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Berlin/Bonn. Sie sollten mit ihrer Expertise bei der Privatisierung der drei Werke der bundeseigenen Heeresinstandsetzungslogistik GmbH – kurz HIL – helfen. Am Ende kostete der externe Sachverstand hochdotierter Berater den Steuerzahler fast 32 Millionen Euro. Der Bundestagsabgeordnete Matthias Höhn von den Linken spricht von „verbranntem Geld“. Höhn erhielt von der Bundesregierung vor Kurzem eine erschöpfende Antwort auf seine Fragen zum Thema „HIL“. Der Politiker wollte wissen: „Welche Auftragnehmer und Unterauftragnehmer wurden im Zusammenhang mit der Vorbereitung beziehungsweise Prüfung einer Abgabe der drei Werke der HIL Heeresinstandsetzungslogistik GmbH an industrielle Betreiber beauftragt, und mit welcher Gesamtsumme für alle damit verknüpften externen Rechtsberatungsleistungen und betriebswirtschaftlichen Unterstützungsleistungen rechnet die Bundesregierung.“

Am 24. Juni antwortete der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung Thomas Silberhorn. Silberhorn hatte zuvor am 16. Dezember auf Höhns Anfrage noch auf die Einstufung der Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ verwiesen. Diesmal erfahren wir Details. Doch dazu gleich – zunächst zur Vorgeschichte um eine Privatisierung, die im letzten Augenblickt gestoppt wurde, aber da bereits Millionen an Steuergeldern verschlungen hatte.

Die drei Werke der bundeseigenen Heeresinstandsetzungslogistik GmbH in Sankt Wendel (Saarland), Doberlug-Kirchhain (Brandenburg) und Darmstadt (Hessen), in denen Panzer und andere Militärfahrzeuge gewartet und repariert werden, sollten nach den Plänen der früheren Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ursprünglich bis Ende 2020 an die Industrie abgegeben werden (siehe auch hier). Die Umsetzung dieses Vorhabens überließ die CDU-Politikerin ihrer damaligen Staatssekretärin Katrin Suder und den entsprechenden Fachabteilungen.

Bereits im März 2018 hatte der Saarländische Rundfunk (SR) im Zuge dieser geplanten Privatisierung darüber berichtet, dass es „möglicherweise zu gravierenden Unregelmäßigkeiten gekommen“ sei.

Ministerium akzeptierte überhöhte Stundensätze von 450 Euro

Auch die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hatte den SR-Beitrag aufgegriffen und gewarnt, es gehe „um enorme Summen“. Hohe Beamte des Ministeriums, die sogenannte „Task Force HIL-Werke“, hätten Millionenaufträge an Unternehmens- und Rechtsberater freihändig am Haushaltsausschuss vorbei vergeben. Die Aufträge seien nicht europaweit ausgeschrieben worden. Zudem sollen – so der SR und ver.di – die Ministerialbeamten überhöhte Stundensätze von 450 Euro akzeptiert haben.

Matthias Moseler, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der HIL-Werke, hatte damals gegen zwei hohe Beamte des Bundesministeriums der Verteidigung Strafanzeige wegen Untreue erstattet. Die Staatanwaltschaft teilte später aber mit, dass „auf Grundlage der in diesem Zusammenhang unter anderem wegen Haushaltsuntreue erstatteten Strafanzeigen mangels hinreichender Anhaltspunkte“ kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden könne.

Am 17. Oktober 2019 berichtete unter anderem die Süddeutsche Zeitung (SZ), dass die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer die zu diesem Zeitpunkt heftig umstrittenen Privatisierungspläne für die drei Wartungs- und Instandsetzungswerke gestoppt habe. „Die Privatisierung der HIL-Werke wird nicht weiterverfolgt“, zitierte die SZ dazu aus einem ministeriellen Grundsatzpapier.

SPD hält Privatisierung hoheitlicher Aufgaben „grundsätzlich für Irrweg“

Das mit großem Druck vorangetriebene Privatisierungsvorhaben von der Leyens respektive Suders hatte auch den Koalitionspartner SPD verstimmt. Die damalige SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles hatte sich im August 2018 bei einem Besuch im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) nicht nur gegen eine Privatisierung der Koblenzer Behörde, die ebenfalls im Gespräch war, ausgesprochen. Sie hatte auch das klare Bekenntnis ihrer Fraktion überbracht, die HIL GmbH in staatlicher Hand behalten zu wollen. Eine weitere Privatisierung staatlicher Aufgaben in diesem Bereichen lehne die SPD kategorisch ab, so Nahles bei ihrem Besuch im BAAINBw.

Ein Jahr später, am 17. Oktober 2019, äußerte sich der verteidigungspolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Fritz Felgentreu, über den Privatisierungsstopp Kramp-Karrenbauers. In einem Pressestatement erklärte er: „Wir begrüßen die Entscheidung der Ministerin, die Werke zur Instandsetzung im Bereich der Bundeswehr zu belassen und sie nicht an die private Industrie abzugeben.“ Der Erhalt bundeseigener Werkstätten sei elementar für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr, so der SPD-Politiker. Felgentreu ergänzte: „Aus unserer Sicht die Privatisierung hoheitlicher Aufgaben grundsätzlich ein Irrweg. Sie hätte im Falle der HIL-Werke zur Abhängigkeit von privaten Instandsetzungsanbietern und zu Monopolbildung geführt.“

Zu diesem Zeitpunkt beschäftigen die Vorgänge um die Werke der Heeresinstandsetzungslogistik GmbH auch schon den Untersuchungsausschuss des Bundestages, der sich mit rechtswidrigen Auftragsvergaben an externe Berater im Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums befasste.

Linke spricht von „unnützen Beratungsleistungen und verbranntem Geld“

Zurück zu Matthias Höhn und seiner Anfrage an die Bundesregierung zu den Beraterkosten im Rahmen der ursprünglich verfolgten HIL-Privatisierung. In der Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Thomas Silberhorn vom 24. Juni 2020 heißt es: „Seitens des Bundesministeriums der Verteidigung wurden PwC/Strategy& und Hogan Lovells International LLP (Hogan Lovells) mit Unterstützungsleistungen zum Projekt ,HIL-Werke‘ beauftragt. Bis Ende des Jahres 2019 sind insgesamt Aufwände für PwC/Strategy& in Höhe von rund 19,81 Millionen Euro und für Hogan Lovells in Höhe von rund 11,85 Millionen Euro abgerechnet worden. Nach diesem Zeitpunkt bestehen keine Forderungen der Auftragnehmer mehr.“

Wie Silberhorn darlegt, hatte PwC/Strategy& die Unternehmen DATAGROUP Business Solutions GmbH und CONET Business Consultants GmbH beauftragt, die SAP- und Rechenzentrumsbestandteile des IT-Carve-Out-Plans zu konkretisieren. Für den Auftrag an die DATAGROUP Business Solutions sei ein finanzieller Aufwand in Höhe von rund 257.000 Euro und für den Auftrag an CONET Business Consultants in Höhe von rund 134.000 Euro entstanden. Diese Aufwände seien in dem genannten Betrag von 19,81 Millionen Euro enthalten.

Den weiteren Angaben Silberhorns zufolge hatte Hogan Lovells die TÜV Rheinland Industrie Service GmbH damit beauftragt, in den Werken der Heeresinstandsetzungslogistik GmbH den Sachverhalt zur öffentlich-rechtlichen Genehmigungslage zu prüfen, wobei diese Prüfung maßgeblich in der zweiten Jahreshälfte 2016 erfolgte und sich auf die wesentlichen Rechtsbereiche – insbesondere Immissionsschutz-, Strahlenschutz- und Wasserrecht – beschränkte. Der Staatssekretär abschließend zu diesem Punkt: „Diese Aufwände der TÜV Rheinland Industrie Service GmbH in Höhe von rund 180.000 Euro sind in dem genannten Betrag von 11,85 Millionen Euro enthalten.“

In einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur äußerte Höhn: „Das ist alles verbranntes Geld, denn die Beratungsleistungen sind komplett unnütz, nachdem die Abgabe der HIL-Werke richtigerweise, aber viel zu spät gestoppt wurde.“

Keine politische Verantwortung für teilweise rechtswidrigen Vorgänge?

Der „1. Untersuchungsausschuss des Verteidigungsausschusses der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages“ zur sogenannten Berateraffäre war am 30. Januar 2019 auf Antrag der Fraktionen von FDP, Linke und Bündnis 90/Die Grünen eingesetzt worden. Der Ausschuss hatte einen neunköpfigen Unterausschuss mit der Durchführung der Untersuchung beauftragt. Dieser zog mehr als 4700 Akten bei und befragte in 17 öffentlichen Beweisaufnahmesitzungen Sachverständige und Zeugen zu den Vorgängen.

Die erste Beweisaufnahmesitzung fand am 21. März 2019 statt, die letzte, in der die ehemalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vernommen wurde, am 13. Februar 2020.

Der Ausschussbericht der Regierungsfraktionen mit den Ergebnissen der Untersuchung wurde der Opposition im Bundestag am Abend des 8. Juni zugeleitet. Laut Union und SPD ist von der Leyen „kein Fehlverhalten beim Abschluss von Beraterverträgen vorzuwerfen“. Dem 75 Seiten starken Bericht zufolge trägt die heutige Präsidentin der Europäischen Kommission „keine politische Verantwortung für die teilweise rechtswidrigen Vorgänge“ in ihrem damaligen Ministerium (siehe auch hier).

Privatisierungsprojekt „HIL“ lief offenbar völlig aus dem Ruder

Am 23. Juni wurde schließlich das Minderheitenvotum des Untersuchungsberichts – also die Ergänzungen oder auch Gegendarstellungen der Opposition – bekannt. Im Fall „HIL“ stellen die drei Oppositionsparteien FDP, Linke und Bündnis 90/Die Grünen (die AfD reichte eine eigene Gegendarstellung ein) „Vergaberechtsbruch und unlauteres Führungsverhalten des Bundesministeriums der Verteidigung“ fest. Die damalige Ministerin von der Leyen habe zudem über die (am Schluss gescheiterte) Abgabe der HIL-Werke entschieden, ohne einen angemessenen Konsultationsprozess abzuwarten. Die Beratungs- und Unterstützungsaufträge zur Begleitung der Privatisierung seien letztlich ohne Notwendigkeits- und Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vergeben worden. „Diese freihändige Vergabe und die weiteren Folgebeauftragungen“, so heißt es im Minderheitenvotum weiter, „haben den Bund langjährig an die beauftragten Externen gebunden und Millionen gekostet“.

Das Fazit der drei Oppositionsparteien erinnert an eine schallende Ohrfeige: „Das Privatisierungsprojekt [HIL GmbH] lief sowohl in Hinblick auf die Laufzeit als auch auf die Kosten völlig aus dem Ruder. Anstelle der 6,75 Millionen Euro, die das Verteidigungsministerium noch 2016 geschätzt hatte, kosteten Beratungs- und Unterstützungsleitungen schlussendlich über 31 Millionen Euro. Wäre das Privatisierungsvorhaben 2019 nicht abgebrochen worden, wären die Kosten auf mindestens 42,47 Millionen Euro gestiegen, mithin dem Vierfachen der ursprünglichen Kostenschätzung.“


Kompakt                                  

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Hogan Lovells gehört nach eigenen Angaben zu den zehn führenden wirtschaftsberatenden Rechtsanwaltssozietäten weltweit. Die Sozietät entstand zum 1. Mai 2010 durch den Zusammenschluss der in den USA ansässigen Sozietät Hogan & Hartson und der europäischen Sozietät Lovells. Das Full-Service-Unternehmen, das an mehr als 40 Standorten in aller Welt etwa 2500 Anwälte beschäftigt, berät Firmen, Finanzinstitute und die Öffentliche Hand auf allen Gebieten des nationalen und internationalen Wirtschaftsrechts.


Zu unserer Aufnahme: Blick in eines der drei Werke der Heeresinstandsetzungslogistik GmbH.
(Foto: HIL GmbH)

Kleines Beitragsbild: „Tag der Bundeswehr“ in Koblenz am 15. Juni 2019 – Ausstellungsstand der HIL GmbH.
(Foto: mediakompakt)


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