsschutz 9200 Personen als gewaltorientiert. Der „scheinintellektuelle Duktus“, in den sich linksextremistische Theoretiker gerne kleideten, könne nicht darüber hinwegtäuschen, „dass auch hier Hass und Hetze gegen Menschen gepredigt“ würden, warnte Haldenwang. Linksextremistische Straftaten hätten im Jahr 2019 um fast 40 Prozent zugenommen.

Im Bereich „islamistischer Terrorismus“ könne sein Amt ebenso wenig Entwarnung geben, wie bei den sicherheitsgefährdenden Aktivitäten fremder Mächte. Diese hätten sogar „an Brisanz zugenommen“, sagte der BfV-Präsident. Wie in den vergangenen 70 Jahren, so trete das Bundesamt für Verfassungsschutz diesen Gefahren auch jetzt „aktiv und entschlossen“ entgegen.

Verfassungstreue für Soldaten und für Beamte gleichermaßen eine Berufspflicht

MAD-Präsident Christof Gramm gestand dem Parlamentarischen Kontrollgremium: „Auch wenn die ganz große Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten verfassungstreu ist und Rechtsextremismus in der Gesellschaft und in der Bundeswehr kein neues Phänomen bildet, haben wir dennoch eine neue Dimension festgestellt.“ So seien die Verdachtsfälle innerhalb der Bundeswehr in den Bereichen „Rechtsextremismus“ und „Reichsbürger“ erkennbar angestiegen.

Beginnend seit 2019 würden systematisch sowohl Extremisten als auch Personen mit fehlender Verfassungstreue erfasst, erklärte Gramm in diesem Zusammenhang. Verfassungstreue sei für Soldaten und für Beamte gleichermaßen Berufspflicht. Fehlende Verfassungstreue sei oft genug lediglich die Vorstufe zum Extremismus, so der Chef des MAD.

Beim Kommando Spezialkräfte inzwischen mehr Licht ins Dunkel gebracht

Einen Schwerpunkt bei der Extremismus-Abwehr bildet Gramms Aussage zufolge das Kommando Spezialkräfte (KSK), „wo wir weiterhin rund 20 Personen bearbeiten“. Durch stille Operationen sei es gelungen, „mehr Licht ins Dunkel zu bringen“. Gramm erinnerte an den Munitions- und Waffenfund bei einem KSK-Angehörigen vor einigen Wochen. Zu klären sei die Frage, „ob es hier Mitwisser oder gar Mittäter gab“.

Gramms Einschätzung nach könne bislang nicht von einer „Untergrundarmee“ gesprochen werden. „Aber Beziehungsgeflechte – oder wenn Sie so wollen Netzwerke sowie Strukturen – mit unterschiedlicher Qualität finden wir sehr wohl“, sagte er den Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Was die Weitergabe von Informationen aus dem Bereich des Militärischen Abschirmdienstes an KSK-Angehörige angehe, so sei dies lediglich in einem Fall geschehen, versicherte der Präsident. Der betroffene MAD-Mitarbeiter sei inzwischen entlassen worden.

Coronavirus-Pandemie – ein Stresstest für die Weltordnung

BND-Präsident Bruno Kahl bezeichnete während der Anhörung die COVID-19-Pandemie als einen „Stresstest für unsere Weltordnung“. Autoritäre Staaten versuchten, im Schatten der Corona-Krise ihre Einflusssphären auszubauen. Dabei würden sie die Schwächen anderer internationaler Akteure ausnutzen, Lücken besetzen und hybride Maßnahmen intensivieren.

„In dieser besonderen und angespannten Situation, die vor wenigen Monaten noch niemand auf dem Schirm hatte und die die gesamte Welt noch lange in Atem halten wird, muss der Bundesnachrichtendienst handlungsfähig sein“, betonte Kahl.

Überragende Bedeutung der Strategischen Fernmeldeaufklärung

Es sei deshalb zu begrüßen, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem jüngsten Urteil die überragende Bedeutung der Strategischen Fernmeldeaufklärung des BND für die Sicherheit Deutschlands hervorgehoben habe. Dies werde nun vor allem mit dem Schutz der Grundrechte auf Telekommunikations- und Pressefreiheit in Einklang zu bringen sein, sagte der BND-Präsident.

Der BND – so führte Kahl am Schluss aus – spioniere, „weil andere Staaten dies genauso tun“. Würde der deutsche Staat „aus noch so hehren moralischen Motiven“ auf das Mittel verzichten, im Ausland zu spionieren, „so würden wir damit nichts gewinnen, sondern uns einfach nur schlechter stellen“, sagte Kahl. Sein Postulat: „Wir dürfen uns nicht künstlich blind und taub machen, nur weil das auf den ersten Blick einfacher, sympathischer und ehrlicher erscheint.“

Unterrichtung des Gremiums auch „über Vorgänge von besonderer Bedeutung“

Das Parlamentarische Kontrollgremium ist für die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes zuständig und überwacht das BfV, den BND und den MAD.

Die Bundesregierung ist nach dem Kontrollgremiumgesetz dazu verpflichtet, das Parlamentarische Kontrollgremium umfassend über die allgemeinen Tätigkeiten der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Das Parlamentarische Kontrollgremium kann von der Regierung außerdem Berichte über weitere Vorgänge verlangen. Auch im vergangenen Jahr haben wir auf die öffentliche Anhörung der Präsidenten hingewiesen (siehe hier).

 Folgende Bundestagsabgeordneten gehören dem Parlamentarischen Kontrollgremium an: Armin Schuster (Vorsitzender; CDU/CSU), Konstantin von Notz (Stellvertretender Vorsitzender; Bündnis 90/Die Grünen), Andrea Lindholz (CDU/CSU), Patrick Sensburg (CDU/CSU), Uli Grötsch (SPD), Thomas Hitschler (SPD), Roman Johannes Reusch (AfD), Stephan Thomae (FDP) und André Hahn (Die Linke).

Text-Hinweis: Für unseren Bericht über die Anhörung der Präsidenten der deutschen Nachrichtendienste nutzten wir – mit freundlicher Genehmigung – einen Beitrag des Deutschen Bundestages/Online-Dienste. Unser besonderer Dank für die Nachdruckerlaubnis gilt dabei dem Textautor, dem Berliner Journalisten Götz Hausding.


Die Aufnahme zeigt die Präsidenten der drei Nachrichtendienstes des Bundes am 29. Juni 2020 vor Beginn der öffentlichen Anhörung im Saal 3.101 des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses in Berlin. Von links: Thomas Haldenwang (Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, BfV), Bruno Kahl (Präsident des Bundesnachrichtendienstes, BND) und Christof Gramm (Präsident des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst, MAD).
(Foto: Achim Melde/Deutscher Bundestag)

Kleines Beitragsbild: Begrüßung der drei Präsidenten am 29. Juni vor der Anhörung durch den Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums Armin Schuster. Der CDU-Politiker leitet das Gremium seit dem 18. Januar 2018. Von links: Christof Gramm, Thomas Haldenwang, Armin Schuster und Bruno Kahl.
(Foto: Achim Melde/Deutscher Bundestag)


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