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Berlin. Am gestrigen Montagnachmittag (18. Mai) verabschiedete Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer den 12. Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, aus seinem Amt. Sie ehrte den Sozialdemokraten mit einem kleinen Festakt im Gästekasino des Bendlerblocks in Berlin, dem zweiten Dienstsitz des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg). Aufgrund der Corona-Krise und der dadurch bedingten Einschränkungen und Schutzmaßnahmen fand der Festakt anstelle einer Feierlichen Serenade lediglich im kleinen Kreis stand.

Hans-Peter Bartels war von 1998 bis zu seiner Ernennung zum Wehrbeauftragten am 21. Mai 2015 Mitglied des Deutschen Bundestages. Außerdem war der studierte Politikwissenschaftler als Verteidigungsexperte Mitglied im Verteidigungsausschuss, dessen Vorsitz er ab 2014 innehatte.

In seiner Funktion als Wehrbeauftragter interessierte sich Bartels unter anderem für die Ausrüstung der Bundeswehrangehörigen und die Finanzierung der Streitkräfte insgesamt. Auch die Attraktivität des Dienstes und die Fürsorge sowie die Aufklärung jeglicher Art von Verfassungsfeindlichkeit lagen ihm besonders am Herzen. Darüber hinaus hatte sich Bartels stets zur NATO-Mitgliedschaft Deutschlands bekannt.

Die SPD-Bundestagsfraktion unter ihrem Chef Rolf Mützenich hatte sich vor Kurzem dafür entschieden, die Berliner Bundestagsabgeordnete Eva Högl als Nachfolgerin von Hans-Peter Bartels vorzuschlagen. Högl war schließlich am 7. Mai in namentlicher Abstimmung von 389 Parlamentariern zur neuen Wehrbeauftragten gewählt worden, 171 Abgeordnete hatten sich enthalten, vier Stimmen waren ungültig (siehe auch unseren Bericht vom 8. Mai).

Ministerin würdigt Bartels als einen Streiter für die Demokratie

Die Verteidigungsministerin dankte dem scheidenden Wehrbeauftragten für dessen „ungeschminktes Bild vom Zustand der Streitkräfte“, das er in seiner Amtszeit gezeichnet habe. Dies sei gerade für die Ministerin und die Leitung des Hauses nicht immer angenehm gewesen, so Kramp-Karrenbauer. „Aber das soll es auch nicht sein.“ Der Abschied von Bartels schmerze – nicht nur sie persönlich, sondern auch vielen Angehörigen der Streitkräfte, so die Ministerin in ihrer Laudatio weiter. Der Wehrbeauftragte habe sein Amt vorbildlich ausgefüllt. „Unbestechlich, klar und kritisch: Dafür ist die Truppe, dafür bin ich Ihnen dankbar.“

Kramp-Karrenbauer erinnerte daran, dass Bartels sich stets „konstruktiv eingebracht“ und Wege aufgezeigt habe, wie die Bundeswehr besser werden könne. Mit Blick auf den SPD-Politiker sagte sie: „Sie haben als Wehrbeauftragter stets besondere Leidenschaft gezeigt. Für das Wohl der Soldatinnen und Soldaten, für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, für die Verantwortung unseres Landes in Europa und der Welt. Sie waren und bleiben ein Streiter für die Demokratie.“

Neue Verteilungskämpfe um den Bundeshaushalt wegen Corona-Krise

In einem ausführlichen Interview mit der Tageszeitung DIE WELT (Ausgabe vom Sonntag, 17. Mai) nannte Hans-Peter Bartels noch einmal die aktuellen großen „Baustellen“ der Bundeswehr beim Namen. Auch äußerte er sich verhalten kritisch aber deutlich über seine Partei, die SPD. Mit Bartels sprach Thorsten Jungholt, Politischer Korrespondent der WELT.

Zum Thema „Verteidigungsetat“ sagte Jungholts Gesprächspartner, der Anstieg von 32 auf 45 Milliarden Euro in den letzten fünf Jahren sei schon einmal „sehr hilfreich“ gewesen. Er befürchte allerdings, dass es nun – bedingt durch die Corona-Krise – „Verteilungskämpfe um den Haushalt“ geben werden. Bartels warnte: „Die Verteidigungspolitiker werden hart argumentieren müssen. Verlieren sie diesen Kampf, dürfte es wie in der Schrumpfungsphase vor 2015 eine Priorisierung von Rüstungsprojekten geben.“ Dies könnte dazu führen, dass „neue Hubschrauber, Schiffe, die Raketenabwehr, digitale Fernmeldetechnik auf die lange Bank geschoben oder ganz gestrichen“ werden könnten.

Angesprochen auf „existenzielle Ausrüstungslücken“, die Bartels bereits in seinem ersten Jahresbericht im Januar 2016 thematisiert hatte, sagte er scheidende Wehrbeauftragte: „Es gibt immer noch flächendeckend große Ausrüstungslücken. Manches ist inzwischen graduell besser geworden, manches aber sogar noch schlechter. Panzer zum Beispiel werden jetzt in den Übungen mehr bewegt, nutzen sich schneller ab und fallen dann aus – sodass der Klarstand weiter sinkt.“ Allerdings seien mittlerweile die Lücken offiziell identifiziert worden. Für die Zukunft gebe es zudem ein sogenanntes Fähigkeitsprofil. Bartels: „Darin ist aufgelistet, welches zusätzliche Material die Bundeswehr in den Jahren bis 2031 benötigt – und was es kostet, nämlich mehr als 200 Milliarden Euro.“

Weiter kritisierte er, dass man nun zwar einen Plan habe, dessen Umsetzung aber viel zu lange dauere. Bartels wörtlich: „Es braucht mehr Tempo. Die Aufgaben, für die unsere Soldaten eine Vollausstattung benötigen, sind ja heute schon da, nicht erst 2031.“

USA sind und bleiben ein unverzichtbarer Bündnispartner

Nach Fragen zu den grundsätzlichen Wirkmöglichkeiten eines Wehrbeauftragten und der Langzeitwirkung von Jahresberichten befassten sich die Gesprächspartner im WELT-Interview auch mit dem Extremismusproblem der Bundeswehr und der Ballung solcher Fälle in der Eliteeinheit KSK. Danach äußerte sich Bartels zum früheren, aktuellen und möglichen zukünftigen Kurs der SPD in Sachen „Friedenspolitik“.

Auf den Hinweis des WELT-Korrespondenten, dass das Konzept der Nuklearen Teilhabe im Rahmen der NATO mittlerweile von drei der sechs Bundestagsfraktionen – Grüne, Linke und SPD – infrage gestellt werde, erwiderte Bartels: „Das ist in der Tat bemerkenswert. Für sozialdemokratische Bundeskanzler hat der deutsche Beitrag zur atomaren Abschreckung eigentlich nie zur Disposition gestanden. Die SPD von Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder war eine Partei der realistischen Friedenspolitik, die Westbindung und eigene militärische Stärke als Voraussetzung für Abrüstung und Rüstungskontrolle sah.“ Es sei nun an der SPD, deutliche ihre Position zu benennen. Ein „neutrales Beiseitestehen“ oder „ein nationaler Sonderweg“ sei für ihn keine Lösung, erklärte Bartels. Deutschland werde für ein handlungsfähiges, selbstbewusstes Europa gebraucht, auch militärisch. Die USA blieben zudem in dem Kontext „ein unverzichtbarer Bündnispartner“.

Deutliche Worte fand Bartels auch auf die Frage von Jungholt, ob die SPD unter ihren jetzigen Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sowie dem jetzigen Fraktionschef Rolf Mützenich nicht doch „eher auf dem Weg zu einer Partei der idealistischen Friedenspolitik“ sei. Der Sozialdemokrat wählte Klartext und warnte: „Jedenfalls könnte man auf die Idee kommen, dass da gerade ein Richtungswechsel vollzogen wird. Aktuelle Stichworte heißen Nukleare Teilhabe, Verteidigungshaushalt, bewaffnete Drohnen. In den Beschlüssen der SPD kommt das Wort ,Bundeswehr‘ kaum noch vor. Wenn so die Sozialdemokratische Partei neu positioniert werden sollte zwischen Grünen und Linkspartei, hielte ich das für einen schweren strategischen Fehler. Die SPD muss Politik aus der sozialen und politischen Mitte heraus machen.“

„Der Apparat funktioniert, die Karawane zieht weiter“

Zum Schluss des Interviews ließ Hans-Peter Bartels einen kurzen Blick auf sein seelisches Innenleben zu. Gefragt, ob es ihn verletzt habe, von Fraktionschef Mützenich trotz parteiübergreifender Anerkennung für die geleistete Arbeit der letzten fünf Jahre nicht wieder für das Amt vorschlagen worden zu sein, gestand der Politiker: „Überrascht, ja. Und es gab auch keine Blumen in der Fraktion.“

Außerdem hätten ihm „viele Kolleginnen und Kollegen“ – so Bartel am Schluss des Interviews mit der WELT – „unter vier Augen“ gesagt, das diese Personalentscheidung der Fraktionsspitze „eine Sauerei gewesen“ sei. „Aber Fraktionsdisziplin und Koalitionsräson sind stark – und ja auch nötig in Krisenzeiten wie diesen. Insofern ist die gute Nachricht: Der Apparat funktioniert, die Karawane zieht weiter.“

Umfassend gewürdigt wurden die Leistungen und Verdienste von Bartels im Amt des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages auch von der Sozialdemokratie. So zumindest stellte es auf Anfrage des bundeswehr-journal Dominik Dicken dar. Der Pressereferent in der SPD-Bundestagsfraktion, unter anderem zuständig für den Themenbereich „Verteidigung“, übersandte uns dazu als Beleg ein Statement der Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Gabriela Heinrich. Dies lautet: „Ich danke Hans-Peter Bartels von Herzen für seine Arbeit als Wehrbeauftragter des Bundestags. Hans-Peter Bartels genoss zweifelsohne einen hervorragenden Ruf bei der Truppe, er hatte stets ein offenes Ohr für die Belange der Soldatinnen und Soldaten. Nach fünf Jahren ausgezeichneter Arbeit folgt mit Eva Högl nun eine verdiente Parlamentarierin, die sicher ebenfalls eine starke Anwältin der Soldatinnen und Soldaten wird. Ich wünsche ihr viel Erfolg bei ihrer neuen Aufgabe.“

„Viele SPD-Politikerinnen und Politiker“ hätten sich darüber hinaus „auf Twitter bei Hans-Peter Bartels bedankt, darunter etwa Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt“, so Dicken weiter (Roth twitterte: „Hans-Peter Bartels ist ein sehr guter Wehrbeauftragter. Eva Högl wird eine sehr gute Wehrbeauftragte werden. Sie hat bislang jede Aufgabe glänzend gemeistert. In der Politik sind Wechsel in den Politikfeldern nicht die Ausnahme sondern die Regel. Danke, Hans-Peter! Glückauf, Eva!“)

Und schließlich versicherte uns der Pressereferent: „Der SPD-Fraktionsvorsitzender Rolf Mützenich bedankte sich in der Fraktionssitzung ebenfalls ausdrücklich für seine Arbeit bei Hans-Peter Bartels.“ Ach ja, die Blumen …


Zu den Aufnahmen:
1. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer am 18. Mai 2020 bei der Verabschiedung des 12. Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)

2. Die Ministerin überreichte dem scheidenden Wehrbeauftragten im Rahmen des Festaktes ein Abschiedsgeschenk. Den musikalischen Rahmen setzte bei dieser abendlichen Feier ein kleines Ensemble des Stabsmusikkorps der Bundeswehr.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)

3. Die Familie Bartels beim Festakt im Gästekasino des Verteidigungsministeriums, Dienstsitz Berlin.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)

 

 


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